«Gisi bleibt!» ‒ Kultur-Kollektiv wehrt sich gegen Kündigung
Die SKKG-Liegenschaft an der General-Guisan-Strasse 31 ist das älteste besetzte Haus der Stadt. Anders als der Rest des Gebäudes ist der Kellerraum aber gemietet, nicht besetzt. Das Kultur-Kollektiv «Subcultura» organisiert dort seit 1999 regelmässig Konzerte. Nun hat die Verwaltung Terresta den Mietvertrag gekündigt. Die «Subcultura» wehrt sich vor der Schlichtungsbehörde dagegen.
Es ist eine bunte Szene. Neben einem spontan aufgebauten Frühstücksbuffet und einem Lastvelo, das als Kaffeebar dient, stehen Transparente mit Parolen. «Frieden den Hütten, Krieg den Palästen» ist dort zu lesen. Die Hütte, für die rund 50 Personen vor den «Palast» des Bezirksgerichts gezogen sind, ist die Gisi. Sie ist das älteste besetzte Haus der Stadt. Seit der Besetzung 1997 ist sie nicht nur Wohnraum, sondern auch ein Ort der Subkultur. Das Kollektiv «Subculutra» organisiert regelmässig Konzerte und andere Events im Kellerraum. Und um diesen Kellerraum wird an diesem Tag im Bezirksgericht gestritten. Denn anders als der Rest des Hauses, ist der Kellerraum nicht besetzt, sondern seit 1999 gemietet. Das Mietverhältnis wurde nun allerdings von der Verwalterin der Immobilie, der Terresta, gekündigt. Am Dienstag der vergangenen Woche wehrt sich das Kollektiv vor der Schlichtungsbehörde dagegen.
Neben den Menschen der «Subcultura» haben sich an diesem Dienstag auch Sympathisant:innen vor dem Bezirksgericht versammelt. Darunter sind auch Bewohner:innen der «Gisi». Während sie draussen Kaffee trinken und diskutieren, laufen drinnen die Verhandlungen. Die Liegenschaften der SKKG werden von der Firma Terresta verwaltet. Wie diese auf Anfrage mitteilt, sei die SKKG als Eigentümerin haftbar für alles, was im Haus passiere. Aufgrund der begrenzten Fluchtwege und möglicher Feuergefahr sei das Risiko zu gross. Deshalb sei die Kündigung erfolgt. Überraschend kommt sie allerdings nicht. Denn die Terresta plant, die Liegenschaft an der General-Guisan-Strasse 31 zu sanieren. Die Bauarbeiten sollen im Februar 2026 starten. Was machen die Besetzer:innen der «Gisi» und die Kulturschaffenden der «Subcultura» mit diesem Entscheid? Das Transparent, das die Sympathisant:innen zwischen zwei Regenrinnen an der Fassade des Bezirksgerichts gespannt haben, lässt es ahnen – «Die Häuser denen die drin wohnen! Finger weg von der Gisi!»
«Die Gisi ist ein enorm wichtiger subkultureller Raum im Herzen der Stadt»
Jan, Sprecher des Kollektivs «Subcultura»
Es wirkt sonderbar, dass ein Teil eines Gebäudes besetzt und ein anderer gemietet ist. Wie genau das zustande kam, wissen weder die Terresta noch die Besetzer:innen. Voneinander trennen lassen sich die «Subcultura» und die «Gisi» aber ohnehin nicht. «Die Gisi ist das ganze Haus, dort wohnen Menschen und es gibt die Subcultura», sagt Jan, ein Sprecher des Kollektivs. Teile des Hauses, wie die sanitären Anlagen und der Innenhof, würden gemeinsam genutzt. «Die Gisi ist ein enorm wichtiger subkultureller Raum im Herzen der Stadt», sagt Jan. Und alle die Menschen, die ein und aus gingen, würden sie zu dem machen, was sie sei – egal ob als Bewohnerin oder Besucher.
