Veltheim kann sich (fast) nicht beschweren
Baustellen, Barrieren, Bundesrecht ‒ und worüber an der Veltemer Landsgemeinde sonst noch gesprochen wurde.
«Ich wohne 50 Jahre in Velten und muss sagen: Manchmal nervt es», sagte eine Frau am Donnerstagabend im Saal des Kirchgemeindehauses. Die Rede war nicht von unbezahlbarem Wohnraum, von erdrückender Steuerlast oder maroder Infrastruktur. Sondern von der Barriere an der Feldstrasse, vor der man immer so lange warten müsse.
Das Beispiel zeigt: Der «Puls» der Veltemer:innen, den Stadtpräsident Mike Künzle (Mitte) fühlen wollte, war von einem Herzrasen weit entfernt. An der 23. Veltheimer Landsgemeinde wurde der komplett anwesende Stadtrat zwar nicht von Fragen verschont ‒ die Kritik hielt sich aber in Grenzen. Entsprechend war die Stimmung locker, was auch daran gelegen haben mag, dass die meisten der sieben Stadträt:innen hier keine Unbekannten sind. «Drei Räume weiter ging ich mit 16 zu meiner ersten SP-Versammlung», sagte Nicolas Galladé auf die Frage, was ihn mit Veltheim verbinde. Er wuchs in diesem Stadtteil auf, genau wie die Ratskolleg:innen Christa Meier (SP) und Stefan Fritschi (FDP), die sogar zusammen in der Schule waren. Kathrin Cometta (GLP) kam zwar später nach Veltheim, dafür wohne sie nun im Geburtshaus von Hans Hollenstein ‒ einem ehemaligen Stadtrat der CVP. Und Mike Künzle konnte für sich beanspruchen, dass er immerhin seit 32 Jahren mit einer Veltemerin verheiratet sei.
Der erste Teil des Gesprächsformats war für die vier anwesenden Parteivertreter:innen von SP, EVP, Grüne und GLP reserviert, die den Stadträt:innen Fragen stellen durften. Die anderen Parteien seien zwar angefragt worden. Zwei hätten aber nicht reagiert und eine abgesagt, sagte der Präsident der SP Veltheim-Wülflingen, Michael Stampfli. Seine Partei organisiert die Landsgemeinde zum vierten Mal, davor war die Initiative von der CVP ausgegangen.
Die Parteien-Fragerunde fühlte sich manchmal eher nach einem «Zuspielen» an ‒ je nachdem, ob ein Parteigspänli im Stadtrat angesprochen wurde oder nicht. Mehr zur Sache ging es in der zweiten Halbzeit, als sich die Bevölkerung äussern durfte.
An der Ecke Bachtel- und Löwenstrasse sei ein Wohnblock saniert worden, jetzt seien die 20 Wohnungen auf booking.com ausgeschrieben, sagte eine Frau. «Da kommen und gehen fremde Leute und parkieren in der blauen Zone.» Jene Zone, die das Parkieren von Auswärtigen in den Quartieren eigentlich verhindern sollte, wie Christa Meier als Vorsteherin des Departements Bau und Mobilität zuvor gesagt hatte. Man wisse von solchen Angeboten, antwortete Mike Künzle. Doch es handle sich um privates Eigentum, da könne der Stadtrat nicht intervenieren. Er verwies auf andere Massnahmen, die man im Zusammenhang mit der Wohnungsknappheit ergreife.
Solide vorbereitet war ein junger Mann. Er lobte die Infoveranstaltung des Tiefbauamts im August zur Neugestaltung des Quartiers Ziel. «Super» sei sie gewesen. Allerdings habe er an demselben Anlass angesprochen, dass er zur Kanalsanierung an der Bachtelstrasse, wo er selbst wohne, keinerlei Informationen erhalten habe. Werkvorsteher Stefan Fritschi versprach abzuklären, wieso.
Viel gefragt war Christa Meier, die erklären musste, weshalb ein Fussgängerstreifen nach einer Strassensanierung weggefallen war. Die Antwort: Einführung von Tempo 30, «übergeordnetes Recht». Oder, weshalb die Loorstrasse in der bereits erwähnten Neugestaltung nicht in der Beruhigungszone liege. Das Projekt liege aktuell auf, jede:r dürfte sich aktuell äussern, sagte die Bauvorsteherin. «Wir prüfen jede Eingabe.»
«Für diese Menschen gibt es Möglichkeiten. Aber nur in Wohnzonen.»
Christa Meier (SP), Bauvorsteherin
Finanzvorstand Kaspar Bopp (SP) musste sich einer beharrlichen Fragestellerin zum Thema Camping am Schützenweiher stellen. Besonders dass die ständige Wohnsitznahme nach der Sanierung nicht mehr möglich sei, störte die Frau. «Das ist ein seltener Freiraum in der Schweiz.» Bopp erläuterte das bekannte Problem: Der Campingplatz liegt in einer Erholungszone. Wenn das das Problem sei, könne man ja «ein- um- aus- oder irgendwas zonen», fand die Veltemerin kurzerhand. Christa Meier kam zur Hilfe und erklärte, eine Einzonung, die in diesem Fall nötig wäre, müsse vom Kanton kommen und werde nur in absoluten Ausnahmefällen bewilligt. Im Parlament würde ein alternatives Wohnangebot momentan besprochen. Ein Mann wollte zum Schützenweiher ausserdem wissen, ob durch die beiden Referenden (WNTI berichtete) nun das ganze Projekt verzögert werde. Stefan Fritschi erklärte, die Sanierung des Weihers sei unbestritten «und muss dringend gemacht werden». Man werde versuchen, so viel als möglich umzusetzen.
Besorgt über die «extrem vielen Wechsel» bei Lehrpersonen und Schulleitung war eine Mutter. «Mein Kind wurde während Corona eingeschult, das war eine spezielle Situation. Nun zieht sich das aber seit sechs Jahren hin.» Schulvorsteherin Martina Blum (Grüne) pflichtete ihr bei: «Das System ist wahnsinnig unter Druck.» Mit der neuen Struktur und den Leiter:innen Bildung, den Vorgesetzten der Schulleitungen, solle sich das bessern.
Und was ist jetzt eigentlich mit der Barriere an der Feldstrasse? Ein Bähnler aus dem Publikum wusste: Dass man dort ‒ im Vergleich zur Schaffhauserstrasse ‒ so lange warten müsse, hänge mit den Zugsignalen im Hauptbahnhof zusammen. Er hatte aber eine Lösung für das Problem parat: «Wenn man in Veltheim eine Haltestelle machen würde, müsste der Zug dort halten.» Dann hätten die Autos öfters freie Fahrt. Für diesen Vorschlag erhielt er den einzigen Spontanapplaus des Abends.
Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.
Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.
Kiino kommt nicht nur aus Winterthur, sondern auch aus der Talentschmiede des ZHAW-Studiengangs Kommunikation. Ihr erster Text im Kulturmagazin Coucou war ein Wurf. Umso schöner, entschied sie sich für ein viermonatiges Praktikum bei WNTI.