Erst Mafiaboss, dann Verwaltungsrat, jetzt Ehrenpräsident

Das Casinotheater ist ein Winterthurer Kleinkunst-Wunder: Seit 25 Jahren finanziert es sich ohne Gelder der öffentlichen Hand. Dafür gesorgt hat massgeblich einer seiner Gründer: Viktor Giacobbo. Mitte Juni ist er aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten ‒ was aber nur wenig verändere, wie er im Interview versichert.

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Auch als Künstler bleibt Giacobbo dem Casinotheater erhalten. Zum Beispiel in «Dinner for WAM» ‒ einem Comedyprogramm zu Walter Andreas Müllers achtzigstem Geburtstag. (Bild: Robyne Dubief)

Viktor Giacobbo, Ende Mai wurde bekannt, dass Sie aus dem Verwaltungsrat der Casino Theater AG, Patrick Frey aus der Immobilien AG zurücktreten. Wie geht es ohne Sie dort weiter?

Viktor Giacobbo: Ich bin ja gar nicht weg, ich mache einfach keine Sitzungen mehr. Der Rest bleibt wie vorher. Wenn ich das so erkläre, sind die Leute beruhigt.

Also sind Sie nach wie vor involviert?

Ich bleibe Berater unserer künstlerischen Leiterin. Das haben alle so gewollt, insbesondere auch Léa Spirig selbst. Das Casinotheater ist zwar ein KMU, aber auch ein Haus von und für Künstlerinnen. Wir wollten von Anfang an vermeiden, dass irgendwann einmal nur noch das «Business» entscheidet und nicht mehr die Kunst. Das stelle ich sicher. Und ich habe einen direkteren Zugang zu Unterstützern des Casinotheaters, diese Beziehungen werde ich weiterhin pflegen ‒ und die brauchen wir auch, denn wir sind wohl noch immer eines der grössten nicht subventionierten Theater der Schweiz.

Mussten sie in der Kunst jemals intervenieren?

Ja, aber nur weil bei einer Produktion niemand ausser mir gewagt hatte, hinzustehen, um einen künstlerischen Reinfall zu verhindern – da funktionierte ich halt mal als Spielverderber.

In verschiedenen Medien hiess es, die neuen Personen brächten «neue Impulse». Jetzt kommt Beat Schwab, Jahrgang 66, VR-Präsident der Raiffeisen Winterthur und der Terresta.

Beat Schwab ist ja auch nicht künstlerischer Leiter, sondern wirtschaftlich perfekt vernetzt, um die Zukunft unseres Hauses zu garantieren. Die Aufgaben eines VR-Präsidenten und die künstlerische Theaterprogrammierung haben sehr wenig miteinander zu tun. Beat Schwab ist genau wegen seiner Ämter die perfekte Wahl für den VR. Und ausserdem besuchte bisher kein Verwaltungsrat häufiger unsere Vorstellungen als er.

Diese Verbindung zwischen Wirtschaft und Kunst war schon bei der Gründung des Hauses wichtig …

Genau. Geklappt hat das nur, weil wir als bekannte Künstler als Aktionäre einerseits selbst ins Risiko gingen und andererseits die richtigen Leute aus der Wirtschaft mit ins Boot holten. In meinem Fall war das zum Beispiel Peter Spuhler, mit dem ich schon lange befreundet bin. Ich spiele auf seinen Wunsch bei den Eisenbahn-Rollouts der Stadler AG und auch an seinen familiären Anlässen den Harry Hasler. Im Gegenzug sponsert er beispielsweise die Erneuerung der kompletten technischen Anlage in unserem Theater, die wir uns sonst nicht leisten könnten und die den gastierenden Künstlerinnen zugutekommt.  Die Geschichte ist beispielhaft für eine Zusammenarbeit, die nur im Casinotheater so funktioniert.

Wohlwollen kam aber nicht immer von allen Seiten. Gegen den Verkauf des Gebäudes durch die Stadt wurde das Referendum ergriffen.

Eigentlich waren alle Parteien dafür. Aber es gab einen Dissidenten aus der SVP, der dann zusammen mit dem Bund der Steuerzahler eine Volksabstimmung lanciert hat.

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Im März 2000 stimmte die Winterthurer Bevölkerung über den Verkauf des Casinos ab. Fast drei Viertel stimmten zu. (Bild: Schweizerisches Sozialarchiv F5123-Pe-155)

«Steuergeschenk für die Linksreichen» war der Slogan des Wahlplakats ...

Das Plakat hängt immer noch bei uns im Theater. Alfred Heer (Präsident des Bunds der Steuerzahler, Anm. d. Red.), mit dem ich lange nach der Abstimmung als «Linksreicher» vor dem Plakat stand, konnte es sich selber nicht mehr erklären, dass er einst ein nicht subventioniertes Theaterprojekt bekämpft hatte.

Kommen auch die Jungen noch zum Lachen ins Theater?

Das kommt darauf an. Bei Cedric Schild schon. Bei «Dinner for WAM», der Inszenierung von Walter Andreas Müllers achtzigstem Geburtstag, weniger. Aber dass sich da die Alten treffen, zu denen wir selber gehören, verarbeiten wir dann gleich humoristisch.

Und wie ist die Verjüngung auf künstlerischer Seite sichergestellt?

Ich habe die jungen Künstler immer überzeugt, Casinotheater-Aktionäre zu werden. Cedric Schild, Stefan Büsser, Michael Elsener, Lara Stoll und einige mehr sind dabei. Und viele junge Künstlerinnen treten in der «Rampensau», dem Comedy-Open-Mic von Dominic Deville auf. Desgleichen im «Momentum» mit Moritz Schädler, im Theatersport etc.

Besteht nicht das Risiko, dass nach der Ära Giacobbo das Bindeglied zwischen Kunst und Wirtschaft wegfällt?

Ich habe vielleicht die richtigen Menschen zusammengebracht, aber inhaltlich war ich nie ein solches Bindeglied. Mit den ganzen Finanzierungs- und Budgetthemen zum Beispiel kenne ich mich nicht wirklich gut aus. Eigentlich war ich nie ein guter Verwaltungsrat.

«Puffmutter des Schweizer Humors», nannte Sie einst Gabriel Vetter, die NZZ sprach vom «Mafiaboss der Kleinkunst». Welchen Titel geben Sie sich heute?

Ich wäre der schlechteste Mafiaboss, weil ich Geld nicht eingenommen, sondern hineingesteckt habe. Heute bin ich Ehrenpräsident, glaube ich.

Entsprechend wurden Sie mit einem Früchtekorb für Ihre Zeit im VR verdankt, haben wir gehört.

Ja, Christian Jenny hat mir Früchtekörbe überreicht, die ich umgehend zurückgegeben habe. Als Anerkennung für ihn.

WNTI-Portrait-Tizian-Schoeni

Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.

Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.

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