Winterthurer Radball-Duo greift beim Weltcup an
Mitten in der Sporthalle, auf engstem Raum, zählt jeder Millimeter: Beim Radball geht es um mehr als nur Ballgefühl – gefragt sind Präzision, Balance und blitzschnelle Reaktionen. Zwei Spieler des RC Winterthur zeigen, wie dieser besondere Sport funktioniert.
Die Halle riecht nach warmem Gummi. Tim und Roman schieben ihre Spezialräder auf das Spielfeld, ein kurzes Nicken – dann zischen die Reifen übers Parkett. Das Vorderrad greift den Ball, dreht ihn mit einer eleganten Hebelbewegung zurück ins Spiel. Beim Radball wird das Rad zum Schläger. Und am 1. November verwandelt sich die Sporthalle Rietacker in Seuzach in das Zentrum des internationalen Radball-Geschehens.
Für den Radball-Weltcup haben sich die punktbesten Teams der Nationalliga A qualifiziert. Neben der Schweiz treten vier weitere Länder gegeneinander an. Mit dabei: Roman Baumann und Tim Russenberger vom veranstaltenden RC Winterthur. Seit fast 20 Jahren stehen sie für ihren Verein, der mittlerweile rund 110 Mitglieder hat, auf dem Velo. Und dennoch müssen sie immer wieder erklären, was es mit ihrem Sport überhaupt auf sich hat.
«Radball? Ist das nicht irgendwie Fussball mit dem Velo?» Ein verständlicher Irrtum, aber weit gefehlt. Was nüchtern klingt, ist in der Praxis ein rasantes Spiel aus Balance, Timing und Millimeterarbeit.
«Das Besondere an diesem Sport ist, dass er kaum bekannt ist.»
Roman Baumann, Radball-Spieler beim RC Winterthur
Insgesamt vier Spieler:innen duellieren sich auf einem 11 mal 14 Meter grossen Feld mit zwei Toren. Die Sportler:innen bewegen sich auf Spezialrädern ohne Freilauf – das heisst: Wer fährt, muss treten, ob vorwärts oder rückwärts. Der Ball, etwa handballgross und aus festem Material, darf ausschliesslich mit dem Rad oder dem Körper gespielt werden, nicht aber mit Händen oder Füssen. Ziel ist es, den Ball mit dem Vorderrad gezielt ins gegnerische Tor zu befördern. Eine Partie dauert zwei Halbzeiten à sieben Minuten, doch das Tempo, mit dem sich die Spielsituationen entwickeln, lässt kaum Raum zum Verschnaufen.
Und auch international kommt Bewegung ins Spiel – langsam, aber spürbar. 2023 wurde bei der Hallenradsport-WM erstmals ein offizieller Frauen-Wettbewerb ausgetragen. Eine, die diesen Wandel mitträgt, ist Chiara Dotoli. Die junge Winterthurerin spielt ebenfalls beim RC Winterthur und hat mit ihrer Team-Kollegin im letzten Jahr den zweiten Platz an der WM in Bremen geholt. Mit Blick auf die Zukunft der Disziplin erhoffen sich Tim und Roman ebenfalls mehr Aufmerksamkeit: «Man muss den Sport übergeordnet weiterentwickeln und ihn auch entsprechend vermarkten», sagt Tim.
Beim Radball spielt die Gemeinschaft eine wichtige Rolle: «Gerade weil der Sport weniger kommerziell ist, kennt man sich untereinander – es ist fast schon familiär», betont Roman. Bei Turnieren treffe man immer wieder dieselben Gesichter. Mit anderen Vereinen, etwa dem RMV Pfungen, wird sogar gemeinsam trainiert – das schweisst zusammen. Beim anstehenden Weltcup wollen die beiden Winterthurer nicht nur mitspielen, sie wollen sich als Gastgeber herausstechen. Doch nicht nur der Sieg ist für die beiden Athleten zentral: «Wir wollen einfach ein gutes Radball-Spiel zeigen und dem Verein etwas zurückgeben. Und vielleicht können wir sogar den ein oder anderen Nachwuchsspieler für uns begeistern.»
Marit verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitet als Redaktorin im SRF Newsroom und war unter anderem bei der NZZ. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.