Winterthur ringt um den Ausbau der ARA Hard
Winterthur plant den Ausbau der Abwasserreinigungsanlage Hard. Für die Erweiterung wird mehr Platz benötigt. Die Stadt will deshalb eine Fläche im Hardholz roden und im Gegenzug eine Ersatzaufforstung im Niederfeld. Doch nicht alle sind von dem Projekt überzeugt.
Wer in Winterthur den Wasserhahn aufdreht, denkt selten daran, welchen Weg das Abwasser danach nimmt. Doch am westlichen Stadtrand, im Hard, arbeitet eine der wichtigsten Infrastrukturanlagen der Region: die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Hard. Sie reinigt jährlich rund 20 Milliarden Liter Abwasser aus Winterthur und mehreren Nachbargemeinden und stösst dabei zunehmend an ihre Grenzen. Nun soll die Anlage ausgebaut werden.
Die ARA Hard ist die zweitgrösste Abwasserreinigungsanlage im Kanton Zürich. Weil die Anforderungen an die Reinigungsleistung gestiegen seien, hat der Stadtrat im Jahr 2022 einen Kredit für die Planung des Bauprojekts der ARA Hard gesprochen. Medikamente, Pestizide oder Mikroverunreinigungen sollen künftig noch effizienter aus dem Wasser entfernt werden, bevor es in die Töss zurückfliesst. Für diese zusätzliche Reinigungsstufe ist mehr Platz nötig.
Da rund um die Anlage nur begrenzt Platz vorhanden ist, wird auch Waldfläche beansprucht, weswegen die Stadt Winterthur im Januar 2025 die ersten Planungsunterlagen veröffentlicht hat. Grundsätzlich gehe es darum, die Abwasserreinigungsanlage auszubauen, um die erforderlichen Kapazitäten sicherzustellen, erklärt Beat Kunz, Leiter Stadtgrün Winterthur. «Für diesen Ausbau wird nun einmal zusätzlicher Raum benötigt.»
Weil im direkten Umfeld der Anlage wenig freie Flächen verfügbar sind, betrifft das Vorhaben auch Waldflächen im Hardholz. «Es werden zwar auch Naturschutzgebiete beansprucht, aber das reicht noch nicht für den ganzen Ausbau. Deshalb muss auch Wald gerodet werden», so Kunz.
Parallel zu dem Ausbau sei eine ökologische Begleitplanung für die Aufwertung von dem Landschaftsraum in Auftrag gegeben worden. Der Eingriff sei jedoch unumgänglich. «Wir versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen und das, was dort bleibt, landschaftlich und ökologisch aufzuwerten – nicht nur für die Natur, sondern vor allem auch für die Bevölkerung.»
Das Gesetz schreibe für jede Rodung eine gleich grosse Ersatzaufforstung vor, erklärt Kunz. Diese soll im nahen Niederfeld erfolgen, ergänzt durch die Anlage einer artenreichen Fromentalwiese. Dabei handelt es sich um eine ökologisch wertvolle, blütenreiche Wiese, die durch schonende Nutzung erhalten wird und besonders wichtig für Biodiversität ist. Die Wahl des Niederfelds als Kompensationsstandort war kein Zufall.
Andere mögliche Ersatzflächen seien geprüft worden, betont Michael Wiesner, Abteilungsleiter Ökologie bei Stadtgrün: «Es wurden 74 städtische Flächen als mögliche Ersatzstandorte in Erwägung gezogen. Aber keiner dieser Standorte hatte auch nur annähernd die erforderliche Grösse. Zudem gab es überall Nachteile: Entweder passte das Gelände nicht oder es handelte sich um zersplitterte Kleinstparzellen auf Privatland. Jede dieser Flächen war schlechter geeignet als die jetzige Variante.»
«Wir nehmen keinem Bauer das eigene Land weg.»
