Winterthur wird zur Pickleball-Hochburg

Was auf den ersten Blick aussieht wie Mini-Tennis mit Küchengeräten, ist in Wahrheit ein rasant wachsender Sporttrend, der weltweit begeistert – von den Promis in Kalifornien bis zu den Sportplätzen in Winterthur.

Pickleball macht dem Tennis Konkurrenz. (Bild: Marit Langschwager)

Zwei Schläger, ein Ball, ein Feld. Und doch ist es kein Tennis. Denn der beliebteste Rückschlagsport der Schweiz hat Konkurrenz bekommen – und zwar von einem flinken, sympathischen Newcomer: Pickleball. Was auf den ersten Blick aussieht wie Mini-Tennis mit Küchengeräten, ist in Wahrheit ein rasant wachsender Sporttrend, der weltweit begeistert – von den Promis in Kalifornien bis zu den Sportplätzen in Winterthur.

Pickleball ist eine Mischung aus Tennis, Tischtennis und Badminton, die auf einem kleinen Feld mit einem gelochten Plastikball und paddelförmigen Schlägern gespielt wird. Der Sport ist schnell, unkompliziert zu erlernen und begeistert vor allem durch seinen mitreißenden Teamcharakter. Hinzu kommt, dass Pickleball vergleichsweise kostengünstig ist: Weder teure Ausrüstung noch Unterrichtsstunden sind zwingend notwendig, um loslegen zu können. Und genau dieser Mix scheint auch in Winterthur voll einzuschlagen. Denn in Seen ist kürzlich die «grösste Indoor-Pickleball-Anlage» Europas eröffnet worden, so beschreibt es André Müller, Betriebsleiter der Tennis und Squash Grüze AG. In der Halle kann neu auf acht Feldern Pickleball gespielt werden. Wenn nötig, können diese auf zehn Courts erweitert werden. Die Plätze sind mit einem gelenkschonenden Gummiboden ausgestattet – in dieser Form bisher einzigartig in Europa, wie Müller betont.

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André Müller bietet Pickleball auf Indoor-Plätzen an. (Bild: Marit Langschwager)

Der 57-Jährige spielt selbst seit knapp zwei Jahren und hat im letzten Jahr mit seinem Partner die ersten Schweizer Meisterschaften gewonnen. Müller wurde durch einen Bekannten aus den USA auf den Trend aufmerksam und erkannte: «Der Sport hat Potenzial und ich habe schnell die Zukunft darin gesehen.» Das Besondere für ihn: Pickleball sei für jede Generation geeignet und kann innert 15 Minuten richtige Spiel-Freude bringen. Für Oktober plant Müller zusätzliche Kurse und grössere Turniere. Bereits Ende Juni finden erneut die Schweizer Meisterschaften in seiner Halle statt.

Auch die Stadt Winterthur ist auf den Ball gekommen: Bis Mitte September können Interessierte auf den Pickleball-Feldern beim Sportpark Deutweg kostenlos spielen. Schläger und Bälle stehen in einer Boxstation bereit und können gratis ausgeliehen werden. Das Angebot wird rege genutzt. Laut Hannes Tschudin, Abteilungsleiter Sportförderung, haben bereits über 40 Schulklassen und mehr als 100 Einzelpersonen teilgenommen. Bereits 2024 fanden an die 50 Lektionen als Pilot-Versuch an einigen Schulen statt.

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Für Pickleball braucht es nicht viel: ein Paddle, einen gelochten Plastikball, passende Schuhe – und ein Netz, das fast überall aufgestellt werden kann. (Bild: Marit Langschwager)

Einer, der Pickleball ebenfalls in der Schweiz vorantreibt, ist Dominik Kuhn. Vor zwei Jahren entdeckte er den Sport während eines Aufenthalts in Texas. Zurück in der Schweiz gründete er kurzerhand den «Pickleball Corner» und damit den ersten Pickleball-Shop in der Schweiz. Sein Ziel: Pickleball als festen Bestandteil der Sportszene etablieren. Im Sommer verwandelt sein Team ungenutzte Eisflächen in Pop-up-Spielfelder – mittlerweile in fünf Städten in der ganzen Schweiz. Besonders die Zusammenarbeit mit Schulen sieht der Winterthurer als Schlüssel zum Erfolg: «Durch die frühe Kooperation mit Schulen ist die Nachfrage stark gestiegen.» Er kooperiert bereits mit mehr als 15 Vereinen und ist überzeugt: Pickleball ist auf dem Vormarsch. Dabei ist Pickleball alles andere als neu. Bereits in den 1960er-Jahren erfunden, erlebte der Sport erst in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Lange galt er als Freizeitbeschäftigung für Senior:innen – simpel, wenig athletisch, leicht zu erlernen. Doch dieser Ruf hat sich gewandelt: Bis Ende 2023 spielten in den USA bereits rund 40 Millionen Menschen Pickleball. Ein enormer Anstieg gegenüber den fünf Millionen im Jahr 2021.

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In Winterthur wächst die Pickleball-Szene. (Bild: Marit Langschwager)

Damit ist Pickle laut dem britischen «Economist» derzeit die am schnellsten wachsende Sportart weltweit. Und Winterthur könnte die Erfolgsstory in der Schweiz weiterschreiben. Andrè Müller hat dafür eine Vision vor Augen: «Mein Ziel ist es, dass mehr Hallen ausgebaut werden, damit dort gespielt werden kann und mehr Plauschturniere stattfinden.» Zudem wünsche er sich, dass die Stadt den Sport mehr fördert und Pickleball zukünftig als Schulsport aufgenommen wird. 

Ob sich diese Ziele verwirklichen lassen, wird sich in der kommenden Zeit zeigen. Mit der neuen Anlage, dem wachsenden Interesse und ersten Förderansätzen sind jedoch wichtige Grundlagen geschaffen. Winterthur könnte damit zu einem bedeutenden Standort für Pickleball in der Schweiz werden. Wer schon jetzt loslegen will, kann hier die Spielregeln genauer nachlesen.

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Marit Langschwager verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitete unter anderem bei der NZZ und im SRF-Newsroom. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.

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