Ein Haus voller Airbnbs in Veltheim

104 Wohnungen stehen in Winterthur am Stichtag zur Leerwohnungsziffer leer. Das sind 0.18 Prozent aller Wohnungen in der Stadt. In der Stadt Zürich ist der Anteil der freien Wohnungen noch tiefer, nur 0.1 Prozent aller Wohnungen sind verfügbar. Gleichzeitig gibt es in Zürich über 3000 Inserate auf der Plattform Airbnb. Besonders gewerbliche Anbieter sorgen in Zürich immer wieder für Schlagzeilen. In Winterthur werden derzeit circa 60 Wohnungen auf Airbnb angeboten. Und was auffällt: über 20 Wohnungen befinden sich am gleichen Ort.

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Seit einem Jahr werden alle Wohnungen im Haus auf (Bild: Gioia Jöhri)

Das Haus liegt zentral im alten Kern von Veltheim. Rote Fensterläden und ein paar E-Trottis vor der Tür. Am Briefkasten stehen keine Namen, sondern Appartment-Nummern. An der Landsgemeinde in Veltheim sind diese Wohnungen schon im September aufgefallen. Eine Frau wies auf die Parkplatzsituation hin: «Da kommen und gehen fremde Leute und parkieren in der blauen Zone», sagte sie damals. Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass die Situation nicht besser geworden ist. Eine Nachbarin erzählt, dass ihr privater Parkplatz oft zugeparkt werde, weil die Autos wild an der Strasse parkiert würden. «Ich bin zwar nur am Tag hier», ergänzt eine Gewerbetreibende aus Veltheim, «aber bis vor Kurzem kamen immer wieder Leute, die mich nach einer Parkkarte gefragt haben». Sie habe sich dann beim Vermieter von all den Apartments darüber beschwert und dann sei es besser geworden.

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Letzte Woche hiess es im Airbnb-Inserat, es habe gratis Parkplätze. Kurz nachdem wir die Verwaltung kontaktiert haben, wird nun jedoch auf die Blaue-Zone-Ordnung aufmerksam gemacht. (Screenshot: airbnb.ch)

«Da kommen und gehen fremde Leute und parkieren in der blauen Zone»

Anwohnerin

Im Gespräch mit Anwohnenden tauchen noch viele weitere Probleme auf: Schon dreimal habe man die Polizei anrufen müssen, weil im Haus Partys bis in die frühen Morgenstunden gefeiert worden sind. Die Stadtpolizei bestätigt, dass es Einsätze wegen Lärm gab. Zudem sei gerade am Dienstag etwas Beängstigendes passiert: Jemand sei von einem Airbnb aus über den Balkon in der Nachbarschaft vor der Polizei geflüchtet. Was genau passiert ist, wissen wir Stand jetzt nicht. Die Polizei bestätigt nur, dass am Dienstagmorgen an dieser Adresse ein Polizeieinsatz stattgefunden hat.

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Laut englischsprachiger Website der Verwaltung mieten vor allem «business travelers» die Airbnb-Wohnungen. (Bild: Gioia Jöhri)

Das Haus im Kern von Veltheim gehört laut Grundbuch einer Besitzerin, die im Handelsregister mit einer Firma eingetragen ist, die den «Kauf und Verkauf, Vermietung, Bau und Umbau von Liegenschaften aller Arten» bezwecke und ihren Sitz in Wohlen im Kanton Aargau hat. Verwaltet wird die Liegenschaft jedoch von einer Firma mit Sitz in Winterthur, die auch Liegenschaften in Dubai, Zürich oder Frauenfeld anpreist. Trotz mehrfacher Versicherung am Telefon, dass man schriftlich auf Fragen und Kritik zu den Airbnbs antworten werde, haben wir bis Redaktionsschluss keine Antwort erhalten.

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So und ähnlich präsentieren sich die Wohnungen auf airbnb.ch (Screenshot: airbnb.ch)

In Winterthur ist dieser Fall in Veltheim bisher der einzige bekannte grossgewerbliche Anbieter von Airbnbs, die gleichzeitig auch über Booking.com angeboten werden. Dass Airbnb die Wohnungsnot verschärfen könnte, weil es profitabler ist, Wohnungen kurz, aber teuer zu vermieten, wird in Städten wie Zürich oder Luzern seit Jahren kontrovers diskutiert. Vereinzelt versuchen Städte wie Luzern den Airbnbs Einhalt zu gebieten, beispielsweise mit der 90-Tage-Regel, die nur noch eine Airbnb-Vermietung von 90 Tagen im Jahr zulässt. Grundsätzlich werden Airbnbs im Mietrecht jedoch genauso behandelt wie andere Untermietverhältnisse. Es gilt, dass bei einer Untermiete nicht mehr als 20 Prozent Preisaufschlag verlangt werden darf. Ob dies eingehalten wird, ist jedoch sehr schwierig zu überprüfen. Auf Nachfrage bei der Stadt Winterthur heisst es, dass man von keinen speziellen Regeln bezüglich Airbnb wisse.

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(Bild: Gioia Jöhri)

In der Nachbarschaft der Airbnbs tut sich nun aber etwas. «Wir treffen uns am Freitag mit dem Airbnb-Verwalter, um Lösungen für die Lärm- und Parkplatzprobleme zu finden», sagen die befragten Nachbarn. Viele wohnen über Jahre hier und überlegen nun, wegzuziehen. Der Verwalter zeigte sich immerhin gesprächsbereit. Man überlege sich jedoch auch eine offizielle Beschwerde einzulegen, sollte sich in naher Zukunft nichts ändern. «Manche von uns können nicht mehr schlafen wegen dem Lärm. Wir wollen endlich ernst genommen werden», erzählen mir die Nachbarn im Innenhof gegenüber den Airbnb-Balkonen.

Im Gewerberaum, der fast an die Airbnb-Liegenschaft angrenzt, finde ich zum Schluss noch jemanden, der etwas Positives zu berichten hat: «Es hat auch Wohnungen mit einem privaten Spa. Ich kenne Veltemer:innen, die das zum Entspannen schon selbst gemietet haben.»

WNTI-Portrait-Gioia-Joehri

Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.

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