«Was wäre, wenn?» ‒ Eine etwas andere Stadtführung durch Winti

Von neuen Höhen, einer Brücke aus Altteilen und Häusern, die fast ohne Heizung auskommen: Drei ZHAW-Absolventen zeigen, wie unsere Stadt weitergedacht werden kann.

Die Stadt Winterthur wächst – und mit ihr die Frage, wie wir künftig wohnen, arbeiten und zusammenleben wollen. Dies sind auch zentrale Themen für die nächste Architekt:innengeneration. Drei Diplomarbeiten von Absolventen des Departements Architektur, Gestaltung und Bauwesen der ZHAW zeigen exemplarisch, wie Architektur mehr sein kann als Baukunst. Nämlich ein Werkzeug für gesellschaftlichen Wandel.

Vom Hochhaus-Cluster an der Zürcherstrasse über eine Flusspromenade an der Töss bis zu nachhaltig gebauten Mehrfamilienhäusern in Seen: Diese Reise führt durch ein Winterthur, das (noch) nicht existiert.

Hochhaus-Cluster Winterthur_Raphael Perroulaz_Visu2 Br�hlgutpark
123 Meter hoch ist das höchste Gebäude aus Raphael Perroulaz’ Ensemble. (Bild: dunkelbunt studio / Raphael Perroulaz)

Töss – Raphael Perroulaz’ Hochhaus-Cluster

Gut 33’000 Menschen soll es bis 2050 nach Winterthur ziehen, aber wohin mit ihnen? Raphael Perroulaz, Absolvent des Instituts Urban Landscape, schlägt ein Ensemble aus zehn Hochhäusern an der Zürcherstrasse, unweit des Brühlgutparks, vor.

Auf dem von Tankstelle und Schnellimbiss geprägten Areal sieht er Wohnungen für über 860 Personen, ergänzt durch 1300 Arbeitsplätze, eine Schule, 70 Hotelzimmer, Gewerbe sowie Kultur- und Quartierräume. Der höchste Turm misst 123 Meter und bietet auf dem Dach eine öffentlich zugängliche Terrasse mit Rundumblick. Drei bestehende Gebäude, darunter ein historisches Backsteinhaus, sind im Entwurf integriert.

Dieser folgt der Idee der «5-Minuten-Stadt»: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Erholen – alles in Gehdistanz. Architektonisch wird auf die benachbarten Fabrikhallen der ehemaligen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) und auf San Gimignano, das «mittelalterliche Manhattan der Toskana», Bezug genommen.

Für Perroulaz ist der Vorschlag keine Utopie, sondern eine umsetzbare Vision ‒ politischer Wille vorausgesetzt.

  • Hochhaus-Cluster Winterthur_Raphael Perroulaz_Visu3 Quartierplatz

    (Bild: dunkelbunt studio / Raphael Perroulaz)

  • Hochhaus-Cluster Winterthur_Raphael Perroulaz_Visu1 Z�rcherstrasse

    (Bild: dunkelbunt studio / Raphael Perroulaz)

  • Hochhaus-Cluster Winterthur_Raphael Perroulaz_Nutzungsdiagramm

    (Bild: Raphael Perroulaz)

  • Hochhaus-Cluster Winterthur_Raphael Perroulaz_Modell3

    (Bild: Raphael Perroulaz)

  • Hochhaus-Cluster Winterthur_Raphael Perroulaz_Plan1 Strassenfassade

    (Bild: Raphael Perroulaz)

Isometrie Foodbox
Die «Foodbox», ein Teil von Akam Ismailis Pavillon direkt an der Töss. (Bild: @ZHAW Archbau / Akam A. Ismaili)

Brückenschlag an der Töss – Akam Ismailis Holzpavillons

Zwischen der Dings Drinks Bar und dem Reitplatz entstünden zwei Holzpavillons aus dem «Gummischopf», einer ehemaligen Lagerhalle.

