Helfen, wo die Musik spielt – seit 50 Jahren

Die Winterthurer Musikfestwochen werden 50 Jahre alt. Und sind grösser und erfolgreicher denn je. Wir fragen Sabine Gerstenkorn, die bisher bei jeder einzelnen MFW als Helferin dabei war, wieso man so lange durchhält und warum sich immer wieder neue Helfende für die MFW begeistern.

Warst du gestern beim Start der Musikfestwochen Winterthur (MFW) dabei? Nein? Dann hast du noch bis am 17. August Zeit. Vielleicht gehörst du aber auch zu denen, die keine Ausgabe der MFW verpassen möchten. Bei allen der bisher 50 Ausgaben der MFW waren aber wohl die wenigsten dabei. Ich habe mit Sabine Gerstenkorn gesprochen, die seit 50 Jahren an jeder MFW als Helferin mitwirkt. Und frage bei einer heutigen «Superhelferin» nach, warum man über 100 Stunden Gratisarbeit in die MFW investiert.

MFW 1981 Blues Night
Die Blues Night ist an den MFW lange Tradition, hier ein Bild von 1981. (Bild: Sammlung Winterthur) (Bild: Sammlung Winterthur)

Flink bahnt sich Sabine Gerstenkorn im Aufbaugewusel einen Weg zu mir durch und winkt mich in die «Helfenden-Area». Ich frage sie gleich zu Beginn, wie es dazu kam, dass sie damals als 14-Jährige an der allerersten MFW einen Einsatz hatte. «Der eine Gründer, Markus Hodel, war damals in der Sek mein Englischlehrer. Er hat noch Leute gesucht, die ihm in den Sommerferien helfen würden», erzählt Sabine Gerstenkorn. Zusammen mit fünf Mitschüler:innen sei sie dann im Africana gelandet. «Es war für mich ein legaler Grund, um von zuhause weg zu sein. Es hatte immer lässige Leute und so durfte ich eben ins Africana. Das war sonst noch verboten», fügt sie lachend hinzu. 1976 gab es in Winterthur kaum Ausgeh-Möglichkeiten. Es galt die 23 Uhr Sperrstunde, die Sulzer, Rieter und Co. ihren Arbeiter:innen diktierten. Die ersten MFW stiessen denn auch auf grossen Andrang. Und galten in den 70er Jahren noch als kleine Revolution in der biederen Musikszene. Der Name «Winterthurer Musikfestwochen» haben die Gründer in Anlehnung an die «Luzerner Musikfestwochen» gewählt – ein Klassikfestival. Allein schon wegen dieser Namenswahl rief man einige Kritiker:innen auf den Plan.

Sabine Gerstenkorn
Manche nennen sie «Infra-Mama». Das ist Sabine Gerstenkorn aber zu viel des Guten. (Bild: Gioia Jöhri) (Bild: Gioia Jöhri)

50 Jahre später gibt es die MFW noch immer, grösser und erfolgreicher denn je. Dorina Oeschger leistet seit drei Jahren Einsätze beim Ordnungsdienst. Dieses Jahr hat sie sich für über 100 Stunden eingeschrieben. Die 21-jährige Winterthurerin kennt die MFW zwar schon lange, gepackt hat sie das MFW-Fieber aber erst vor drei Jahren. «Bei uns zuhause lag zwar immer das Programmheft und meine Eltern sind immer gegangen. Aber ich habe dann die MFW von einer anderen Seite für mich entdeckt», erzählt sie. Und seit dann ist sie jedes Jahr dabei: «Es ist toll, wenn man die Leute einmal pro Jahr sieht an den MFW. Und es ist schön, bei so einem Projekt mithelfen zu können. Es entstehen Freundschaften, die man auch ausserhalb der MFW pflegt.» Und die Leute sind auch der Grund, weshalb Dorina jedes Jahr wieder unzählige Stunden an Freiwilligenarbeit leistet. Sie schätzt zudem, dass die MFW auf kleinere Künstler:innen setzt und in die Nachhaltigkeit investiert wird. Grosse Veränderungen habe es in den drei Jahren, die sie dabei sei, noch nicht gegeben: «Ein paar Veränderungen hinter der Kulisse gab es aber schon. Wir haben nun bei der Eingangskontrolle eine automatische Personenzählung, das hilft enorm».

Dorina Oeschger
Dorina Oeschger wurde vor drei Jahren zum Ordnungsdienst mitgeschleift. Und blieb. (Bild: Gioia Jöhri) (Bild: Gioia Jöhri)

Sabine Gerstenkorn engagierte sich die meiste ihrer MFW-Zeit im Ressort Infrastruktur. Einen Ausflug in die Helfenden-Verpflegung für einige Jahre gab es auch. Gerade als sie das erzählt, kommt Michele in die «Helfenden-Area», nimmt sich Zvieri und blickt uns vielsagend an: «Am besten haben wir gegessen, als Sabine gekocht hat.» Diese schmunzelt und winkt ab. Denn bei der Infrastruktur fühlt sie sich am wohlsten. Das war aber nicht immer so: «Einige Jahre hatte ich ein wenig zu beissen, weil es von der Organisation her wenig Wertschätzung gegeben hat». Heute würde sie nur etwas noch ändern wollen: «Das ewige Schnurren während den Konzerten nervt mich sehr. Diese Respect the Artist-Schilder bringen gar nichts».

Dorina Oeschger und Sabine Gerstenkorn sind sich einig, dass es die MFW weitere 50 Jahre geben wird. «Ich wünsche der MFW weiterhin coole Helfende und Artists, feines Essen und ein gutes Publikum», meint Dorina Oeschger. «Wichtig ist auch die Unterstützung von Stadt und Kanton und wohlwollende Nachbar:innen», meint Sabine Gerstenkorn. Na dann, auf weitere 50 Jahre MFW!

WNTI-Portrait-Gioia-Joehri

Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.

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