Die Top-Torhüterin aus Taa

Als kleines Mädchen wollte Lea Schüpbach Fussball spielen. Jetzt ist sie die beste Handball-Torhüterin der Schweiz und steht ab Donnerstag bei der WM in den Niederlanden zwischen den Pfosten.

Schüpbach Lea
2018 spielte Lea Schüpbach ihr erstes Spiel in der Nati. (Bild: Adrian Ehrbar Photography)

Sie wächst mit drei Geschwistern in Taa auf, einem beschaulichen Weiler bei Oberseen. Primarschule in Eidberg und Iberg, Sek in der Stadt, Handball-Juniorin bei Yellow. Die Anfänge von Lea Schüpbach klingen unaufgeregt und nach Wohlfühloase. Doch die Seemerin war zu talentiert, um ewig in der Eulachhalle oder in Neuhegi Bälle abzuwehren. Heute ist die 28-Jährige Profi bei Handball Plan-de-Cuques in Südfrankreich. Vor allem aber geht sie als Torhüterin Nummer 1 mit dem Nationalteam in die Weltmeisterschaft, die für die Schweizerinnen am Donnerstag mit dem Spiel gegen Iran im niederländischen ‘s-Hertogenbosch beginnt. «Ich erwarte, dass wir unsere beste Leistung abrufen», sagt Lea Schüpbach, «schliesslich ist es nach zwei EM-Teilnahmen die erste WM überhaupt für ein Schweizer Frauenteam». Die Schweizerinnen treffen in der Vorrunde auch auf Senegal und Ungarn; Platz 3 in der Gruppe B reicht zum Einzug in die Hauptrunde. 

Das Lea Schüpbach 63-fache Nationalspielerin im Handball wurde, ist dem Zufall geschuldet. «Ich wollte eigentlich zum Fussball, aber eine Schulkollegin nahm mich zum Training bei Yellow mit», erzählt die Sportlerin, die mit 178 Zentimetern Körperlänge bestimmt auch gute Figur in einem Fussballkasten machen würde.

Zwei schwere Verletzungen

Schon als Sechzehnjährige debütierte Lea in der ersten Mannschaft von Yellow, nach Abschluss der United School of Sports folgte sie dem Ruf der Spono Eagles. Mit den Luzernerinnen gewann die Keeperin in zwei Saisons Meisterschaft und Cup. Paris 92 in der höchsten französischen Liga, Bad Wildungen und Metzingen in der deutschen Bundesliga waren ihre drei Profi-Stationen mit Höhen und Tiefen. In Paris spielte Lea nicht oft und brach sich den Fuss. In der zweiten Saison beim TuS Metzingen riss das Kreuzband. «Zum Glück war ich beim Start der Saison 24/25 wieder fit und schaffte es noch ins Natikader für die Heim-EM.» In Basel trumpfte sie gross auf und legte im entscheidenden Gruppenspiel gegen Kroatien mit neun Paraden in der ersten Halbzeit den Grundstein zum Sieg und dem erstmaligen Einzug in eine Hauptrunde eines grossen Turniers. «Wir haben eine coole Truppe beisammen. Viele junge Spielerinnen stossen nach. Der Schweizer Frauen-Handball macht Fortschritte.»

Sie selbst habe immer konsequent die Ziele verfolgt, sagt die Winterthurerin. Die Verletzungen hätten sie widerstandsfähig gemacht, sie habe gelernt, geduldig zu bleiben. Und: «Ich bin dankbar geworden, vor allem meinem Körper gegenüber, dass er sich so zuverlässig von Rückschlägen erholt hat.»

Seit dem Sommer lebt Lea Schüpbach in einer anderen Umgebung. In Plan-de-Cuques, einer Kleinstadt ausserhalb von Marseille, ist das Klima mild und das Meer nicht weit. Handball Plan-de-Cuques gehört derzeit zu den vier besten Teams in der französischen 14er-Liga. «Das Niveau ist hoch; es wird technischer und schneller gespielt als in Deutschland», bilanziert die «Gardienne», die mit den Mitspielerinnen ausschliesslich französisch parliert. Sie kommuniziere während des Spiels zwar intensiv. «Aber wirklich dirigieren kann man als Torhüterin im Spitzenhandball die Vorderleute nicht. Die Angriffe laufen einfach zu schnell.» Ihre Stärken im Tor? «Ich bin explosiv und schnell und erwarte die Bälle nicht einfach passiv, sondern attackiere sie», sagt Lea Schüpbach, die für Normalos unfassbare Reflexe auspacken kann.

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Das WM-Team mit Lea Schüpbach (1) in der Mitte. (Bild: Adrian Ehrbar Photography)

Sie hat nie Angst

Die Bälle fliegen auch im Frauen-Handball mit beeindruckender Wucht auf den Kasten. Ein Schuss von Leas Nati-Kollegin Daphne Gautschi wurde einst mit 109 Kilometern pro Stunde gemessen. Angst, sagt Schüpbach, habe sie im Tor nie. «Man muss stets die Körperspannung halten und riskiert auch mal einen Kopftreffer.» Mit ihren 28 Jahren ist sie nicht nur deutlich älter als die beiden anderen Torhüterinnen im Nationalteam, Seraina Kuratli von GC Amicitia und Claire Hartz von Spono Eagles, Lea ist auch Vorbild. «Wir funktionieren als Team. Jede freut sich, wenn dem Positionsgspänli gute Paraden gelingen.»

Und ist aus der kleinen Lea, die achtjährig bei Yellow mit Handball begann, nun eine grosse Weltenbummlerin geworden? «Ich kehre immer gerne nach Taa zu meiner Familie zurück», kommt es wie aus der Pistole geschossen, «Winti bleibt meine Heimat, auch wenn ich nicht mehr oft in der Stadt unterwegs bin und staune, wie schnell sich alles verändert.»

Am Donnerstag gehts los

Handball-Nationaltrainer Knut Ove Joa reist mit einem 18-Frau-Kader an die Handball-Weltmeisterschaft in den Niederlanden und Deutschland. 32 Teams nehmen teil. Die Schweizerinnen spielen in ‘s-Hertogenbosch (NL) am 27. November um 18 Uhr gegen den Iran, am 29. November um 18 Uhr gegen Senegal und am 1. Dezember um 20:30 Uhr gegen Ungarn. Die besten drei Teams der Gruppe B messen sich anschliessend mit den Top-Drei der Gruppe A (Dänemark, Rumänien, Japan, Kroatien) in der Hauptrunde (drei Spiele pro Mannschaft, Punkte gegen die Vorrunden-Gegnerinnen werden mitgenommen). Anschliessend geht es weiter mit Viertel und Halbfinal, das Finale steigt am 14. Dezember in Rotterdam.

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Christoph Ammann ist preisgekrönter Reisejournalist. Er arbeitete unter anderem beim «Sonntagsblick», der «Sonntagszeitung», und dem «Tages-Anzeiger». Er ist regelmässiger Hörer von «Der Ball ist Rundfunk».

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