Wie viel Zukunft steckt in Winterthurs Altstadt?
Zugeklebte Schaufenster und hohe Mieten: Laut einer Analyse stehen rund fünf Prozent aller Lokale in der Winterthurer Innenstadt leer. Der zunehmende Leerraum wirft viele Fragen auf.
Wo früher Schaufenster zum Stöbern einluden, prägen heute blickdichte Folien und verlassene Verkaufsflächen das Bild. Der Einkaufsbummel durch die Winterthurer Innenstadt wirkt zunehmend farblos – zwischen Stillstand und leiser Hoffnung auf Neues. Die Altstadt verliert nach und nach ihre Gesichter. Nun bestätigt eine Analyse der Immobilienberatungsfirma CBRE diesen Eindruck: Immer mehr Geschäfte stehen seit Anfang 2025 leer. Am Untertor stehen rund 5,6 Prozent aller Ladenlokale leer, in der Marktgasse sind es 4,8 Prozent. Das gibt eine durchschnittliche Leerstandsquote von 5,1 Prozent. Im Vergleich mit anderen Schweizer Städten liegt Winterthur beim Anteil leerer Ladenlokale weit vorn. Nur St. Gallen verzeichnet mit 5,7 Prozent einen noch höheren Leerstand.
In den letzten Monaten haben mehrere Geschäfte in der Winterthurer Altstadt geschlossen – darunter auch Butlers und das Traditionshaus Ecla. Laut Muriel Sager von der Untertor-Vereinigung standen zuletzt vier Ladenflächen leer. Drei davon seien inzwischen wieder vermietet. «Es ist schön zu sehen, dass die Flächen wieder belebt werden», sagt Sager. Gleichzeitig arbeite die Gassenorganisation an Ideen, um weitere Leerstände zu füllen. Neben Pop-up-Stores sollen auch langfristige Projekte geprüft werden.
«Die Altstadt Winterthur besteht aus mehreren Gassen. Und es gibt viele Läden, die sich seit Jahren halten.»
Bea Linder, Geschäftsführerin City-Vereinigung Junge Altstadt
Die City-Vereinigung Junge Altstadt beobachtet die Entwicklungen rund um den Leerstand bereits seit Längerem. Geschäftsführerin Bea Linder weist jedoch darauf hin, dass sich die aktuelle Studie nur auf einen Teilbereich bezieht – konkret auf das Untertor und die Marktgasse. «Die Altstadt Winterthur besteht aus mehreren Gassen. Und es gibt viele Läden, die sich seit Jahren halten», sagt sie.
Auch Nina Cavigelli vom Amt für Stadtentwicklung betont, dass der Leerstand nicht flächendeckend sei, sondern stark von der jeweiligen Lage abhänge. Die Stadt stehe in engem Austausch mit der City-Vereinigung, um mögliche Lösungen zu erarbeiten. Dabei setze man auf flexible Nutzungskonzepte wie Pop-up-Stores oder Ladenlokale, die als Abholstationen für Online-Bestellungen dienen können.
Cavigelli ist überzeugt: «Die Winterthurer Altstadt wird auch in Zukunft ein attraktiver Ort sein. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sie sich zukünftig verstärkt in Richtung Begegnungs-, Kultur-, und Eventort entwickeln könnte.»
Die Firma CBRE hat zudem die Mietpreise untersucht. So ist laut ihrem Bericht das Untertor mit bis zu 183 Franken pro Quadratmeter im Monat am teuersten. An der Marktgasse liegen die Höchstpreise bei 125 Franken pro Quadratmeter. Doch auch in anderen Schweizer Städten kämpfen mit den Mietpreisen. An der Freien Strasse in Basel kostet die Miete zum Vergleich pro Quadratmeter und Monat 242 Franken.
Bea Linder betont jedoch, dass nicht allein die hohen Mieten für den Leerstand verantwortlich seien. Auch der Online-Handel und die Erwartungen der Mieter:innen spielten eine Rolle. «Es braucht heute mehr Mut, etwas Neues auszuprobieren. Man muss sich genau überlegen, wie man die Kundschaft erreicht», sagt sie. Dennoch erhält die Vereinigung weiterhin zahlreiche Anfragen von Unternehmen, die Interesse an einem Standort in der Innenstadt haben.
Um bestehende Leerstände besser zu nutzen, braucht es laut Linder einen City-Manager. Ein Pilotprojekt in Luzern habe bereits gezeigt, dass mit einer solchen Stelle neue Nutzungskonzepte entwickelt und gezielt umgesetzt werden könnten. Die Idee liege bereits auf dem Tisch – nun sei es an der Stadt, sie aufzugreifen und in Bewegung zu bringen.
Marit verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitete unter anderem bei der NZZ und im SRF-Newsroom. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.