«Werke von Komponistinnen werden kaum gespielt, das muss sich ändern.»

Luisa Sereina Splett kehrt heim. Die in Berlin sesshafte Pianistin organisiert dieses Jahr zum zweiten Mal ihre Konzertreihe «Mut» in Winterthur. Für sie ist es «jedes Mal wie Heimkommen», wenn sie vom Winterthurer Publikum empfangen wird.

Luisa Splett, Berlin 2024. Foto: Markus C. Hurek
Luisa Splett spricht sechs Sprachen fliessend. (Bild: Markus C. Hurek)

Splett ist in einer Musiker:innenfamilie in Winterthur aufgewachsen. Sie hat in Zürich ihr Klavier Grundstudium an der Zürcher Hochschule der Künste absolviert und studierte anschliessend fünf Jahre in Santiago de Chile an der Universidad Major. Dort war sie schon während des Gymnasiums im Auslandssemester gewesen und hatte sich damals für das Land begeistert. Ihre Lehrerin Yelena Scherbakova war der Meinung, Splett solle von ihrem ehemaligen Lehrer Oleg Malov in Sankt Petersburg unterrichtet werden. Diese Chance ergriff sie und studierte für weitere fünf Jahre in Sankt Petersburg. Im Rahmen ihres Studiums hat sie Spanisch und Russisch gelernt.

Noch in Russland recherchierte sie zum Schweizer Komponist Emil Frey und reiste deswegen für eine Woche nach Berlin. Sofort verliebte sie sich in die Stadt. Ihr war klar: «Als nächstes gehe ich nach Berlin.»

«Es lohnt sich, im Ausland zu studieren – nicht nur Musik.»

Luisa Sereina Splett, Pianistin

Auch pädagogisch habe sie viel mitnehmen können. So werde in Chile Musik nicht gross gefördert, es sei schwierig, damit Geld zu verdienen. Deswegen hätten chilenische Musiker:innen eine grosse intrinsische Motivation. In Russland hingegen beginne die musikalische Förderung oft mit zwei Jahren. Aufgrund des Körperbaus werde das Instrument zugeteilt. Dort gebe es dann dafür auch Leute, die nach dem abgeschlossenen Konservatorium Automechaniker:in werden.

Luisa Sereina Splett-Trio_by Palma Fiacco
Ronny Spiegel (Violine), Luisa Splett (Klavier) und Andrea Sutter (Cello) spielten ein Stück von Hermann Götz am ersten Konzert. (Bild: Palma Fiacco)

Nachdem Splett Mutter wurde, interessierte sie sich für Komponistinnen und wie diese Kunst und Familie miteinander vereinbarten. «Denn niemand kann nur ein bisschen Mutter sein – entweder man ist Mutter oder nicht», sagte Splett. «Waren die Komponistinnen schlichtweg reich und konnten sich drei Nannys leisten, während sie auf Konzertreise waren? Oder kamen ihre Kinder mit auf die Reisen? Widmeten sie sich nur der Kunst und blieben unverheiratet wie die deutsche Komponistin Emilie Mayer? Wie reagierte die Gesellschaft auf eine Frau, die komponiert oder einen Beruf hat?» Diese Fragen drängten Splett dazu, sich mit Komponistinnen auseinanderzusetzen. Deswegen wählte sie für ihre erste Runde der Konzertreihe «Mut» nur Stücke von Frauen aus. Zudem war eines der Konzerte spezifisch dem Thema Frauen gewidmet.

Für die zweite Durchführung der Reihe hat sie sich ein neues Oberthema gesucht. Dieses setzte sie vor allem aus Stücken zusammen, die sie aufführen wollte. So ergab sich das Thema «Kulturhauptstädte». Ausgewählt dafür hat sie vier Städte: Winterthur – ihre Heimatstadt, Berlin – ihr jetziger Wohnort, Paris und Rio de Janeiro. 

Zusätzlich wollte sie unbedingt Stücke von den Komponistinnen Amy Beach und Florence Price spielen, also hatte sie nach Gemeinsamkeiten gesucht – beide kommen von der Ostküste der USA. Somit weitete sie das Thema der Kulturhauptstädte aus und ergänzte die Ostküste als Region, schliesslich bestimmt sie das Programm. 

Luisa Splett, Berlin 2024. Foto: Markus C. Hurek

«In meiner Ausbildung kam in Musikgeschichte keine einzige Frau vor, die komponierte.»

Luisa Sereina Splett, Pianistin

Jedes Stück hat einen Bezug zur Stadt oder Region, dieser wird nicht nur über die Komponist:in hergestellt. Am Konzert über Winterthur spielten sie zum Beispiel ein Stück von Ethel Smyth, einer Engländerin, das aber in einem Winterthurer Verlag veröffentlicht wurde. Ergänzend dazu hat Splett den Anspruch an sich, dass 50 Prozent der Komponist:innen Frauen sind. «Es gibt unglaublich viele Werke von Komponistinnen, die kaum gespielt werden und das muss sich ändern.» Deswegen ist es ihr wichtig, Komponistinnen vorzustellen und ihr Repertoire laufend zu erweitern.

Luisa Sereina Splett_by Palma Fiacco
Luisa Splett moderiert ihre Konzerte selber – Selbstbestimmtheit ist ihr wichtig. (Bild: Palma Fiacco)

Ihre Lieblingskomponistin ist Amy Beach – eine der Komponistinnen, deren Werk am Konzert «Quintets from the East Coast» gespielt wird. Schuberts Streichquintett ist ihr Lieblingsstück, Beethovens 4. Klavierkonzert ihr liebstes Solo-Konzert – beides Stücke von Komponisten. Splett fügte jedoch direkt an, dass auch die Violinsonate von Amanda Meier oder Stücke von Mélanie Bonis ganz oben auf ihrer Liste sind.

Kiino Schoch

Kiino kommt nicht nur aus Winterthur, sondern auch aus der Talentschmiede des ZHAW-Studiengangs Kommunikation. Ihr erster Text im Kulturmagazin Coucou war ein Wurf. Umso schöner, entschied sie sich für ein viermonatiges Praktikum bei WNTI.

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