Das letzte Wort bei der Schützenweiher-Sanierung hat das Volk

Rechnung und Tätigkeitsberichte interessierten am Dienstag nur am Rande. Stattdessen bewegten die drei Verpflichtungskredite Schützenweiher. Vom Parlament wurden sie allesamt angenommen, doch die AL hat gemeinsam mit der IG Camping das Referendum angekündigt.

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Schön, oder? Für nur 12,4 Millionen Franken könnte dieser Weiher Ihnen gehören. (Bild: Planikum AG)

Kurz vor Beginn war es noch ruhig im Saal, doch dann marschierten sie doch noch ein: Gegen 40 Personen der IG Camping, der Juso und weitere, die sich mit den Dauercamper:innen auf dem Camping Schützenweiher (WNTI berichtete) solidarisierten.

Denn das Gebiet rund um das Gewässer soll neu gestaltet werden. Das findet der Stadtrat – und dieser Entscheid liegt auch in seiner strategischen Kompetenz. Er hat 2021 die «Räumliche Entwicklungsperspektive Winterthur 2040» verabschiedet. Das 240 Seiten starke Dokument ist eine Art Masterplan der städtebaulichen Entwicklung. Darin werden elf Gebiete priorisiert, darunter der «Stadtrandpark». Zu Deutsch: Um Winti soll ein grüner Gürtel entstehen, in dem sich die «wie im Chüngelstall lebende Stadtbevölkerung» (Zitat Christian Hartmann, SVP) erholen kann.

Deshalb soll aus dem verschlammten und mit Seerosen zugewachsenen Weiher wieder ein Naturteich zum «Baden auf eigene Gefahr» werden. Der Zu- und Abfluss des Weihers, der Veltheimer Dorfbach, wird renaturiert. Das neu entstehende Naherholungsgebiet müsste zudem besser erschlossen werden als zuvor. Und eben: Der Campingplatz soll saniert und dem TCS verpachtet werden ‒ Dauercamping unerwünscht.

Im Parlament wurde das Geschäft in verschiedene Verpflichtungskredite gegliedert. Die Sanierung des Veltheimer Dorfbachs hängt noch beim Kanton. Markus Nater (GLP) und Philipp Angele (SVP) aus der städtebaulichen Kommission stellten die anderen drei vor: die Neuerschliessung des Gebiets (3,1 Millionen Franken), die Sanierung des Weihers (2,3 Millionen Franken) und der Neubau des Campingplatzes (6,9 Millionen Franken).

Kontrovers war dieses letzte Projekt, verschiedene Parteien bemängelten, dass für die Dauercamper:innen keine Lösung angestrebt wurde. Michael Zundel (Grüne) bemängelte zum Beispiel, dass eine Zonenänderung ausser Frage stand. Sie ist die zentrale Ursache. Weil das Grundstück in einer Erholungszone liegt, ist dauerhaftes Wohnen dort nicht erlaubt. «Für ein paar Ponys hat man das im Parlament noch gemacht», sagte er und spielte auf den Fall des Reithofs Germann an (der Landbote berichtete).

Während die SVP allen drei Kreditanträgen zustimmte, war der Rest der Bürgerlichen gespalten *erstaunte Blicke von der Zuschauer:innentribüne*. «Wenn wir ein Hotel auf dem Teuchelweiherplatz bauen wollten, würden Sie den Kopf schütteln», sagte Andreas Geering (Mitte). Es sei nicht die Aufgabe der Stadt, einen Campingplatz zu bauen und ihn dann zu vermieten. Und Jan Fehr (FDP) bezweifelte die Wirtschaftlichkeit des Projekts: Die Dauercamper:innen finanzierten den Campingplatz über das Jahr. «Genau dieses bewährte Konzept will die Stadt nun tauschen.»

Für einmal waren sich die Polparteien einig: Auch die SP stimmte allen drei Anträgen zu. «Mit einem Nein zum Kredit gibt es ab 2026 kein Camping», sagte Selim Gfeller. Im schlimmsten Fall erstelle man für zwei Millionen Franken ‒ die geschätzten Kosten für den Abbruch ‒ eine grüne Wiese.

