Das neue Badhaus fällt ins Wasser
Vier Jahre sah es gut aus für die Idee einer neuen «Badewannenmoschee» an der Badgasse. Nun soll das ehrwürdige Gebäude als Büroraum genutzt werden.
In der «Badewannenmoschee» an der Ecke Badgasse/Neugasse gibt es kein Wellness-Bad. Stattdessen werde nun eine «gewerbliche Nutzung» angestrebt, heisst es von der Stadt.
Doch der Wassertempel wurde nicht einfach still und leise gegen Büros eingetauscht, im Gegenteil: Der Prozess hat eine vierjährige Vorgeschichte. Im März 2021 titelte der Landbote, «auch die Wellnessoase soll kommen». Damals suchte die Stadt noch nach Investor:innen. Zwei Jahre später war dieser gefunden. Interessenten habe es mehrere gegeben, sagte Finanzvorsteher Kaspar Bopp (SP) damals, tatsächlich eingegangen war jedoch nur ein Angebot: jenes der Bain-Bleu SA mit Sitz in Bubikon. Hinter der Aktiengesellschaft steht Roger Bernet, ein erfahrener Projektentwickler, was Wellnessbäder angeht.
«Wellnesskönig», nannte ihn die Aargauer Zeitung einmal. Untertrieben ist das nicht. Bernet hat schon diverse Wellnessbäder realisiert. Darunter alleine sieben «Hammams», also traditionelle, arabische Dampfbäder. Das mehrstufige Baderitual hätte gut zur Winterthurer Badgasse gepasst ‒ beim Bau 1864 hatte der Stadtbaumeister Wilhelm Bareiss die Badeanstalt nämlich mit diversen orientalischen Stilelementen versehen. Bis hin zum Kamin, der mit kleinen Balkonen und einer Turmspitze an ein Minarett erinnerte.
Doch die Idee eines Hammams verwarf Bernet schnell. In ein solches Bad hätte nämlich nur «Zenitallicht», also Licht von oben einfallen dürfen. Die Badgasse 6 ist aber mit grossen Fensterfronten versehen. Roger Bernet schwebte anderes vor. Seine Idee war eine Bade- und Wellnesslandschaft, gepaart mit einem Kunsterlebnis. In den verschiedenen Räumen wäre Kunst auf ganz neue Art erfahrbar gewesen. Und: «Gezwungenermassen wären auch Menschen mit Kunst in Berührung gekommen, die eher zum Wellnesspublikum gehören und umgekehrt», sagt Bernet.
Doch was machte dieser wirklich charmanten Idee den Garaus? Bernet nennt als Erstes die Investitionskosten: Zu Beginn sei eine Schätzung von zehn Millionen Franken im Raum gestanden, er selbst sei damals schon von eher zwölf ausgegangen. Im Dezember vor einem Jahr habe das Planungsteam dann aber eine Rechnung vorgelegt, die rund 19 Millionen Franken betragen habe.
Trotz aller Sparbemühungen seien sie nicht auf einen Betrag heruntergekommen, mit dem sich das Bad rentabel hätte betreiben lassen. Einerseits hätte das sinnliche Erlebnisbad nur eine tiefe Besucher:innen-Frequenz zugelassen, um seinen Charme nicht zu verlieren. Andererseits hätten die Bauteuerung und hohe Auflagen das Projekt verteuert.
Der grösste Kostentreiber sei gewesen, dass die Kellerräume der Liegenschaft zweigeschossig hätten erweitert werden müssen. So nämlich, dass die ganze Wasseraufbereitung und die Lüftungsanlagen dort Platz gehabt hätten. Die frühere Badeanstalt sei praktisch ohne diese ausgekommen, sagt Bernet. «Da lief es oben rein und unten wieder raus». Heute seien die Auflagen viel höher, das Wasser müsse mehrmals neu verwendet oder «abgebadet» werden, wie es der Planer nennt.
Mit der historischen Liegenschaft und damit den Auflagen des Denkmalschutzes habe er gar keine Probleme gehabt. «Ich mache nur spezielle Projekte», sagt Bernet. Eines davon war das «Oktogon» in Bern. Der Industriebau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts beherbergte einst einen Gasspeicher. «Dort fielen mir die Denkmalschützer geradezu in die Arme», erzählt er. Für seinen Hammam am Ufer der Aare habe er ‒ wegen der beschriebenen Lichtscheue beim Baderitual ‒ keine Fenster benötigt. Das Gebäude konnte somit in den Originalzustand zurückversetzt werden. Ein anderes seiner Projekte liegt in Samedan im Oberengadin, mitten in einem geschützten Ortsbild von nationaler Bedeutung.
Ein letzter Finanzierungsversuch einer neuen «Badewannenmoschee» über Investoren und zusätzlich eine Stiftung sei Anfang dieses Jahres gescheitert. Vom Bund kam ein positiver Bescheid für die Steuerbefreiung der Stiftung, doch der Kanton lehnte ab. Bernet zog die Reissleine und verzichtete auf die Baueingabe.
Das Hallenbad mitten in der Altstadt wurde knapp 60 Jahre betrieben, bevor es 1923 endgültig dem zwölf Jahre zuvor eröffneten Geisi mit seinem 70 mal 30-Meter-Becken zum Opfer fiel. Die Badeanstalt mit Duschen und Marmorwannen bestand noch bis 1977, wie es im Winterthur Glossar heisst. Viele Altstadtbewohnende mussten dort baden gehen, weil noch lange nicht alle Häuser über eigene sanitäre Anlagen verfügten. Zuletzt wurden die Räumlichkeiten in Zwischennutzung als Büros von der Staatsanwaltschaft verwendet.
Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.
Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.