Sparen – aber niemand will sagen wie

Stadtrat und Parlament streiten sich weiterhin ums Budget. Daran wird auch der jetzt gefällte Entscheid des Bezirksrats nichts ändern.

Das Winterthurer Stadtparlament steht vor einem Problem, und das Jahr für Jahr. Es muss nämlich sagen, wo es sparen oder mehr ausgeben will. Und das möglichst genau. Normalerweise läuft das so: Die vier Sachkommissionen Bildung, Sport und Kultur, Soziales und Sicherheit, Stadtbau und Umwelt und Betriebe kommen zusammen und besprechen ‒ jeweils für ihre Departemente ‒ wo sie kürzen oder mehr Geld sprechen wollen. Gebündelt sind die Posten in sogenannte «Produktegruppen», also Leistungen, welche die Stadt erbringt. Ein Beispiel: Aus der Sachkommission Stadtbau (SBK) kam dieses Jahr beispielsweise der Antrag, bei den Sachkosten in der Produktgruppe Städtebau 100’000 Franken zu streichen. Nach einer ausführlichen Diskussion im Parlament (nachzulesen hier) wurde der Antrag mit 33 zu 24 Stimmen bewilligt. Das Amt muss 2025 also mit 100’000 Franken weniger auskommen.

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373 Seiten zählte alleine der «Teil B» des Budgets, der die verschiedenen Produktgruppen der Departemente abbildet. (Bild: WNTI)

Solche Anträge gab es letzten Dezember viele ‒ mit einigen wurden Ausgaben erhöht, mit anderen welche zusammengestrichen. Einer sorgte aber für besonderes Aufsehen. Er kam nicht aus einer der Sach-, sondern aus der Aufsichtskommission, die die «Oberaufsicht» über den Finanzhaushalt ausübt. Sie empfahl dem Stadtrat mit einer 6-zu-5-Mehrheit, in einem Sammelkonto, den «städtischen Allgemeinkosten», rund sieben Millionen Franken einzusparen. Kein grosser Betrag, sieben Millionen sind nicht einmal 0,5 Prozent des städtischen Haushalts. Doch: Bis auf einige Empfehlungen fehlten konkretere Angaben, wo dieses Geld eingespart werden solle.

Für Christian Hartmann (SVP), den Präsidenten der Aufsichtskommission, ist der Auftrag vor allem eine Kritik am jetzigen Ablauf. Der Budgetprozess, wie man ihn jetzt mache, sei «Schrott». Er ist nicht der Erste, der diese Kritik vorbringt. Seit Jahren kritisieren Parlamentarier:innen, die Informationen seien für Milizpolitiker:innen undurchsichtig, zu detailliert oder falsch aufgestellt. Andere stören sich an der knappen Anzahl Sitzungen, die für die Vorberatung zur Verfügung stehen. Grosse Steuerungsmassnahmen würden so verunmöglicht. Eine Mehrheit aus SVP, FDP, Mitte, EDU, GLP und EVP beschloss die «pauschale» Einsparung.

Der Stadtrat hält diese Kürzung für unzulässig

Kaspar Bopp (SP), Finanzvorsteher

Die linke Ratsseite reagierte brüskiert. Regula Keller (SP), die ebenfalls in der Aufsichtskommission sitzt, nannte den Sparauftrag «ein Zeichen für fehlende politische Verantwortungsbereitschaft». Olivia Staub (SP) sprach von einem Affront gegenüber den Mitgliedern der Sachkommissionen. Diese sorgfältige und aufwendige Arbeit werde von der Aufsichtskommission schlicht übersteuert. 

«Der Stadtrat hält diese Kürzung so für unzulässig», entgegnete Finanzvorstand Kaspar Bopp in der Ratsdebatte. Die Exekutive legte noch im Dezember Aufsichtsbeschwerde beim Bezirksrat ‒ dem «langen Arm des Kantons» ‒ ein. 

Am Mittwoch liess dieser nun verlauten, dass er die pauschale Kürzung weder aufheben werde noch eine Unzulässigkeit feststellte. In einer Medienmitteilung sagte er aber auch, dass das Vorgehen des Parlaments «zumindest tendenziell» gegen den im Gemeindegesetz verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung verstosse. Zu Deutsch: Wo gespart werden muss, sagt das Parlament. Der Stadtrat setzt lediglich um.

Kaspar Bopp freut sich auf die Nominationsversammlung. Christa Meier (rechts) sagte, sie sei motiviert und habe grosse Lust, an ihren Projekten dranzubleiben. (Bild: Maria Wyler)
SP-Finanzvorsteher Kaspar Bopp (im Bild) und der Stadtrat schliessen aus dem Entscheid des Bezirksrats, «dass eine pauschale Budgetkürzung unzulässig ist und dadurch keine Wirkung entfaltet».

Sogleich flatterten zwei Erfolgsmeldungen ins Redaktionspostfach: Die Allianz aus Mitte und Bürgerlichen liess verlauten, nun sei der Beschluss rechtskräftig und der Stadtrat müsse ihn definitiv umsetzen. Dieser hingegen hob in einer eigenen Mitteilung hervor, dass der Bezirksrat den Beschluss für problematisch hält. «Für den Stadtrat ist damit klar, dass eine pauschale Budgetkürzung unzulässig ist und dadurch keine Wirkung entfaltet.»

Kaspar Bopp ist nicht der erste SP-Finanzvorsteher, der sich mit dieser Problematik herumschlagen muss. 2013 war Yvonne Beutler wegen einer beantragten, aber vom Parlament abgelehnten Steuererhöhung mit einem Sparauftrag von insgesamt rund 13 Millionen Franken konfrontiert gewesen. Dieser wurde unter anderem mit einer Kürzung von 0,63 Prozent in fast allen Verwaltungseinheiten umgesetzt. Eine solche Lösung verlangte das Parlament dieses Mal nicht. Denn diese «Rasenmäher-Methode» treffe garantiert die Falschen, argumentierte Christian Hartmann.

Nun steht der Stadtrat also vor Aufträgen des Parlaments, die sich teilweise sogar widersprechen. So wurde ein Sparantrag bei einer Stelle der Stadtpolizei zum Beispiel abgelehnt. Ist es dem Stadtrat also verboten, dort zu sparen? Oder könnte er theoretisch trotzdem genau da kürzen, um die sieben Millionen zusammenzukriegen? «Das ist das Dilemma der ganzen Geschichte», sagt Kaspar Bopp am Telefon.

«Weder das, was bisher gemacht wurde, noch das, was wir jetzt gemacht haben, ist für die Zukunft nicht ideal», sagt Christian Hartmann. Der Budgetprozess müsse wegkommen von der starren Fixierung auf die Produktegruppen. Kaspar Bopp hält die heutigen Steuerungsinstrumente zwar für wirksam. «Ich erkenne aber an, dass es im Parlament eine Unzufriedenheit gibt. Darüber werden wir noch sprechen.»

WNTI-Portrait-Tizian-Schoeni

Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.

Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.

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