Parlamentsbrief 3 - 3
(Bild: WNTI)

Alexander Würzer von der EVP meinte: «Auch alternative Lebensformen haben eine Daseinsberechtigung.» Eine entsprechende Interpellation dazu haben EVP, Grüne, AL und FDP im Mai eingereicht, sie ist allerdings noch nicht beantwortet. Die Kreditanträge wurden schliesslich alle deutlich angenommen. Doch das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen.

Roman Hugentobler (AL) kündigte ein Volksreferendum an. Und zwar für den Sanierungskredit des Campingplatzes und die Neuerschliessung des Gebiets. Dass ein Referendum zustande kommen wird, gilt als sicher: Alleine die IG Camping zählt über 800 Mitglieder, nötig sind 500 Unterschriften in 60 Tagen.

Aber jetzt: Lass uns über Geld sprechen

Einen Überschuss von knapp 42 Millionen Franken vermeldete Finanzvorsteher Kaspar Bopp (SP) im April bei der Präsentation der Rechnung. Und Mitte-Gemeinderätin Iris Kuster meinte, das müsse «den Finanzminister freuen, wenn er vor den Wahlen ein positives Ergebnis vorweisen kann».

Kaspar Bopp relativierte, Freude habe er nie gezeigt. Und er jubelte auch nicht, als die Rechnung einstimmig angenommen wurde. Denn der beachtliche Gewinn ist zu einem Grossteil auf das Unwort «buchhalterische Effekte» zurückzuführen. Einfach gesagt wurde Geld, das für einen bestimmten Zweck reserviert war, wieder freigegeben. Mehr als die Hälfte des Überschusses ist ein solcher Buchgewinn. Doch: «Ob es 42 oder 19 Millionen sind ‒ wir nehmen alles», fasste Christian Hartmann (SVP) zusammen.

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Etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes verteilt die Stadt um: An Kanton, andere Gemeinden oder an Unternehmen und Haushalte, etwa durch die Sozialhilfe. (Bild: WNTI)

Die grössten Abweichungen zum Budget – also der Finanzplanung – waren höhere Steuereinnahmen (18,2 Millionen Franken), vor allem weil Nachzahlungen aus früheren Jahren dazukamen. Ausserdem schloss der Bereich «Bewirtschaftung des Finanzvermögens» 4,8 Millionen Franken besser ab, unter anderem wegen höherer Mieteinnahmen aus Liegenschaften. Mehrausgaben gab es dafür bei Schulen und Kinderbetreuung (11,6 Millionen Franken) und der Jugendhilfe (6,3 Millionen Franken). Unter Budget blieb die «individuelle Unterstützung», also Gelder für Bezüger:innen von Sozial- oder Ergänzungsleistungen.

Die Voten der Parteien waren sehr generell gehalten. Die rechte Ratshälfte beschwerte sich über «fehlende Priorisierung» bei den Ausgaben (Christian Hartmann, SVP) oder die gestiegenen Schul- und Sonderschulkosten (Iris Kuster, Mitte). Von links hiess es, diese könnten kaum verändert werden (Marilena Gnesa, SP). Finanzvorsteher Kaspar Bopp sagte, die Kosten hätten sich in allen Zürcher Gemeinden gleich entwickelt, was zumindest ein Indiz dafür sei, dass diese Kosten nicht hausgemacht seien. Er forderte «wer zahlt, befiehlt», und hatte damit im Stadtparlament leicht reden: Die Bildung ist in weiten Teilen Sache des Kantons.

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Die Steuereinnahmen der Stadt kommen zu drei Vierteln von Privatpersonen und ihren Einkommenssteuern. (Bild: WNTI)

Berichte, Berichte, Berichte

Nicht nur die Medien, auch verschiedene andere Organe beobachten und prüfen die Arbeit der Verwaltung. Sie leisten wichtige Vorarbeit, damit die Parlamentarier:innen ihre Aufgabe, nämlich die Kontrolle der Verwaltung, wahrnehmen können. Sie wurden vom Parlament alle einstimmig «positiv zur Kenntnis genommen».

Die Finanzkontrolle nimmt mit ihren 750 Stellenprozenten vieles unter die Lupe: Etwa, ob die Stadt Gebühren richtig verrechnet oder sparsam mit Steuergeldern umgeht. Aber auch, ob die Codes der Tresore regelmässig geändert oder die Kassen richtig geführt werden. Jedes Jahr werden andere Bereiche herausgepickt und geprüft.

