Zur heiligen Quelle

Kraftorte von Martin Frischknecht

WN Quelle

Winterthur und Wasser, das ist eine komplizierte Beziehung, und es fängt bereits beim Namen an. Denn von der Thur gibt's hier keine Sphur. Die nämlich zieht weitab hinter zwei Hügelketten durch den nach ihr benannten Kanton. Doch zumindest durch die Löwen im Wappen besteht eine Verwandtschaft zum Thurgau. Die geht zurück auf die Herren von Kyburg, deren Siegel ebenfalls die beiden Wappentiere zieren. Die Kyburg jedoch thront über der Töss, und die fliesst dem südlichen Rand des Stadtgebietes entlang. Haben die Winterthurer denn ihre erste Siedlung weitab vom Wasser erbaut? So macht es heute den Anschein. Die Eulach, welche die Stadt mit Wasser versorgt, rauscht kanalisiert und kaum sichtbar an der Altstadt vorbei. Das entspricht dem schwer definierbaren Status dieses vernachlässigten Gewässers zwischen Bach und Fluss.

Wo aber kommt unser Wasser her? Die Frage habe ich an einem Mittwochnachmittag zwei Schulkindern gestellt. Daraufhin schwangen wir uns aufs Velo und machten uns auf die Suche. Wir folgten der Eulach gegen die Strömung, dem Lauf des Mattenbachs entlang durchquerten wir Seen. Im Müllerhölzli erreichten wir eine moosige Stelle, wo sich mit etwas gutem Willen behaupten liess, hier blubbere und gurgle das Wasser aus dem Boden.

Wie schön, wir waren zur Quelle eines Reichtums vorgestossen, den unsere Vorfahren noch in Ehren hielten. Zum Beispiel, indem sie an trockenen Tagen zur Quelle pilgerten, einen Segensspruch ausbrachten und hier dankbar ihre Flaschen füllten. Eine Ahnung dieser innigen Beziehung bekommt, wer von Wülflingen aus zur Pirminsquelle am Chomberg steigt. Das Wasser sprudelt dort aus einer begehbaren Höhle im Berg. Eine von Erwin Schatzmann gestaltete Holztafel aus der Reihe «Heiliges Winterthur» stimmt Durstige andächtig. Und dankbar.

Kommentare