Sie gibt dem Jodeln ein frisches Gesicht

Jenseits von Klischeebildern mit Trachten und Alphorn zeigt die Musikerin Laura Moser, dass Jodeln auch anders geht – alternativ, queer, modern. Sie bricht mit den traditionellen Bildern und lebt die Vielfalt des neuernannten Weltkulturerbes.

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Laura Moser aus dem Kanton Schwyz fühlt sich unterdessen in der Altstadt zu Hause. (Bild: Jakob Hediger) (Bild: Jakob Hediger)

Wer an Jodeln denkt, hat instinktiv vielleicht ein verstaubtes, überholtes Bild im Kopf. Denkt möglicherweise an ein urchiges Volksfest auf dem Land, an Edelweiss-Hemmli und Trachten. Oder an bayrische Lederhosen. So wie einst eine Gruppe Engländer, der Laura Moser in Interlaken einen Jodelkurs gab – und die sich offensichtlich in der Tradition geirrt hatte.

Moser erzählt diese Geschichte augenzwinkernd. Denn für sie zeigt sich der Jodel als vielfältige Kunstform mit unterschiedlichen Gesichtern. Er könne im Chor stattfinden, an einem Jodel- oder Trachtenfest, sagt die 28-Jährige. «Aber Jodeln darf auch in einem Jazzclub Platz haben, als Klangspaziergang durch die Stadt oder zwischen Mensch und Tier auf der Alp, ganz isoliert.»

«Wie krass ist das denn?»

Laura Moser ist Musikerin, Sängerin, Pädagogin – und sie jodelt. Entdeckt hat sie den traditionellen Gesang vor rund zehn Jahren. «Aus Neugier», wie sie sagt. Moser hatte einen Kurs bei Jodel-Professorin Nadja Räss zur Schweizer Volksmusik belegt, wo sie mit den Klangfarben des Jodelns in Berührung kam.

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Volksmusik, aber modern – An der Zither, einem Saiteninstrument aus den Alpen, experimentiert Laura Moser mit elektrischen Bogen. (Bild: Jakob Hediger)

Später lieh ihr ein Kollege eine CD mit einer Aufnahme von Muotataler Naturjüüz, die sich durch ihre textlosen Melodien auszeichnen. Obwohl sie ganz in der Nähe des «Muotitals» aufgewachsen ist, hat sie zuvor noch nie von dieser Form des Naturjodels gehört. «Da dachte ich, wie krass ist das denn? Warum kennen das nicht mehr Leute?» 

Heute nimmt die Volksmusik sowohl in Mosers Kopf als auch in ihrer Winterthurer Altstadtwohnung viel Raum ein: Klavier, Gitarren, Ukulelen, Trommeln, Unmengen von Notenheften und natürlich  «Grösis Zither» finden sich im Musikzimmer. Nach ihrer Ausbildung zur Lehrerin studierte sie Rhythmik an der Zürcher Hochschule der Künste und liess ihr Interesse «organisch wachsen».  Neben ihrem Job als Handarbeitslehrerin gibt sie wöchentlich Gruppenkurse im Jodeln und bietet private Gesangsstunden an. 

Insbesondere der Gemeinschaftsgedanke hinter dem Jodeln motiviert Moser. Vor dem Kachelofen in ihrem Wohnzimmer erzählt sie von ihrer Zeit in einem internationalen Pfadizentrum, wo sie Traditionen aus aller Welt begegnete – und dabei feststellte, wie präsent die Musik in anderen Kulturen ist. «An jeder Hochzeit wird getanzt und gesungen.» Davon hätte die in der Schweiz gerne mehr: «Ich wünsche mir, dass Musik und Singen wieder selbstverständlicher werden.» 

Jodeln als Kulturerbe 

Dieses Ziel verfolgt auch das Bundesamt für Kultur (BAK) mit einer erfolgreichen Bewerbung bei  der Unesco: Im Dezember nahm die Organisation den Gesang in die repräsentative Liste des  immateriellen Weltkulturerbes auf. In ihrer Entscheidung hob die Unesco «die Qualität des  eingereichten Dossiers und den soliden partizipativen Prozess» hervor, wie das BAK im Nachgang mitteilte.

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Alleine vor dem Spiegel oder im Chor – Jodeln kennt viele Gesichter. (Bild: Jakob Hediger) (Bild: Jakob Hediger)

Abschreckende Klischees 

Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat sich Moser intensiv mit dem kulturellen Erbe des Jodelns auseinandergesetzt. In ihrem Dokumentarfilm «Was, du jodlisch?» geht sie der Frage nach, welchen Stellenwert Jodeln in unserer Gesellschaft hat. Die Antwort? Ist vielschichtig. 

Dass Jodeln auch mit abschreckenden Klischees wie Nationalismus oder Identität behaftet sein kann, weiss Moser gut. Sie war beispielsweise Mitglied des Projekts «queerchor schweiz». Ein Chor, der sich ebenso mit klassischer Musik beschäftigt, wie auch mit Pop- oder Volksmusik und das Ganze verknüpft mit queeren Ausdrucksformen wie Drag oder Poetry. 

Einige Personen aus dem «queerchor» waren zunächst nicht sehr angetan von der Idee, zu jodeln, erzählt Moser. Doch nachdem sie ein Stück erarbeitet hatten, legte sich die Skepsis. «Ich hörte eigentlich durch das Band, dass Jodeln einfach mega berührend und schön ist.» Selbst Menschen, die vorher keinerlei Berührungspunkte zur Volksmusik hatten, hätten zugegeben, «dass Jodeln irgendwie Sehnsucht oder Heimatgefühle auslöst». 

Wortloser Gesang 

Früher habe sie das klischeehafte Bild ihres Berufs mehr gestört. Heute sei sie «abgehärtet» und könne über Geschichten wie jene der Engländer in den Lederhosen lachen. Sie traue es den Leuten zu, dass sie die unterschiedlichen Gesichter des Jodelns selbst entdecken können. 

Eines dieser Gesichter, das Moser fasziniert, ist der wortlose Gesang: Die Möglichkeit, dass Klang ein Träger von Information und Stimmung zugleich sein kann und, wie sie es nennt, eine Universalsprache ist. «Wer eine Stimme hat, ist mit dabei.»

JakobHediger

Jakob Hediger studierte Kommunikation und Journalismus an der ZHAW. In Zürich zu Hause, hat Winterthur durch das Studium, die Musikfestwochen und die Schützenwiese einen speziellen Platz in seinem Herzen.

Miriam

Miriam Abt hat in Winterthur Kommunikation und Journalismus studiert. Sie arbeitet als Redaktorin bei der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in Bern und schreibt nebenbei als Freie über Lokalknatsch.

Porträt_SchaadSabeth

Sabeth Schaad hat in Winterthur Kommunikation und Journalismus studiert. Sie schreibt über kulturpolitische Themen oder für Poetry Slams und arbeitet als Buchungsexpertin für das Zürcher Startup SimpleTrain.

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