Beat Kunz, Leiter Stadtgrün Winterthur
Auch wenn zum Teil landwirtschaftliche Nutzfläche beansprucht wird, betont Kunz: «Wir arbeiten da nicht gegen die Landwirtschaft, sondern das ist wirklich stadteigenes Pachtland. Wir nehmen also keinem Bauern das eigene Land weg.» Als Ackerland falle zudem nur die Aufforstungsfläche weg, während der überwiegende Teil weiterhin für die Landwirtschaft zur Verfügung stehe. Bis die Ersatzaufforstung ihre volle Wirkung entfaltet, wird es dauern. «Bis die neu gepflanzten Bäume anständig ausgewachsen sind, muss man mit mindestens zehn Jahren rechnen», erklärt Wiesner. «Ihr voller ökologischer Wert stellt sich also erst mit der Zeit ein. Das wird jedoch im Rahmen der Ersatzmassnahmen berücksichtigt.» Auch Reto Rupf, Leiter des Forschungsbereichs Geoökologie an der ZHAW, unterstreicht diesen Punkt: «Es hängt vom Lebensraumtyp ab, wie lange es dauert, bis dieser wiederhergestellt werden kann. Für einen Wald sind zehn Jahre sehr wenig – es kommt aber auch auf die Art des Waldes an.» Die Stadt bewertet die betroffene Fläche nach einem Punktesystem, bei dem ökologische Kriterien eine zentrale Rolle spielen. «Die Ersatzmassnahmen müssen anschliessend mindestens den gleichen Punktwert erreichen», so Wiesner. Deshalb sei die neue Waldfläche etwas grösser dimensioniert – ebenso wie die Bruniwiese –, um den ökologischen Ausgleich vollständig zu gewährleisten.
«Man kann nicht garantieren, dass jede Art sich wirklich etablieren kann.»
Reto Rupf, Leiter des Forschungsbereichs Geoökologie ZHAW
Naturmanagement-Experte Rupf weist darauf hin, dass ein Eins-zu-Eins-Ersatz kaum möglich sei: «Je nachdem, wie mobil oder immobil eine Art ist, ist das sehr unterschiedlich zu beurteilen. Man kann nicht garantieren, dass jede Art sich wirklich etablieren kann.» Gleichzeitig sieht er aber auch Chancen: «Die Ersatzmassnahmen können in manchen Fällen sogar bessere Bedingungen schaffen als am ursprünglichen Standort.» Während der öffentlichen Auflage zwischen Januar und März 2025 gingen sieben Einwendungen ein. Besonders die Interessengemeinschaft zum Schutz der Fruchtfolgeflächen (IG FFF) kritisierte den Verlust von Landwirtschaftsland. Sie stellte die Frage, ob andere Standorte für die Ersatzaufforstung nicht geeigneter wären. Die Stadt hält dennoch am Niederfeld fest. Alternative Flächen seien ökologisch weniger sinnvoll oder in der benötigten Grösse nicht realisierbar. Kunz sieht darin auch eine Chance: «Die Vorstellung von Stadtgrün ist, im Niederfeld zu zeigen, wie man mit der Landwirtschaft zusammen ein sinnvolles Projekt entwickeln kann – für die Gesellschaft, die Landwirtschaft und die Natur.»
Der Ausbau der ARA stehe jedoch klar in einem übergeordneten Interesse, betont Beat Kunz. «Es ist klar, dass es im ersten Moment ein markanter Eingriff ist. Das lässt sich nicht verhindern, sonst wäre der Ausbau dort nicht möglich», sagt Kunz. Mit der Zustimmung des Stadtrats zu den überarbeiteten Unterlagen wurde das Geschäft im August 2025 an das Stadtparlament überwiesen. Dort wird über Gestaltungsplan und Zonenplanänderung entschieden. Die Erweiterung erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. Die Verantwortlichen rechnen mit einer Umsetzung in den nächsten fünfzehn Jahren.
Marit verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitete unter anderem bei der NZZ und im SRF-Newsroom. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.