Secondhand im Trend
Nicht weniger als vier Secondhand-Shops gibt es in der Winterthurer Altstadt. Einige sind schon lange am Ort, andere kamen erst kürzlich neu hinzu. Gemeinsam haben sie eines: Sie bedienen eine schnell wachsende Kundschaft.
Kennst du das befriedigende Gefühl, wenn du an einem Flohmi oder in einem Secondhandshop eine Hose gefunden hast, die einfach passt? Es ist wie eine Schatzsuche. Für dieses Erlebnis kommen immer mehr Leute nach Winterthur. Es hat sich nämlich herumgesprochen, dass in unserer Altstadt viele Schätze darauf warten, gefunden zu werden. Doch reicht das, damit viele Secondhandläden auf kleinem Raum nebeneinander existieren können? Ich habe bei verschiedenen von ihnen nachgefragt.
Secondhand ist im Trend. Das zeigen immer mehr Studien weltweit. Junge Leute kaufen Secondhand mittlerweile auch online, auf Apps wie Depop oder Marko. Aber auch analog kaufen die Leute lieber als noch vor ein paar Jahren gebrauchte Hosen oder Schuhe. In Winterthur ist der Trend in der Steinberggasse angekommen. Von der Obergasse bis zum Neumarkt, komme ich an mindestens vier Secondhandläden vorbei.
Als Erstes besuche ich den kleinen Secondhandladen Prachtstück an der Steinberggasse 8. Dort verkauft Nicole Gomringer seit einem Jahr ihre Ware, die sie alle auf Flohmärkten findet. «Hier habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Ich konnte leider die gefundenen Schätze nicht alle selbst behalten», erzählt sie lachend. Ihr Konzept funktioniere sehr gut, und es mache umso mehr Freude, die Begeisterung an Kund:innen weiterzugeben. Die Steinberggasse sei der ideale Ort für einen Secondhandshop.
«Wo es viele Secondhandshops hat, kommen die Leute gerne hin. Es ist eine Suche.»
Nicole Gomringer, Inhaberin Prachtstück Secondhand
Es sei ein Vorteil, dass die Altstadt kleinräumig ist und alle Läden zu Fuss erreichbar sind. «Mittlerweile kommen Leute aus Zürich, um in Winti fündig zu werden», erzählt Nicole Gomringer weiter. Sie hat noch viele Ideen und braucht bald mehr Raum dafür. In den Sommerferien zieht der Prachtstückladen einige Schaufenster weiter an die Steinberggasse 29. Dort habe sie dann endlich auch Platz für Männermode, das sei noch eine Nische im Secondhandgeschäft.
«Es kommen immer wieder Herren, die Damenkleider tragen. Secondhand ist ein offener Raum, in dem sich alle ausprobieren können.»
Nicole Gomringer, Inhaberin Prachtstück Secondhand
Ich setze meinen Streifzug fort und frage beim Caritas-Secondhandshop an der Steinberggasse 54 nach. Caritas betreibt seit 1993 an diesem Standort ihren Secondhandladen, um günstige Mode für jedes Budget bieten zu können. Als Non-Profit-Organisation fliesst der Gewinn aus dem Laden an andere Projekte von Caritas. Die Kleider im Laden sind alle gespendet. Spürt man bei Caritas, dass immer mehr Secondhandshops in die Altstadt kommen? «Nein», meint Lena Büeler, und fügt an: «Ich bin seit fünf Jahren hier im Laden und die Umsätze sind immer gestiegen». Es gehe der Kundschaft nicht mehr nur um die Budgetfrage, sondern um einzigartige Kleider und Nachhaltigkeit. Und das alles habe Platz nebeneinander.
«Das Zielpublikum ist sicher jünger geworden, auch bringen heute jüngere Leute ihre Kleider zu uns.»
Lena Büeler, Mitarbeiterin Caritas Secondhand
Während die Läden in der Marktgasse wegen der hohen Mietzinse immer wieder schliessen, gibt es in der Steinberggasse mehr Spielraum für Lokale, die nicht zu grossen Ketten gehören. Wahrscheinlich würde ein Secondhandshop in der Marktgasse nicht überleben, mutmasst Lena Büeler, während sie gleichzeitig Kleider von Spenderinnen annimmt. Ein Konkurrenzdenken gäbe es unter den Secondhandläden nicht, meint sie.
«Wir empfehlen einander auch. Es ist ein Miteinander.»
Lena Büeler, Mitarbeiterin Caritas Secondhand
Das bestätigt auch Martina Kunz, die zusammen mit Petra Egger seit sieben Jahren den Lieblingsmarkt betreibt. Bei ihnen können Verkaufswillige ein Regal mieten, Kleider und Schuhe ausstellen und verkaufen. Zusätzlich gibt es auch ausgewählte Stücke zu kaufen. Die Leidenschaft für Mode spüre ich auch hier. «Hier ist Fashion möglich, auch mit einem tiefen Budget. Wir möchten ein Erlebnis schaffen beim Einkaufen.»
Erfolgreich ist der Lieblingsmarkt auch auf Instagram. Dort verkaufen die beiden Inhaberinnen jeden Tag ein Outfit, das sie selbst zusammengestellt haben. «Das lockt dann auch wieder Leute in den Laden, die uns kennenlernen wollen», erzählt Martina Kunz. Wenn die Leute dann im Lieblingsmarkt nichts finden würden, machen sie die Runde und besuchen auch noch die anderen Secondhandshops, so Kunz. Winterthur sei deshalb der ideale Standort, sagt die Wallisellerin.
«In Winterthur ist möglich, was in Zürich schon lange nicht mehr geht. Die Mieten hier sind günstiger und wir sind gut vernetzt.»
Martina Kunz, Mitinhaberin Lieblingsmarkt Secondhand
Bald ist in der Altstadt Secondhand für fast jede Zielgruppe vorhanden. Wintichind, ein Secondhandladen für Baby-, Kinder- und Umstandsmode, zieht nämlich bald ans Untertor. Und vergrössert sein Angebot mit Teenagerkleidern. Auch beim Angebot für die Erwachsenen haben alle ihren Platz in der Altstadt gefunden und ergänzen sich gegenseitig. In Zeiten von Lädelisterben machen die Secondhandläden in Winterthur sicher einiges richtig.
Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.