Akam Ismaili, Absolvent des Instituts Konstruktives Entwerfen, schafft an der Töss eine kleine Oase für Familien und Flaneure. Eine Einladung zum Verweilen und ein Beispiel für ressourcenschonendes Weiterbauen. Nachhaltigkeit ist dabei kein Buzzword, sondern Basis: Das Tragwerk bleibt reversibel, die Fundamente bestehen aus Naturstein statt Beton. Nur ein Ufer wird gestaltet, das andere bleibt unberührt, aus Rücksicht auf die Wasserfauna.

«Ich bin oft an dem Ort unterwegs und habe immer eine Brücke und ein gastronomisches Angebot direkt am Wasser vermisst», sagt Ismaili.

Die Brücke beim Pavillon am Reitplatz sei das technisch komplexeste Element. Sie basiert auf der Konstruktion des Gummischopfs und wurde zusammen mit einem Holzbauingenieur entwickelt.

Die Pavillons bilden eine fiktive, aber denkbare Flusspromenade ‒ «ein Ort an den Winterthurer:innen Gäste mit Stolz führen können.»

  • Modelfoto

    (Bild: @ZHAW Archbau / Akam A. Ismaili)

  • Reuse

    (Bild: @ZHAW Archbau / Akam A. Ismaili)

  • L„ngsschnitt-Perspektive

    (Bild: @ZHAW Archbau / Akam A. Ismaili)

  • Modellfoto_500stel

    (Bild: @ZHAW Archbau / Akam A. Ismaili)

20250922_Matthias Büchi (1)
Pfähle statt Beton ‒ das funktioniere nicht ohne gesellschaftliches Umdenken, sagt Matthias Büchi. (Bild: @ZHAW Archbau / Matthias Büchi)

Seen – Matthias Büchis Nullkilometerhaus

Beim letzten Halt der Reise kommt die Klimabilanz des Bauwesens ins Spiel. Die Energie, die ein Gebäude im Betrieb verbraucht, ist nur ein Teil davon. Matthias Büchi, Absolvent des Instituts Konstruktives Entwerfen, will auch die sogenannte graue Energie, die beim Bauen entsteht, reduzieren.

Sein Projekt in Winterthur-Seen setzt auf regionale, kaum verarbeitete Materialien wie Lehm, Holz und Hartsandstein. Statt Heizungen übernehmen nach Süden ausgerichtete Fenster die Speicherung von Sonnenwärme, ganz im Sinne des solaren Direktgewinns. Vorbilder sind das Nullheizenergiehaus von Andrea Rüedi in Trin GR und die Micafil-Fabrik von Robert Pierre Sabady in Zürich-Altstetten.

Neben der Effizienz geht es Büchi um eine andere Haltung gegenüber dem Wohnen: «Die Leute würden wieder mehr mit als gegen das Klima leben».

Technisch sei das Projekt realisierbar, gesellschaftlich brauche es ein Umdenken.

  • 20250922_Matthias Büchi (2)

    (Bild: @ZHAW Archbau / Matthias Büchi)

  • 20250922_Matthias Büchi (3)

    (Bild: @ZHAW Archbau / Matthias Büchi)

  • 20250922_Matthias Büchi (4)

    (Bild: @ZHAW Archbau / Matthias Büchi)

  • 20250922_Matthias Büchi (5)

    (Bild: @ZHAW Archbau / Matthias Büchi)

  • 20250922_Matthias Büchi (6)

    (Bild: @ZHAW Archbau / Matthias Büchi)

Laura Marta studiert Kommunikation mit Schwerpunkt Journalismus an der ZHAW. Immer dabei: ein gutes Buch und ihre Kopfhörer. Wenn sie nicht gerade liest oder neue musikalische Perlen entdeckt, schreibt sie über politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen. Aktuell ist sie Praktikantin bei FACES und freie Autorin für das Coucou – Kulturmagazin Winterthur.  

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare