Eine Münze als Machtmittel
Geschichte vor Ort
Dieses 8-Escudostück aus dem Jahr 1820 hat eine besondere Geschichte. Heute sind Münzen für uns fast nur noch Zahlungsmittel. Früher war eigenes Geld für Herrschende auch ein Instrument, um ihre Macht zu festigen. Mit dieser Münze etwa wird eine neu gewonnene Selbständigkeit öffentlich propagiert. Sie ist Teil der Ausstellung «Goethe in Winterthur» und wird ab September im Münzkabinett zu sehen sein.
Die Umwälzungen in Europa zur Zeit Napoleons hatten auch Auswirkungen auf die Kolonien europäischer Staaten. Vor allem in Mittel- und Südamerika, die bislang unter spanischer Herrschaft gestanden hatten, führte die Einsetzung von Napoleons Bruder Joseph Bonaparte zum König im Jahr 1808 zu weitreichenden Aufständen und Unabhängigkeitsbewegungen. Chile konnte 1818 seine Unabhängigkeit ausrufen, vollständig besiegt waren die spanischen Truppen allerdings erst acht Jahre später.
Das Besondere an dieser Münze ist neben der politischen Geschichte, die sie erzählt, jedoch noch etwas anderes, nämlich ihr Besitzer: Johann Wolfgang von Goethe. Der bekannte Schriftsteller war ein exzessiver Sammler unterschiedlichster Dinge, darunter auch Münzen und Medaillen. Zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 1832 befanden sich über 4000 Münzen und Medaillen in seinem Besitz. Sie decken einen Zeitraum von der Antike bis in Goethes Gegenwart ab und reichen geografisch von Mittelamerika bis nach China.
Eine Ausstellung im Münzkabinett Winterthur widmet sich seit dem 13. Juni 2025 für ein Jahr dem Thema «Goethe und Geld»: In einem ersten Teil wird die monetäre Situation der Schweiz während der drei Aufenthalte Goethes hierzulande genauer betrachtet. Durch Goethes Augen wird der Übergang von der uneinheitlichen Münzprägung der alten Eidgenossenschaft zum Versuch der Vereinheitlichung während der Helvetischen Republik bis zur Wiederkehr der Vielfalt unter den neuen Kantonen erlebbar gemacht.Im zweiten Teil, ab September, wird dann eine Auswahl von Münzen aus Goethes Sammlung in Weimar den Weg nach Winterthur finden. Zum ersten Mal wird sich eine Ausstellung ausschliesslich dieser Sammlung widmen und den zahlreichen Fragen nach Motivation und Themen der Münzen nachgehen.
Gunnar Dumke ist Altertumswissenschaftler und Direktor des Münzkabinetts und der Antikensammlung der Stadt Winterthur.
Unter der Rubrik «Geschichte vor Ort» schreiben verschiedene Autor:innen aus dem Geschichtennetzwerk Winterthur.