Land unter bei der Unterführung Wülflingerstrasse
Geschichte vor Ort
Gewitter und sintflutartige Regengüsse sind im Sommer keine Seltenheit. Das Gewitter jedoch, welches am 27. Juni 1915 über Winterthur fegte, war ein «unerhört heftiges» und dem Landboten tags darauf sogar einen ausführlichen Artikel wert. In blumiger Sprache wurde beschrieben, wie das «unbändige Element» in der Stadt «allerhand Unfug» getrieben hatte. Die Metzggasse habe einem Kanal in Venedig geglichen und die Turmhaldenstrasse habe ausgesehen, wie «mit dem Pflug bearbeitet». Auch die Situation bei der Unterführung Wülflingerstrasse wird im Artikel eindrücklich beschrieben: «Ganz übel sah es auch bei der Schaffhauser [sic] Unterführung aus; dort war während ¾ Stunden der Tramverkehr unterbrochen (…) und ein Töff blieb dort im Geschiebe derart stecken, dass er mit Stricken wieder flott gemacht werden musste.» Ein Bild vom Hochwasser sucht man in der Zeitung von damals zwar vergebens, doch der aufmerksame Reporter erwähnt in seinem Bericht einen Fotografen, der «das seltene Geschehnis mit seinem Kodak ewig geknipst hat». Mit grosser Wahrscheinlichkeit war das der Fotograf Hans Jäggli, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Winterthur tätig war. Von ihm jedenfalls stammt das Foto der überschwemmten Unterführung. Es ist – zumindest im Archiv der Winterthurer Bibliotheken – das einzige Zeugnis der gewaltigen Wassermengen, die damals innerhalb nur einer halben Stunde (!) in Winterthur niedergegangen sind.
Regula Geiser ist Historikerin und betreut das Bildarchiv der Winterthurer Bibliotheken.
Unter der Rubrik «Geschichte vor Ort» schreiben verschiedene Autor:innen aus dem Geschichtennetzwerk Winterthur.