Die Frauenfelderstrasse bleibt holprig

Gestern hat das Stadtparlament den Kredit für den Ausbau der Strasse mit 29 zu 23 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Es ist das vorläufige Ende eines Projekts, dessen Weg steiniger war als die Hauptverkehrsachse durch Oberi selbst.

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Links: Neue Bäume, neuer Belag, Mittelinsel. So hätte die Frauenfelderstrasse 2028 aussehen können. Rechts: Die Strasse heute. (Bild: DesignRaum GmbH / Stadt Winterthur)

Denn die Abstimmung über die 5,7 Millionen Franken, die gestern im Parlament an einer Mehrheit aus SVP, FDP, Mitte, EDU und GLP scheiterte, hatte sich das Parlament vom Stadtrat richtiggehend erkämpfen müssen. Dieser hatte den Löwenanteil der Gesamtkosten ‒ beim Projektstart 2022 rund 11,4 Millionen Franken ‒ als gebunden erklärt. «Gebunden» sind Ausgaben dann, wenn sie getätigt werden müssen, weil sie dringlich oder vertraglich vereinbart sind oder wenn es sich um «notwendigen» Unterhalt handelt. Typisch dafür ist zum Beispiel die Reparatur eines Wasserrohrbruchs.

Die Frauenfelderstrasse sollte nicht einfach nur geöffnet, die darunter liegenden Leitungen erneuert und anschliessend mit einem frischen Belag zugedeckt werden. Die Stadt wollte auch eine umfassende Neugestaltung, mit einem «Totalersatz der Alleebäume» oder einer anderen Aufteilung der Fahrspuren zugunsten des Velo- und Fussgängerverkehrs. Deshalb wehrten sich 36 Stimmberechtigte, darunter 19 Mitglieder des Stadtparlaments, mit einer Stimmrechtsbeschwerde. In zweiter Instanz erhielten sie vor dem Zürcher Verwaltungsgericht Recht.

An den gleichen Gründen stiess sich auch die Mehrheit der Stadtbaukommission (Nein-Parole mit 5:4). Das Projekt «bringt für niemanden echte Verbesserungen», sagte Romana Heuberger (FDP). Das fanden auch Markus Nater und Annetta Steiner (GLP), letztere sprang im Rat als Vertreterin von Pro Velo in die Bresche. Der Verband hatte 2021 gemeinsam mit weiteren Winterthurer Organisationen verschiedene Einsprachen gegen das Projekt erhoben. Kernaussage: Mit der schmaleren Fahrspur werde ein sicheres Überholen von Velos unmöglich.

Philipp Angele (SVP) stiess sich am Wegfall von Parkplätzen. Und alle Parteien kritisierten die bevorstehende Rodung und Neupflanzung der Allee. Nur urteilte die linke Ratsseite milder. Die neuen Bäume würden schon in wenigen Jahren mehr CO₂ kompensieren als die alten, ausserdem seien viele Exemplare des jetzigen Bestandes krank, sagte Katharina Frei (Grüne). Selim Gfeller sprach für die SP: «Das Projekt ist nicht perfekt, aber ein klarer Schritt nach vorne.»

Das Parlament stimmte also über den Kostenanteil, den die Umgestaltung hat, ab. Oder eben die nicht gebundenen Ausgaben von 5,7 Millionen Franken. Und lehnte sie prompt ab.

Was passiert nun? Früher oder später wird die Frauenfelderstrasse wohl «im Bestand» saniert. Heisst: Die Spuren bleiben so, wie sie sind ‒ breit fürs Auto, schmal für die Velos und die Fussgänger:innen. Dass die GLP diesen Entscheid mit der Ablehnung mittrage, sei für sie nicht verständlich, sagte Bauvorsteherin Christa Meier (SP).

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So stimmte das Parlament ab. Enthalten hatte sich Daniel Rohner von der EVP. (Bild: WNTI)

BZO-Revision unter Dach und Fach

Die Bau- und Zonenordnung (BZO) regelt eine der wichtigsten Kompetenzen der Gemeinden. Sie teilt das Stadtgebiet in verschiedene Bereiche und legt fest, was und wie dort gebaut werden darf. Die Änderung, um die es gestern im Parlament ging, war aber eher Formsache. Alle Kantone haben sich darauf geeinigt, dieselben Begriffe in ihren BZO’s zu verwenden. In Winterthur wird aus «besonderen Gebäuden» zum Beispiel «Kleinbauten» und «Anbauten», aus «Dachgeschoss über Flachdächern» das «Attikageschoss».

