Freiwillig zum Mieter werden ꟷ und sich dann über den Zins beschweren
70’000 Franken Miete zahlt die Stadt jährlich für den Standort der Ludothek in Seen. Das sei zu viel für den Spielzeugverleih, schreibt Stadtpräsident Mike Künzle in einem Schreiben an die drei Winterthurer Ludotheken. Dabei hat sich die Stadt diese Mietkosten vor zehn Jahren selbst eingebrockt.
Wenn sich Kinder ihre Traumberufe ausdenken, reichen die kühnsten Fantasien nicht aus, um das zu beschreiben, was Monika Hochreutener macht. Sie ist nämlich eine Spielzeug-Expertin. Die 66-Jährige weiss zum Beispiel genau, «wer sauber arbeitet mit Farben bei Holzspielzeugen.» Seit Jahren besucht sie die grösste Spielwarenmesse Europas in Nürnberg, erkundigt sich über Neuerscheinungen und kauft entsprechend ein. «Wissen Sie, Plastik ist nicht gleich Plastik», sagt sie mir. Kürzlich habe sie eine Fisher-Price-Baustelle entsorgt, die sei 25 Jahre im Sortiment gewesen.
Noch länger ist Monika Hochreutener ehrenamtlich in der Ludothek Altstadt tätig. Seit 35 Jahren verleiht sie Spielsachen an Kinder, seit 30 Jahren präsidiert sie den Verein, der den Betrieb in der Spielzeug-Bibliothek organisiert. Ähnlich lange gibt es die beiden anderen Ludotheken in Oberi und Seen. Gemeinsam engagieren sich dort rund 40 Personen ꟷ mit rund 6000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit pro Jahr.
Das wird sich jedoch bald ändern. «Statt drei Ludotheken soll es künftig nur noch eine geben», schreibt Stadtpräsident Mike Künzle (Mitte) in einem Brief, der WNTI vorliegt. Lediglich der einzige verbleibende Standort in der Altstadt soll mit einem gleichbleibenden Beitrag auskommen. Denn: Die Stadt muss sparen. Die drei Standorte würden aktuell mit 130’000 Franken pro Jahr unterstützt, das seien rund 15 Prozent der ganzen Fördermittel des Amts für Stadtentwicklung.
Besonders hoch sei die Miete in Seen: Alleine für sie zahle die Stadt jährlich 70’000 Franken, heisst es im Schreiben von Mike Künzle. Zwar sind noch eine Spielgruppe und eine zugehörige Fachstelle dort untergebracht, welche die Räume kostenlos nutzen. Aber 70’000 Franken sind auch dann noch viel Geld.
Doch die Stadt ist an diesen Mietkosten selbst Schuld: 2016 veräusserte sie die Liegenschaft an der Rössligasse an Private. Erst seit da gibt sie die Miete weiter. Die Ludothek ist aber schon seit 40 Jahren dort untergebracht. Per Ende Juli 2026 will die Stadt nun den Vertrag auslaufen lassen.
Monika Hochreutener von der Altstadt-Ludothek hält den Budget-Vergleich für zu kurz gegriffen. «Uns wurden die Raummieten angelastet, das ist bei den Freizeitanlagen nicht so.» Denn andere Angebote seien in städtischen Liegenschaften einquartiert. Zwar falle dort eine Miete an, sie belaste aber nicht direkt das Stadtentwicklungs-Budget.
Den Entscheid stützt die Stadt aber nicht alleine auf die Höhe der Gelder. Die Ausrichtung der Ludotheken, «das klassische Verleihgeschäft», stimme nicht mehr mit den neuen Förderkriterien der Stadtentwicklung überein. Unterstützt würden Aktivitäten, die das «Wir-Gefühl stärken und den Austausch unter Menschen fördern».
Solchen Austausch wünscht sich die Leiterin des Spielverleihs in der Altstadt schon lange. Aber auf den 90 Quadratmetern sei es schon schwierig, die 2500 Artikel unterzubringen, die sie im Sortiment hätten. «Um einen Spieltreff zu organisieren, fehlt der Platz sowieso. Es reicht ja nicht einmal für eine Spielecke», sagt sie. Sie hätten bei der Stadt immer wieder nach geeigneten, eigenen Liegenschaften gefragt. Dort habe es stets geheissen, es gebe nichts. Über das Immobilien-Mailing des Standortförderers House of Winterthur hätten sie einige Angebote erhalten, die aber zu teuer gewesen seien. «Es nützt nichts, wenn wir die Räumlichkeiten haben, aber die Stadt nicht zahlt.»
Die Stadt stützt sich in ihrer Kommunikation auch auf die Zahl von 770 Abos, die an allen drei Standorten zwischen 2019 und 2023 jährlich gelöst worden seien. Diese bestätigt Monika Hochreutener zwar. Die Abozahl sei aber nicht aussagekräftig. Familien, Schulen und Quartiervereine hätten ein einziges Abo, das je nach Fall aber für drei bis vier, manchmal für bis zu zwanzig Personen verwendet werde, sagt sie. Deshalb sprechen die Ludotheken in ihrer Mitteilung von über 4000 Kund:innen.
Eine Professionalisierung des Angebots, wie es die Ludotheken in einem Konzept in den vergangenen Jahren erarbeitet hatten, rückt nun in weite Ferne. Ab 2027 werden die Standorte in Oberi und Seen nur noch Geld über Gesuche für einzelne Projekte erhalten.
Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.
Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.