«Das TCS Konzept entspricht keinem echten Bedürfnis» - Die «IG Camping» wehrt sich gegen die Pläne der Stadt

Der Erholungsraum rund um den Schützenweiher soll «umfassend aufgewertet werden», wie die Stadt im März mitteilte. In dieses Gebiet fällt auch der Campingplatz Schützenweiher. Diese Aufwertung plant die Stadt in Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Pächter, dem TCS. Neben der momentanen Pächterfamilie sind die knapp 50 Dauercamper:innen, die ihren Wohnsitz auf dem Campingplatz haben, von den Plänen betroffen. Nun hat sich die Interessensgemeinschaft «IG Camping» gebildet. Sie will sich gegen die Pläne der Stadt wehren und lädt am 24. Mai zum Tag der offenen Tür.

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Jean-Pierre Wollenschläger, Mitglied und einer der Sprecher:innen der «IG Camping» (Bild: Sebastian Galli)

«Ich habe mir einen Lebenstraum verwirklicht, ein Wohnmobil gekauft und die Welt bereist», sagt Jean-Pierre Wollenschläger. Er ist Mitglied und einer der Sprecher:innen der «IG Camping» und hat selbst fünf Jahre auf dem Campingplatz gewohnt. Er sei mehrere Monate im Jahr unterwegs gewesen, wollte aber als gebürtiger Winterthurer seinen Wohnsitz in der Stadt behalten. Deshalb habe er sich auf dem Campingplatz eine Parzelle gemietet. 

Der Camping Schützenweiher liegt allerdings in einer Erholungszone. In dieser sei eine Wohnnutzung weder vorgesehen noch erlaubt, wie die Stadt Winterthur auf Anfrage mitteilt. Im Wissen darum, dass eine umfassende Sanierung anstehe, habe die Stadt die Dauercamper:innen bisher aus Gründen der Verhältnismässigkeit temporär geduldet. Trotzdem wohnen schon seit Jahren Menschen permanent auf dem Campingplatz. «Der längste ist seit 17 Jahren hier», sagt Jean-Pierre. Eine Möglichkeit, diesen Umstand rechtlich beheben zu können, sieht Jean-Pierre in einer Umzonung. «Es wäre ein Leichtes, den Campingplatz aus der Erholungszone rauszunehmen.» Weshalb die Stadt das nicht in Erwägung gezogen hat, sei für ihn unverständlich. Laut der Stadt soll die Erholungszone gemäss dem kommunalen Richtplan als Teil des Stadtrandparks weiterentwickelt werden. Das Gebiet um den Schützenweiher soll allen Bevölkerungsgruppen zur Erholung offenstehen und nicht dem Wohnen dienen.

«Niemand will zwischen Autobahn und Schiessstand zwei Wochen Ferien machen»

Jean-Pierre Wollenschläger

Entstanden sei die «IG Camping» spontan, bei einem Treffen betroffener Camper:innen. «Gestartet sind wir mit 25 Mitgliedern, inzwischen haben wir über 270», sagt Jean-Pierre. «Die Campergemeinde ist gut untereinander vernetzt.»

Der TCS sei in der Community nicht gerade beliebt. Heute kostet eine Übernachtung auf dem Camping Schützenweiher für zwei Erwachsene und ein Kind in einem Wohnmobil 42.50 Franken. Laut dem TCS werden die zukünftigen Preise mit dem TCS Campingplatz «Bern Eymatt» vergleichbar sein. Dort kostet dieselbe Übernachtung 63.30 Franken, also knapp 49% mehr. «Das ist gerade für Gäste aus dem Ausland eine gute Stange Geld», sagt Jean-Pierre. Die Preise seien aber nicht der einzige Grund, weshalb das Echo auf die Gründung der «IG Camping» so gross gewesen sei. Das TCS-Konzept entspreche keinem echten Bedürfnis. «Niemand will zwischen Autobahn und Schiessstand zwei Wochen Ferien machen. Wer nicht hier wohnt, ist auf der Durchreise», sagt Jean-Pierre. Diese Camper hätten einfache Ansprüche – ein Platz zum Übernachten und sanitäre Anlagen. Deshalb sei der TCS der falsche Partner für die Sanierung. 

Anders sieht das die Stadt Winterthur. Auf Anfrage teilt sie mit, dass bei der Sanierung des Campingplatzes kein Luxus angestrebt werde. Entstehen soll ein Campingplatz mit zeitgemässer Infrastruktur und neuwertiger Ausstattung, der offener und naturnaher gestaltet sei. Auch sei ein stadtnaher Campingplatz ein «wichtiges touristisches Angebot, das eine hohe Wertschöpfung für die lokale Wirtschaft generiert». Die geplante Sanierung sei eine nachhaltige Investition in die Zukunft.

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Bald werden Vögel hier eine Baustelle sehen, die Erholungszone soll 2026 saniert werden. (Bild: Camping Schützenweiher)

Für Jean-Pierre ist der Campingplatz Schützenweiher eine Herzensangelegenheit. Umso enttäuschter sei er von der Stadt. Sie habe den Campingplatz 70 Jahre lang nicht wahrgenommen. «Es wurde nie Geld in den Unterhalt des Campings gesteckt. Es gab immer nur Provisorien», sagt Jean-Pierre. Der Container mit Duschen und WCs, der vor zehn Jahren «vorübergehen» installiert worden ist, sei ein Zeugnis davon. «Da fragt man sich schon, wohin all die Pachtzinsen verschwunden sind», sagt er weiter.

Neben den knapp 7 Millionen, welche die Stadt für das Projekt veranschlagt hat, steuert der TCS zusätzlich 1,5 Millionen bei. Für Jean-Pierre ist das zu viel.«Wieso so viel Geld aus dem Fenster werfen, wenn man den Camping billiger sanieren und im Geiste der letzten Jahre weiterführen könnte?» Doch wie steht die Stadt zu diesen Vorwürfen? Auf Anfrage teilt sie mit, dass sie sich keineswegs aus der Verantwortung ziehe. Die Stadt habe für den normalen Unterhalt gesorgt. Doch nach Jahrzehnten des Betriebs sei eine umfassende Sanierung nötig, aufgrund des Alters der Infrastruktur sowie aus wirtschaftlichen und logistischen Gründen. Eine Teilsanierung sei nicht effizient und erheblich kostenintensiver. Zudem würden die bisherigen Pachtzinsen den anstehenden Investitionsbedarf nicht abdecken.

Damit sich die Bevölkerung Winterthurs persönlich ein Bild der Situation machen könne, lädt die «IG Camping» am 24. Mai zum Tag der offenen Tür. Und auch wenn das Stadtparlament das Sanierungsprojekt annehmen sollte, wäre das noch nicht das Ende für Jean-Pierre und die IG. «Dann ergreifen wir das Referendum!»

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Will man Seba treffen, so geht man am besten in den Widder, dort ist die Chance gross, ihn hinter dem Tresen zu finden.

Seba studiert in Winti Journalismus, lebt seine Leidenschaft für Sport mit flinken Fingern beim Tickern für 20 Minuten aus und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Denn: Seba ist ein Urwinterthurer, in Veltheim aufgewachsen und jetzt in Seen, nur eines hat er nicht geschafft für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.

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