«Winti braucht einen See»

Das steht auf einem Post-It in unserem Büro. Unsere Autorin begab sich mit Wünschelrute auf die Suche nach den «Seen» in Winterthur – die verhinderten, die vergessenen und die noch möglichen.

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Euer Wunsch ist uns Befehl. Ich begebe mich auf die Spuren von «Seen» in Winterthur.

Gewässer sind in Winterthur schon fast ein Dauerbrenner, wie beispielsweise die Umfrage der Stadt im Rahmen der Feierlichkeiten zu 100 Jahre Eingemeindung 2022 wieder zeigte. Der fehlende See oder Fluss wird mit Abstand am meisten genannt bei der Frage, was in Winterthur noch fehle.

Die Jüngeren unter uns dürfte es erstaunen: In Winterthur hat das Stimmvolk tatsächlich schon einmal den Bau eines Sees verworfen. Im Jahre 1999 lehnten drei Viertel der Winterthurer:innen die Waldeggsee-Initiative ab, die zwischen Mattenbach, Waldeggstrasse und Waldeggweg einen Badesee realisieren wollte. Federführend damals war der Künstler Erwin Schatzmann, heute bekannt durch viele seiner künstlerisch gestalteten «Bänkli» wie auf dem Chileplatz. Damals wollte er der Stadt Winterthur den See bringen, wurde aber im gehässigen Abstimmungskampf als «See-Tubel» beschimpft. Denn obwohl die Idee auf viel Freude in der Bevölkerung stiess, solidarisierten sich auch Leute mit dem Bauern, der Land dafür hätte abgeben müssen. Politisch unterstützte nur die SP den See, alle anderen Parteien und die Stadtregierung waren der Meinung, das Projekt sei unnötig und viel zu teuer.

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(Bild: Erwin Schatzmann, bildarchiv.winterthur.ch)

Erwin Schatzmann hat nach der Abstimmung seinen Traum vom See nicht ganz aufgegeben und 2011 neue Standorte für künstliche Badeseen vorgestellt. Die Idee für einen Badesee in Oberseen hat bis heute überlebt und ist vom Baubiologen Bosco Büeler aufgenommen worden. Damit hätte Seen endlich auch den im Namen implizierten See bekommen. Auch wenn der Ortsname historisch nichts mit einem See zu tun hat, sondern von «Sehen» kommt. Bosco Büeler ist überzeugt, dass ohne viel Kosten ein 300 Meter langer und 250 Meter breiter Badesee an diesem Standort möglich wäre.

«Es soll kein Weiher sein. Mir schwebt ein Natur-Schwimmsee vor, nach Vorbild des Bichelsees.»

Bosco Büeler, Architekt und Baubiologe aus Winterthur

Büeler erzählt, dass er bereits im Militär mit seiner Truppe zahlreiche Biotope verwirklichen durfte. Ein möglichst natürlicher Badesee sei zwischen der Bahnlinie nach Bauma und dem Schulhaus Oberseen gut machbar, denn: Infrastruktur wie Garderoben könne man von der Schule nutzen, der Standort sei gut mit dem ÖV erschlossen und allenfalls müsse der See nicht einmal abgedichtet werden. Denn bevor die Eisenbahnlinie gebaut wurde, habe es auf dem Gebiet schon einmal einen natürlichen See gegeben.

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    Seen und Oberseen mit einem See ca. 1850. (Bild: Wild-Karte des Kanton ZH)

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    Ein Satellitenbild des Feldes, wo der See hinkommen könnte. (Bild: Map Geo Admin)

Doch wieso will Büeler überhaupt einen See verwirklichen? Zumal er mir sagt, dass Wasser eigentlich nicht so sein Element sei.

«Winterthur hat zu wenig natürliche Wasserflächen. Diverse Seen oder Weiher, die es einmal gab, sind der Nutzung durch den Menschen gewichen.»

Bosco Büeler

Zudem denke er an Leute, die wegen des Chlors nicht in die Badi gehen können. Weil er noch als Dozent arbeite, sei leider nicht viel passiert seit den ersten Entwürfen für den See im Jahr 2023. Aber das Projekt verfolge er noch immer. «Bis jetzt habe ich aus der Bevölkerung nur positive Rückmeldungen gehabt». Laut Website des Projekts wäre auch eine Petition oder eine Volksinitiative im Rahmen des Möglichen.

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Eine erste Planskizze für den Badesee.

Widerstände gibt es aber auch bei diesem neuen Seeprojekt genug. In der Winterthurer Zeitung haben sich auch die Stadt und der Bauer, dem das Land gehört, zur Idee geäussert. Bei der Stadt versteht man den Wunsch nach einem See, fürchtet aber wie beim ersten Mal die hohen Kosten. Und auch der Eigentümer des Landes, der es landwirtschaftlich nutzt, kann der Idee wenig abgewinnen.

Ist die Idee des Badesees in Oberseen damit schon gestorben? Bosco Büeler lässt sich davon nicht entmutigen.

«Ich werde das Projekt See weiterverfolgen und das Gespräch suchen. Wer weiss, wie die Zukunft aussieht.»

Bosco Büeler

Ganz ins Wasser gefallen ist die Idee eines Sees in Winterthur also noch nicht. Ein Bedürfnis nach dem See scheint es nach wie vor zu geben. Und Träume und Utopien gibt es auch 25 Jahre nach der Waldeggsee-Initiative noch.

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Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.

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