Winterthurer Schätze im Bauteillager

Im kantonalen Bauteillager in Dübendorf findet sich allerhand Kurioses. Dort landen historische Bauteile von denkmalgeschützten Bauten, die man an möglichst passenden Häusern wieder einbauen will. In der Lagerhalle bin ich auf alte Leuchtschriften der Kantonspolizei oder dem Kongresshaus Zürich gestossen und habe mich über eine alte analoge SBB-Anzeigetafel gefreut. Ich wollte wissen, was für Schätze aus unserer Stadt dort schlummern.

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In dieser Halle in Dübendorf findet sich allerhand historisches Baumaterial. (Bild: Gioia Jöhri)

Das unscheinbare Bürogebäude nahe dem Bahnhof Stettbach verrät nichts über die historischen Schätze in seinem Innern. Zusammen mit Sandrin Keck, Leiterin des Bauteillagers, gehe ich durch ein riesiges rotes Tor. Dahinter erwarten uns die faszinierenden alten Leuchtschriften. Sie sind im Bauteillager gelandet, weil sie durch moderne Leuchtschriften ersetzt wurden, vielleicht weil sie den bautechnischen Vorschriften nicht mehr genügten. Da die Leuchten historischen und gesellschaftlichen Wert haben, wollte man sie aber nicht wegwerfen. Was heute ins Bauteillager kommt, muss von einem denkmalgeschützten Haus im Kanton Zürich stammen. «In den 1990er Jahren haben wir einen neuen Kurs eingeschlagen: Der Fokus liegt auf der Wiederverwendung und nicht mehr auf dem Sammeln», erklärt Keck. Das erklärt auch die grosse Sammlung an Türen oder Kochherden aus dem letzten Jahrhundert. «Solche Objekte verleihen wir aber immer mal wieder an Museen».

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Diese werden wohl nie mehr irgendwo ein neues Zuhause finden. (Bild: Gioia Jöhri) (Bild: Gioia Jöhri)

Im Bauteillager arbeiten drei Personen mit unterschiedlichen Hintergründen: Die Leiterin Sandrine Keck ist Archäologin. Eine Sammlungstechniker und ein Sammlungstechniker kümmern sich um die korrekte Lagerung und die Restaurierung von Objekten. Nachdem wir an Geländern in allen Formen vorbeigeschlendert sind, kommen wir auf die Winterthurer Objekte zu sprechen.

Die Uhren vom Bahnhof Grüze

«Der Bahnhof Grüze ist absolut einzigartig», sagt Sandrine Keck. Das Perrondach aus den 1950er Jahren steht deshalb unter Schutz. Das musste man jüngst auch bei der Sanierung beachten. Denn in Zukunft soll der Bahnhof Grüze Verkehrsknotenpunkt und der zweitwichtigste Bahnhof in Winterthur werden. Der Architekt der Perrondächer entwarf auch die heute kultige SBB-Uhr. Einige solcher Uhren sind nun jüngst ins Bauteillager aufgenommen worden, da sie nach der Sanierung keinen Platz mehr gefunden haben.

  • Nordöstliches Perrondach; Südwestliches Perrondach; Unterführung und Treppenanlagen
    Diese Uhren vom Bahnhof Grüze sind die neusten Zugänge aus Winterthur. (Bild links: Bauteillager Kanton Zürich / Bild rechts: Sammlung Winterthur) (Bild: Bauteillager Kanton Zürich)
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    (Bild: Bauteillager Kanton Zürich)

Die Sulzer-Leuchten

Aus heutiger Sicht ist die Lampe riesig und das Licht, das sie spendet, ziemlich schwach. Doch in den Hallen von Sulzer dürften solche Lampen für besseres Licht gesorgt haben. Noch vor der flächendeckenden Elektrifizierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts war man in den Fabriken auf Tageslicht angewiesen. Ein Grund für die grossen Fenster der Hallen. Die insgesamt sechs Leuchten kamen 2018 ins Bauteillager, mit grosser Wahrscheinlichkeit stammen sie aus der Halle 39, die heute das Schoch Werkhaus beherbergt.

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Insgesamt sechs solcher Leuchten sind im Bauteillager gelandet. (Bild: Gioia Jöhri) (Bild: Gioia Jöhri)

Die weiteren Objekte aus Winterthur lassen sich an einer Hand abzählen: Glasbausteine aus dem Volkarthaus, eine Blumen-Tapete von der Marktgasse 56, alte Sitzreihen aus dem Bezirksgebäude und bemalte Glasfenster aus einer Villa am Heiligberg. Wieso kommen nicht mehr Objekte aus der zweitgrössten Stadt im Kanton Zürich nach Dübendorf? Sandrine Keck kann das nicht abschliessend beantworten. Sicher ist, dass verhältnismässig wenige industrielle Objekte im Bauteillager zu finden sind. Keck erklärt sich das so: «Das Bewusstsein für die Erhaltung von Industriekultur ist erst in jüngerer Zeit gewachsen».

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Wer weiss, wo am Volkarthaus diese Glasbausteine einmal eingebaut waren? (Bild: Gioia Jöhri) (Bild: Gioia Jöhri)

Nachgefragt bei der Denkmalpflege in Winterthur heisst es: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass vom kantonalen Bauteillager meist nur sehr spezifische Objekte und Einzelelemente angenommen werden, also eine enge Auswahl getroffen wird», so die Leiterin Konstanze Domhardt. Wenn ein historisches Haus abgerissen werde, so gebe man wiederverwendbare Teile oft ins Historische Bauteillager Ostschweiz. Dessen Leiter, Urs Neuhauser, bestätigt dies: «Wir haben ein bisschen eine andere Ausrichtung als Zürich. Wir nehmen auch jüngere Bauteile, von denen wir wissen, dass sie auf Interesse stossen und weiterverkauft werden können». Aber auch bei ihnen werde geprüft, ob die historischen Bauteile zu einem Bauprojekt passen. Nach Winterthur verkaufe er immer wieder Spannendes: «In Winterthur steht das kleinste Haus der Schweiz. Der Gartenzaun und die Badewanne des Häuschens kommen von uns».

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Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.

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