Die Subcultura ist ein nicht kommerzieller Raum. Das mache sie zu einem niederschwelligen Einstiegspunkt für Kulturschaffende und deshalb auch so wichtig für die lokale Kulturszene. «Bei uns arbeiten alle freiwillig, wenn ein Konzert nicht gut besucht ist, verliert niemand», sagt Jan. Es sei ein Ort, an dem sich Menschen Skills aneignen können. «Du willst ein Konzert organisieren oder die Bar schmeissen? Bei uns ist das möglich.» Aber auch für die Besucher:innen ist der unkommerzielle Ansatz der Subcultura relevant. Die Eintrittspreise sind meist «Zall was chasch». «Fünf Franken plus wären geil, aber auch wenn du das nicht hast, kommst du rein», sagt Jan. «Uns ist wichtiger, dass du Zugang zu Kultur hast.»
«Die Emissionen der jetzigen Nutzung sind für die Nachbarschaft seit Jahren eine grosse Belastung»
Terresta, Verwaltung der Liegenschaft
Der Kellerraum, in dem die «Subcultura» ihre Events organisiert, ist laut Terresta allerdings als «Hobby- und Lagerraum» vermietet, nicht als Konzertlokal. Dass dort trotzdem Konzerte stattfinden, stört nicht nur die Terresta. Wie aus zahlreichen Berichten im Landboten ersichtlich ist, enervieren sich immer wieder Nachbarn über den Lärm. Dieser Umstand ist ein weiterer Grund für die Kündigung. «Die Emissionen der jetzigen Nutzung sind für die Nachbarschaft seit Jahren eine grosse Belastung und die Situation hat sich bislang nicht verbessert», teilt Terresta auf Anfrage mit. Dass es manchmal laut wird, sind sich die Kulturschaffenden der «Subcultura» bewusst. «Wir versuchen aber, die Lärmessionen möglichst klein zu halten, indem wir die Bässe in der Nacht runterdrehen und die Türen schliessen», sagt Jan. Gleichzeitig müsse aber auch allen Anwohnenden klar sein, dass sie in der Altstadt und an einer Hauptstrasse wohnen. Hier sei es halt manchmal laut. Zudem gebe es die «Subcultura» nun schon über 25 Jahre. «Das ist also nichts, was erst seit gestern passiert», sagt Jan.
«Wir nutzen alle Wege, die uns offen stehen, um die Gisi zu retten.»
Jan, Sprecher des Kollektivs «Subcultura»
Vor dem Bezirksgericht hält eine Besetzerin gerade eine Rede durch ein mitgebrachtes Mikrofon, da tritt die Vertreterin der «Subcultura» und ihr Anwalt aus dem Gebäude. Schnell wird ihr das Mikrofon gereicht. Die beiden Parteien seien zu keiner Einigung gekommen, sagt sie. Wie weiter? «Wir werden nun den nächsten rechtlichen Schritt ergreifen und gegen die Kündigung klagen». Dass eine Besetzung illegal ist, liegt in der Natur. Es mag deshalb kurios anmuten, dass sich ein Besetzer:innenkollektiv rechtlichen Mitteln bedient, um für ihr Anliegen zu streiten. Für Jan ist das aber kein Widerspruch. «Wir nutzen einfach alle Wege, die uns offen stehen, um die Gisi zu retten.»
Terresta nimmt den Entscheid gegen die Kündigung zu klagen zur Kenntnis und teilt mit «Der Rechtsweg steht allen berechtigten Personen offen, dagegen ist nichts einzuwenden.» Dass sich der Ist-Zustand im Keller der «Gisi» auch nicht ändern würde, sollte die Klage abgelehnt werden, habe keinen Einfluss auf die Pläne der Terresta. «Wir halten an unserem Vorhaben, die General-Guisan-Strasse 31 zu renovieren, fest», teilt sie mit. Einfach so verlassen werden die Besetzer:innen ihr Zuhause wohl nicht. In diesem Fall wird die Terresta ihre Renovationspläne nur mit einer polizeilichen Räumung der Liegenschaft durchsetzen können.
Inzwischen ist der Kaffee ausgetrunken und vom Frühstücksbuffet sind nur noch ein paar einsame Krümel übrig. Die Menschen der «Subcultura» und ihre Sympathisant:innen machen sich auf den Weg zur Gisi, um dort über die weiteren Schritte zu diskutieren. Auch wenn es an diesem Tag keine Einigung gab. Eins ist klar – Der Schlichtungsprozess war nur der erste Satz im vermeintlich letzten Kapitel der «Gisi».
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.