Gestört hatten sich Bürger:innen im Vorfeld nicht an dieser Jongliererei mit Begriffen, sondern an der Grünflächenziffer. Sie regelt, wie viel Land eines Grundstücks unbebaut bleiben muss. Die Stadt wollte diesen Wert von heute 20 auf künftig 55 bis 65 Prozent erhöhen. Von 29 Anträgen, die aus der öffentlichen Auflage hervorgingen, kritisierten 25 diese Zahl, ein Sturm der Entrüstung fegte über Winti hinweg (der Tages-Anzeiger berichtete).

In der gestrigen Vorlage fehlte sie deshalb komplett. Die Einführung soll aber zu einem späteren Zeitpunkt nochmals angegangen werden, auch eine Motion ist dazu noch hängig.

Nach einem kleinen Änderungsantrag zu Dachaufbauten, den SP, Grüne, AL und EVP lieber in der nächsten Überarbeitung gesehen hätten, weil er eine weitere Auflage der BZO nötig machen wird, war das Geschäft einstimmig beschlossene Sache.

Ein Nein zum Stadtarchiv ‒ aus vier Gründen

Das Stadtarchiv sammelt, verwahrt und dokumentiert Aufzeichnungen von Behörden und Verwaltung. Heute ist es im Semperhaus daheim. Doch eigentlich bräuchte es mehr Platz, und die «Vision» für das Stadthaus, welche im Auftrag der Stadt von der Architekten Kollektiv AG erarbeitet wurde, sieht eine künftige Nutzung ohne Archiv vor.

Als neuer Standort war deshalb der heutige Park beim Hauptsitz von Stadtwerk an der Zürcherstrasse geplant. Die Baukosten des neuen Gebäudes wurden auf 16 Millionen Franken geschätzt ‒ vorerst hätte das Parlament aber «nur» einen Projektierungskredit von 1,4 Millionen Franken bewilligen sollen.

Doch dieser fiel ins Wasser. Die Stadtbau- und die Aufsichtskommission empfahlen dem Parlament die Rückweisung, das Geschäft wurde mit 47 zu 5 Stimmen abgelehnt. Weil (ganz kurz):

1. Zu teuer

2. Zu zentral

3. Zu gross

4. Zu wenig Infos

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Links die Skulpturen von Max Bill, hinten der Stadtwerk-Hauptsitz, vorne die Zürcherstrasse. Und mitten auf die grüne Wiese hätte das Stadtarchiv kommen sollen. (Bild: Tizian Schöni)

Oder, etwas ausführlicher:

1. «Für uns kommt das Projekt etwas wie ein Prestigebau daher», sagte Alexander Würzer (EVP).

2. «Uns überzeugt der Standort an der Zürcherstrasse wirklich nicht», hiess es von SP-Seite durch Regula Keller. Das Archiv in einer Parkanlage zu bauen, sei nicht der richtige Weg.

3. «Für uns ist das Raumprogramm zu grosszügig angetragen», sagte Iris Kuster (Mitte). Zuerst sollten bestehende Räumlichkeiten besser genutzt werden.

4. Und: Es werde nicht aufgezeigt, wie sich die Digitalisierung kostensparend auf das Archiv auswirken könne. Zu diesem Schluss kam die Aufsichtskommission und stellte einen entsprechenden Ergänzungsantrag.

«Es muss eine Gattung machen», fand indes Stadtpräsident Mike Künzle (Mitte). Er gewann aus der Rückweisung etwas Positives mit der Feststellung: Zumindest sei nun anerkannt, dass es ein Archiv brauche. Für die Mitarbeitenden des Stadtarchivs wohl ein kleiner Trost. Neue Räumlichkeiten für sie wird es auch im zehnten Jahr ihrer Forderung noch nicht geben.

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Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.

Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.

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