«In Töss geht die Post ab»
«In Töss geht die Post ab» – So gesagt gestern Abend von Stadtpräsident Michael Künzle, anlässlich des Besuchs des Stadtrates in Töss. «Andere Landsgemeinden sind ruhiger», meinte Künzle weiter. Tatsächlich gab es bei der jüngsten Landsgemeinde in Veltheim (wir berichteten) kein grosser Anlass zur Kritik. In Töss heisst die Landsgemeinde «Blickpunkt Töss» und sorgte für angeregte Diskussionen.
Circa 120 Personen warteten am Mittwochabend im Kirchgemeindehaus gespannt auf den Stadtrat. Dieser kommt auf Einladung des Vereins Tösslobby alle vier Jahre nach Töss und stellt sich den Fragen der Tössemer:innen. Neben dem Stadtrat waren auch Vertreter:innen der SBB anwesend, um über das Projekt «Mehrspur Zürich-Winterthur» zu informieren. Töss wird in den nächsten Jahren massiv von Bauarbeiten zum Ausbau der Bahn betroffen sein, da das Projekt den Ausbau des Bahnhof Töss vorsieht. Mit insgesamt 10 Jahren Bauzeit sei zu rechnen, sagte Urs Honold, Leiter des Abschnitts Winterthur des Mehrspur-Projekts. In Töss scheint man sich damit abgefunden zu haben – auch weil die SBB immer gut kommuniziert habe und auf die Wünsche der Bevölkerung eingegangen sei, so der Tenor an der Diskussion. Sorgenkind der Tössemer:innen bleiben jedoch der Lärmschutz und der Baustellenverkehr in den Quartieren.
Ein anderes Thema, das spezifisch in Töss beschäftigt: das Wohl der Frösche. Die Froschzäune entlang von Strassen, die die Amphibien vor dem Überquerungstod retten, seien zu kurz. Die Freiwilligen, die die Frösche im Frühling über die Strasse tragen, wünschen sich eine Verlängerung des Zaunes. Stadtrat und Stadtpräsidentskandidat Stefan Fritschi versichert, die Stadt habe sich bemüht, das Möglichste zu tun. Eine Verlängerung des Zaunes lehne der Privatgrundbesitzer jedoch ab.
Privatbesitz ist ein gutes Stichwort. Denn auch das Zentrum Töss – ein Dauerbrenner am Blickpunkt Töss – ist im Privatbesitz. «Das Zentrum ist eine Bruchbude, nicht selten regnet es rein», verrät mir eine Frau. Stadtpräsident Michael Künzle sagte, man führe gute Gespräche über die Zukunft des Zentrums mit der Eigentümerin. Bald starte eine zweite Phase, wo auch die Tösslobby sich einbringen könne. Ob es bald Sanierungen am Zentrum geben wird, bleibt weiterhin offen.
Viele Fragen hatten die Tössemer:innen auch zu den Schulzuteilungen ihrer Kinder. Weshalb kommt es immer wieder vor, dass Geschwister nicht ins gleiche Schulhaus gehen? Dazu musste Stadträtin Martina Blum Red und Antwort stehen. Und erklärte, dass wenn immer möglich Rücksicht genommen werde, jedoch auch die Durchmischung oder der Schulweg eine Rolle spiele. Das Thema Schule wurde zudem mehrmals im Zusammenhang mit dem Eichliacker-Schulhaus angesprochen. Denn dort finden viele die Verkehrsführung nicht zufriedenstellend. Unter anderem da viele Strassen zusammenkommen und die Veloroute rege und in hohem Tempo genutzt wird. Die für Mobilität zuständige Stadträtin Christa Meier versicherte, dass bereits eine Kampagne zur Sensibilisierung laufe und man die Situation auf dem Schirm habe.
Nach einer Stunde im Plenum konnten sich die Tössemer:innen für Diskussionen in kleinerem Rahmen einer Stadträtin oder einem Stadtrat anschliessen. Viele gesellten sich zu Stadträtin Christa Meier. Dort beschäftigte die Metzgerbrücke und warum nach einer Sanierung kein Fussgängersteg mehr geplant sei, weshalb es im Nägelseequartier noch keine blauen Parkfelder gebe und wieso beim Vitus-Areal (ehemals Rieter-Areal) die Tore noch immer verschlossen sind. Manche Voten waren auch emotional. Das sei speziell bei Mobilitätsthemen so, sagte mir Stadträtin Meier im Nachgang der Diskussion. «Die Tonalität ist in der Politik allgemein aggressiver geworden.» Trotzdem müsse man sich den Erwartungen der Bevölkerung stellen.
«Die Tonalität ist in der Politik allgemein aggressiver geworden.»
Christa Meier, Stadträtin
Zum Schluss des Anlasses sind sich alle einig – auf Töss kommen Veränderungen zu. . Stadtrat und Stadtpräsidentschaftskanditat Kaspar Bopp wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die geplante Versetzung der Autobahn attraktive Flächen im Quartier freigäbe. Die Stadt müsse sich schon jetzt Gedanken machen, wie sie damit umgehen will.
In seinem Schlusswort wünschte Stadtpräsident Michael Künzle den Tössemer:innen alles Gute. «In vier Jahren sind wir wieder hier», meinte er. Er werde dann aber wahrscheinlich eher in einer der hinteren Reihen sitzen und zuschauen.
Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.