Baumängel am «Krokodil»
Das «Krokodil» am Lagerplatz ist eines der Vorzeigeprojekte der Lokstadt. Doch nur viereinhalb Jahre nach der Fertigstellung des Gebäudes, steht wieder ein Gerüst da. Was hat es damit auf sich? Wir haben uns umgehört.
Stell dir vor, du kaufst dir eine Wohnung mit Balkon. Ja ich weiss, ist eine teure Sache, aber stellen wir uns das einfach mal vor. Im Herbst 2020 kannst du einziehen, im Winter 2023/2024 werden daran bereits Schäden festgestellt und im Frühling 2024 muss der Balkon gar mit Spanngurten gesichert werden. Im April 2025 wird er dann ganz demontiert. Vor deinem Fenster steht bis heute ein riesiges Baugerüst.
Das ist keine reine Fantasie, sondern so geschehen in der Lokstadt, genauer gesagt, am «Krokodil» direkt am Dialogplatz. Das Gebäude ist eines der Vorzeigeprojekte der Lokstadt, vorangetrieben durch die Eigentümerin und Bauherrin Implenia. Auf dem ehemaligen Industrieareal der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) baut Implenia seit 2018 einen Mix aus alt und neu.
Das Gebäude hat ein grosses Vorbild, nämlich die erste elektrische Gotthard-Lokomotive «Krokodil». Und es setzt – genau wie die Lok in Grösse und Bauweise – neue Massstäbe für Winterthur. Der Bau fasst rund 250 Wohnungen, neben 56 Eigentumswohnungen teilen sich drei Genossenschaften den restlichen Raum. Speziell an der Bauweise ist der Einsatz von Holz in grossem Stil. Die Fassade lässt es zwar nicht vermuten, aber der Skelettbau des Gebäudes ist komplett aus Holz erstellt.
Aus Holz sind auch die insgesamt 80 Meter langen Balkone auf der Dialogplatzseite, die grösstenteils zu Eigentumswohnungen gehören.
Klar ist, dass im Winter 2023/2024 nur an dieser einen Balkonreihe gegen den Dialogplatz Schäden von einem Anwohner bemerkt wurden. Klar ist auch, dass Implenia noch nicht weiss, was diese Schäden verursacht haben könnte. Auf Anfrage heisst es: «Implenia ist gegenwärtig dabei, den Schaden sowie allfällig nötige Sanierungsmassnahmen zu prüfen.»
Richard Stadelmann wohnt seit 2020 im zweiten Stock des «Krokodils» und sieht vor seinem Fenster nun seit geraumer Zeit das Baugerüst. Auch die Eigentümer:innen wüssten noch nichts Genaues, meint er. Er könne nur Vermutungen anstellen, was die Ursache für die Schäden sei: «Vielleicht ist das Holz in der Bauzeit verregnet worden. Oder was ich mich auch schon gefragt habe: Ein Pilzbefall?». Stadelmann, der auch in der Stockwerkeigentümergemeinschaft aktiv ist, rechnet damit, dass das Gerüst noch lange vor seinem Fenster bleibt.
Dies bestätigen auch andere Anwohnende. Alle seien sehr interessiert an der Ursache, aber man verstehe auch, dass erst nach dem vollständigen Schadensgutachten durch die Implenia kommuniziert werden könne, was genau das Problem gewesen sei. «Feuchtigkeitsprobleme mit verbautem Holz gibt es immer wieder im Bau, da sind wir sicher nicht die Ersten», meint eine Anwohnerin im Gespräch.
«Es ist einfach dumm gelaufen. Aber ich finde, dass sich Implenia gut darum kümmert.»
Richard Stadelmann, Bewohner «Krokodil»
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft hat eine Begleitgruppe gegründet, die sich am Prozess zur Schadens- und Ursachenfindung beteiligt. Zudem hat die Gruppe eine Fachperson, die sich mit Bauphysik auskennt, eingesetzt. An einer ausserordentlichen Sitzung Mitte Mai sollen alle Beteiligten, auch die zuständigen Fachpersonen bei der Implenia, weiter informieren.
Bis dahin kann sich glücklich schätzen, wer im sechsten Stock oder höher wohnt. Denn da ist einem die Sicht aus dem Fenster noch frei geblieben.
Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.