Neu in Winterthur: Wie deutsche Einwandernde die Stadt erleben
In Winterthur leben Stand Juni 2025 122'000 Menschen. Circa 5500 davon sind deutsche Einwohnende und bilden damit die grösste Zuwanderergruppe. Häufige Gründe für die Einwanderung sind eine hochqualifizierte Arbeitsstelle oder eine Aus- und Weiterbildung, beispielsweise an der ZHAW. Wie funktionieren die Integration und das Ankommen von Deutschen in Winterthur? Wie sehen deutsche Neuankömmlinge unsere Stadt? Darüber habe ich mit drei Deutschen gesprochen, die alle neu in Winti sind.
Celine und Chris haben vor dem Umzug nach Winterthur in Bremen gelebt, eine Stadt im Norden Deutschlands. «Es ist schön, dass man in Winterthur am Abend nicht Angst haben muss, wenn man allein nach Hause geht. Das war in Bremen anders, da wir am Bahnhof gewohnt haben und es da eine offene Drogenszene gab», erzählen mir die beiden, als ich sie frage, was ihnen an Winterthur gefällt. Das sei aber nicht ausschlaggebend gewesen für den Umzug. Das junge Paar hat schon lange über einen Umzug in die Schweiz nachgedacht: «Ich habe hier Verwandte und es war schon jahrelang ein Thema, dass ich in der Schweiz ein Doktorat machen könnte, weil es halt einfach besser bezahlt ist», erzählt Chris. Ein Doktorat macht er zwar jetzt nicht, er arbeitet in einem Ingenieurbüro. Für Winterthur haben sie sich aus einem guten Bauchgefühl heraus entschieden: «Wir sind am Bahnhof angekommen und haben erst mal Mittag gegessen. Allein schon das Bahnhofsgebäude war schön und wir haben uns sofort wohlgefühlt», erinnert sich Celine, die für ihren Master verschiedene Städte in der Schweiz angeschaut und sich dann für die ZHAW entschieden hat.
Christoph Kreiss ist angehender Psychotherapeut und seit acht Monaten in Winterthur. Auch er ist begeistert von Winti: «Für eine Bewerbung kam ich auch nach Winterthur. Zwar wurde das dann nichts, aber in Winterthur hat es mir sofort gefallen: die schöne Architektur, die kohärente Altstadt und einfach das Feeling», erzählt er begeistert. Neu ankommen, das braucht Zeit, dass weiss er schon von Aufenthalten in Österreich und Italien. Aber nach sechs Monaten hier, habe er sich bereits mit allem wohlgefühlt: «Am Anfang war es schon ein bisschen schwer. In der Mensa gingen alle Schweizer zusammen essen und ich war zwar da, aber nicht richtig dabei», erzählt er. Er habe sehr schnell gelernt Schweizerdeutsch zu verstehen, da er in einer WG nur mit Schweizern gelebt hat. Und er habe auch verstanden, dass es viele feine kulturelle Unterschiede gibt: «Ich gebe mir Mühe, mich an die Kultur hier anzupassen. Die IPW in Wülflingen hat mir nach einem Bewerbungsgespräch gesagt, ich sei zu selbstbewusst aufgetreten. Heute sehe ich das ein, denn in der Schweiz gibt es weniger Ellenbogenkultur als in Deutschland.»
«In Winterthur hat es mir sofort gefallen: die schöne Architektur, die kohärente Altstadt und einfach das Feeling»
Christoph Kreiss, angehender Psychotherapeut
Für Celine und Chris war der Start hier am schwierigsten: «Eine Wohnung zu finden, war eine der grössten Herausforderungen. Wir haben extra ein Airbnb gemietet und eine Woche lang Wohnungen angeschaut», erzählt Celine. Gebracht habe das nichts, am Schluss konnten sie eine sehr kleine Studierendenwohnung als Übergangslösung beziehen. Nun sind sie eben erst umgezogen und leben im Quartier Tössfeld. Ganz angekommen seien sie aber noch nicht, meint Chris. Er fühle sich noch immer eher als Gast in Winterthur und sagt: «Ich denke noch viel darüber nach, wie ich mich verhalten soll». Auch Celine beobachtet im Alltag immer wieder Rituale, die sie noch nicht kannte: «Es sind kleine Dinge, die in Deutschland anders sind und ich versuche mich dem anzupassen. Zum Beispiel lässt man hier den Leuten oft den Vortritt, wenn zwei gleichzeitig durch eine Türe wollen.»
Celine und Chris finden, dass es nicht einfach sei, im Alltag Schweizer:innen kennenzulernen. Celine erzählt, dass sie ohne es zu wollen «an der ZHAW zu Beginn in eine deutsche Gruppe gerutscht» sei. «Viele von hier zeigen nach den Vorlesungen wenig Interesse, noch was zusammen zu machen. Das finde ich schade, weil alle mega nett sind», sagt sie. Aber es brauche sicher auch Zeit, meint sie. In der Zwischenzeit erkunden die beiden Winterthur und Umgebung, gerade beim Affenfelsen waren sie viel oder auf den Hügeln rund um die Stadt. Aber: «Mit Leuten von hier mehr was zu machen, wäre schön».
Christoph kam mit eher negativen Erwartungen in die Schweiz, zieht in Winterthur aber ein durchweg positives Fazit: «Die Behörden behandeln einen wie Kunden, alles ist super organisiert, die Stimmung ist viel entspannter als in Deutschland, Fairness wird grossgeschrieben und solange du dich an die Regeln hältst, bist du in der Schweiz willkommen.» Er sieht sich zurzeit auch in Zukunft in Winterthur. Auch Celine und Chris sehen das so und hoffen, dass sich bald mehr Kontakte zu Einheimischen ergeben. Winterthur solle auf jeden Fall so bleiben wie die Stadt ist, denn: «Die Lebensqualität und die Unbeschwertheit hier finden wir super!».
Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.