«Stellwerk 2» – Der Bahnhof kriegt Mikrowohnungen und einen «Velohub»
Am Rande des Bahnhof klafft ein Loch. Und in diesem Loch – ein weiteres, kleineres Loch. Am Freitag war die Grundsteinlegung für das «Stellwerk 2». Da, wo bis 2016 noch die «Milchküche», das Personalrestaurant der SBB stand, entsteht ein sechsstöckiger Bau mit Wohnungen, Gewerbeflächen und einem «Velohub».
Wie die SBB mitteilt, werde es 66 Wohnungen geben. 16 mit einem bis zwei Zimmer, 24 mit zweieinhalb sowie 10 mit dreieinhalb Zimmern. Die restlichen 16 Zimmer seien Gemeinschaftsräume und «dynamisch zumietbare Gästezimmer». Laut Salomé Mall, Leiterin Development SBB Immobilien, richte sich das Angebot an «junge berufstätige Städtler». Einen voraussichtlichen Mietpreis möchte sie nicht nennen. Die SBB habe diesbezüglich aber eine Regel: 70 Prozent der umliegenden Wohnungen müssten teurer sein, als jene der SBB. «Also ziemlich preisgünstig», sagt Mall. Wie «preisgünstig» diese Wohnungen etwa sein werden, lässt sich nicht abschliessend sagen – aber vermuten.
Ein Blick in das Wohnungsmonitoring der Stadt zeigt: Die Medianmiete einer Zweizimmerwohnung lag 2022 bei CHF 1130. Da sich die Wohnungen der SBB direkt am Bahnhof befinden, ist davon auszugehen, dass sie teurer als der Median sind. 2022 lag die Miete für die teuersten zehn Prozent der Zweizimmerwohnungen bei CHF 1680. 2028 dürfte sie aufgrund der stetig steigenden Mietpreise allerdings noch höher sein. Spannender als die Preise für die Wohnungen sei aber sowieso das Konzept, betont Mall.
«In diesen Mikroappartements kann mit wenig Gepäck, auf ganz kleinem Raum, mit grossem Komfort gelebt werden»
Marco Rickenbach, Architekt «Stellwerk 2»
Die Wohnungen seien inspiriert von den Schlafwagen aus den 1920er Jahren, sagte Architekt Marco Rickenbacher an der Grundsteinlegung. Spezifisch deren Lebensgefühl. «In diesen Mikroappartements kann mit wenig Gepäck auf ganz kleinem Raum, mit grossem Komfort gelebt werden, während man aus den Fenstern den Zügen zusieht, wie sie in die Ferne gleiten», sagt Rickenbacher. Für die äussere Form des Gebäudes hat sich das verantwortliche Architekturbüro Esch Sintzel Architekten von einem anderen Gefährt dieser Epoche inspirieren lassen – dem Zeppelin. Die Bauweise sei «filigran und leicht», sagte Rickenbacher. «Ein Skelett aus Stahl und Holz, überzogen mit einer Haut aus Aluminium.» Die Gründe für diese Bauweise seien aber nicht nur ästhetischer Natur. Das neue Gebäude befindet sich nach Abschluss zur Hälfte auf dem Grund des «Stellwerk 1». Um dessen strukturelle Integrität zu gewährleisten, müsse das Gesamtgewicht des neuen Gebäudes so gering wie möglich sein.
Neben Wohnungen bietet das «Stellwerk 2» auch Gewerbeflächen und ein Untergeschoss mit 360 Veloabstellplätzen. Diese seien dringend nötig, sagt Stadträtin Christa Meier. Das Ganze wird aber mehr als nur ein gross proportionierter Velokeller. Dank des direkten Anschlusses an die Velounterführung sei es ein «Velohub», sagt Meier. Zudem werden die neuen Stellplätze mit der Velostation unter dem Stellwerk 1 verbunden. Für die neue Velostation gibt die Stadt knapp 1,5 Millionen aus.
Noch ist das aber alles Zukunftsmusik – an diesem Freitag pfiff den Anwesenden nur der Winterwind um die Ohren. Ein Stück Zukunft gab es aber bereits an diesem kalten Nachmittag – nicht umsonst hatte es im grossen Loch noch eine kleineres. Bevor sich die Versammelten in die Wärme zum Apéro flüchteten, vergruben Christa Meier, Marco Rickenbach und Salomé Mall darin eine Zeitkapsel. Sie enthält drei Gegenstände: Von Meier eine Veloglocke als Symbol für die Abstellplätze, an denen sich die Winterthurer:innen erfreuen dürfen. Von Mall eine Gabel, als Erinnerung an das alte Personalrestaurant. Und von Rickenbach, als Hommage an die Bauweise des Gebäudes, ein Buch über den Zeppelin Hindenburg. Auf die Frage, ob das nicht ein schlechtes Omen sei, antwortet Rickenbach lachend «die meisten Zeppeline sind irgendwann verbrannt, es geht mir mehr um Spitzentechnologie». Christa Meier fügte an, dass die Kapsel ja ohnehin erst wieder zum Vorschein komme, wenn es das Gebäude nicht mehr gäbe.
Scheint also zu passen.
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.