  • Mehrheitlich stellte die Finanzaufsicht der Stadt «gute Gesamtbeurteilungen» aus.
  • Im Zeitraum 2020 bis 2024 definierte die Stelle 390 Verbesserungsmassnahmen für die Verwaltung. 287 dieser Anträge wurden umgesetzt, bei 50 ist die gesetzte Frist noch nicht abgelaufen. Bei insgesamt 53 Anträgen ist die Verwaltung in Verzug, woran die Redner:innen der FDP- und Mitte/EDU-Fraktion erinnerten.

Die Datenschutzstelle hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Im März 2024 hatte die Beauftragte ihr Amt niedergelegt, interimsmässig übernahm die kantonale Stelle. Seit Oktober ist der neue Datenschutzbeauftragte im Amt.

  • Mehrere Anfragen von Privatpersonen löste das Energieportal der Stadt aus. Dort wurde der geschätzte CO₂-Ausstoss jeder Liegenschaft veröffentlicht, das Wort «Klimapranger» fiel. Nach Intervention der Datenschutzstelle wurden die Daten entfernt.
  • Der Tätigkeitsbericht dürfte noch etwas kompakter sein, meinte die den Bericht vorstellende Parlamentarierin Regula Keller (SP). Der Datenschutzbeauftragte Tobias Naef gelobte Besserung.
  • Wenn ihr mich fragt, sieht der Bericht aus wie ein Schauspielhaus-Plakat von 2023. Aber schaut selbst.

An die städtische Ombudsfrau kann sich wenden, wer mit der Arbeit der Verwaltung in irgendeiner Weise nicht einverstanden ist oder sich unfair behandelt fühlt.

  • 68 Mal und damit so viel wie kein anderes war das Departement Soziales von Bürger:innen-Anfragen betroffen. Meistens ging es dabei um das (Nicht-)Bezahlen von verschiedenen Sozialleistungen.
  • Trouvaille: Es beschwerte sich auch ein Musiker. Er werde nicht unterstützt bei der Suche einer Wohnung, die gross genug für sein Klavier sei.

In Kürze

  • Nicht zum Kontroll-Trio gehörte der Geschäftsbericht der Sozialhilfebehörde. Das elfköpfige Gremium prüft die Arbeit des Departements Soziales und ist verantwortlich für die Neubeurteilung von Sozialhilfeentscheiden. 2024 hat sie sich rund 200 Dossiers angeschaut und sieben Neubeurteilungen vorgenommen.
  • Mini-Änderung in der Gemeindeordnung: 2021 machte der Regierungsrat Vorschläge, wie Wahlen und Abstimmungen einfacher durchgeführt werden könnten. Dazu gehörte eine in der Vernehmlassung «allgemein begrüsste» Änderung. Neu soll nicht mehr das Parlament über die Anzahl der Mitglieder im Wahlbüro entscheiden, sondern entweder das Gesetz direkt oder der Stadtrat. Dieser schlug dem Parlament letzteres vor. Michael Zundel (Grüne) meinte erst: «Das geht nicht», und deklarierte seine Aussage danach gleich als Scherz. Irgendjemand vom Kanton werde sich das schon gut überlegt haben. Das fanden die anderen Parlamentarier:innen auch und nahmen das Geschäft einstimmig an. Im November muss noch das Volk an der Urne darüber bestimmen.
  • Vorgeburtliche Ferien für Mütter: Drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin können werdende Mütter, die bei der Stadt arbeiten, künftig Ferien eingeben. Die dafür nötige Änderung des Personalstatuts beschloss das Parlament mit 33 gegen 19 Stimmen. Der Antrag geht auf eine Motion der mittlerweile aus dem Parlament zurückgetretenen Hebamme Nina Wenger (Grüne), Marilena Gnesa (SP), Barbara Huizinga (EVP) und Nora Ernst (GLP) zurück. Laut dem Stadtrat wird die neue Regelung Kosten von jährlich etwa 50’000 Franken oder 0,01 Prozent der Gesamtlohnsumme verursachen. Da die meisten werdenden Mütter bisher vor der Geburt krankgeschrieben statt beurlaubt waren und die Stadt diese Ausfälle nicht versichert hatte, seien die Mehrkosten vergleichsweise tief.
WNTI-Portrait-Tizian-Schoeni

Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.

Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.

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