«Μηδὲν ἄγαν» – Wie viel Altgriechisch braucht es noch an Zürcher Gymis?
«Μηδὲν ἄγαν», oder «Meden agan» – diese altgriechische Phrase dürften nur die Wenigsten verstehen. Übersetzt heisst sie «Alles mit Mass» – das scheinen sich auch die Schüler:innen der Kantonsschule Rychenberg zu sagen. Das Fach ist chronisch unterbesucht.
Die 2029 anstehende Reform der Kantonsschulen wird für die Gymnasien in Winterthur einige Veränderungen bringen. Das Büelrain fürchtet das Verschwinden des Schwerpunktfachs Wirtschaft und Recht, das für die Schule zentral ist (WNTI berichtete). Das Rychenberg wird neu auch ein Kurzzeitgymnasium anbieten müssen. Begeisterung darüber war dem Rektor Christian Sommer in einem Interview mit dem Tagesanzeiger nicht anzumerken. Das Rychenberg gelte bei einigen als «Elite-Gymi». Und auch wenn «nicht alle zukünftige Nobelpreisträgerinnen und -träger sind» – hier seien die besten unter sich. Wie sehr diese vermeintliche Elite teils unter sich ist, zeigt ein Blick in die altphilologischen Klassenzimmer.
Laut des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons belegen knapp ein Prozent der Schüler:innen das Fach Altgriechisch. Die Kantonsschule Rychenberg ist das einzige Gymnasium in Winterthur, das dieses Fach anbietet. Und auch hier scheint das Interesse an der Altphilologie gering zu sein. Wie viele Schüler:innen pro Jahrgang das Fach belegen, kann Rektor Christian Sommer auf Anfrage nicht nennen. Laut Schüler:innen, aktiven wie ehemaligen, ist das Fach aber chronisch schlecht besucht.
Yann absolvierte 2022 die Maturität mit Schwerpunkt Englisch und Altgriechisch. «Wir waren gerade mal zu zweit in der Klasse.» Das sei auch nicht ungewöhnlich gewesen. In anderen Jahrgängen hätten jeweils zwischen zwei und vier Schüler:innen das Fach belegt. Lena, die zurzeit in der sechsten Klasse am Rychenberg ist, bestätigt das. Ihr Jahrgang schlage mit ganzen neun Leuten im Altgriechisch zwar gegen oben aus, in den jüngeren Jahrgängen sind es aber wieder nur wenige.
«Wir waren gerade mal zu zweit in der Klasse.»
Yann, Maturand am Rychenberg im altsprachlichen Profil mit Griechisch
Zu wenige eigentlich. Denn laut Rektor Christian Sommer müssten in der Regel mindestens sechs Schüler:innen ein Fach belegen, dass es durchgeführt wird. Wieso wird altgriechisch dennoch Jahr für Jahr angeboten? «Als Sprach-Gymi versuchen wir natürlich Lösungen zu finden», sagt Sommer. Es sei auch eine Frage der Finanzen. Zwar unterrichten die drei Lehrpersonen der altgriechischen Fachschaft zusätzlich noch Latein – bei einem Startlohn von knapp 120’000 pro Jahr für eine Kantonsschullehrperson, dürfte trotzdem ein paar Franken für die Altphilolog:innen anfallen. Obwohl das Interesse am Fach gering ist, möchte es sich das Rychenberg leisten. «Wir haben grosse finanzielle Möglichkeiten», sagt Sommer. «Da lassen sich Sonderarrangements finden.» Mit der Reform der Kantonsschulen könnte sich die Situation aber ändern.
Da die Zahlen im ganzen Kanton so tief sind, sei klar, dass Altgriechisch nicht an jedem Gymnasium angeboten werden muss. Laut Sommer gibt es Überlegungen, das Fach in Zukunft nur noch an einer oder Schulen anzubieten und die Schüler:innen zusammenzuziehen. «Natürlich hätten wir Interesse, eine dieser Schulen zu sein», sagt Sommer. «Falls dieser Vorschlag Gefallen findet.» Unabhängig davon müsste Lehrpersonen der altgriechischen Fachschaft am Rychenberg aber nicht um ihre Anstellungen fürchten. Auch wenn es im Kanton in Zukunft knapp werden könnte mit den Pensen. Da die Reform aber erst 2029 in Kraft tritt, sei genug Zeit vorhanden, um entsprechend zu disponieren, sagt Sommer. Lehrpersonen könnten auf andere Schulen verschoben werden – andere würden bis dann pensioniert sein. «Schlussendlich hängt die Zukunft dieses Fachs aber von der Wahl der Schüler ab.»
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.