Wie viel Zukunft steckt in den Kurzfilmtagen?

Nach dem Wegfall eines zentralen Sponsors stehen die Kurzfilmtage an einem Wendepunkt. Nun entscheidet sich, ob das international gefeierte Festival seine Stärke bewahren kann.

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Die 29. Ausgabe der Internationalen Kurzfilmtage Winterthur startet am 4. November. (Bild: Internationale Kurzfilmtage Winterthur)

«Wenn wir nichts tun, gibt es keine Zukunft – das heisst aber nicht, dass es keine Zukunft gibt», sagt Rudi Gehring, kaufmännischer Leiter der Kurzfilmtage. Dieser Satz bringt die derzeitige Lage auf den Punkt: Das Festival ist international anerkannt, geniesst hohe Sichtbarkeit und ist gleichzeitig auf der Suche nach langfristiger finanzieller Stabilität. Ein zentrales Ereignis in dieser Entwicklung war der Rückzug der Zürcher Kantonalbank.

Nach 25 Jahren als Hauptsponsor hat sich die Bank im Jahr 2024 entschieden, ihr Engagement zu beenden. Die genaue Höhe der Unterstützung könne aus vertraglichen Gründen aber nicht genannt werden. Sollte der Beitrag der ZKB jedoch nicht bald kompensiert werden können, steht die Zukunft der Kurzfilmtage auf dem Spiel.

«Wenn ein Sponsor wegfällt, betrifft das aktuell nicht nur Sonderprojekte, sondern den Betrieb des Festivals», erklärt Gehring. Dem Eindruck, das Festival habe in den vergangenen zwölf Monaten vergeblich nach einem neuen Hauptsponsor gesucht, widerspricht die Leitung. Man habe die Zeit genutzt, um neue Finanzierungsstrategien zu entwickeln, die Eigeneinnahmen zu erhöhen, mit der öffentlichen Hand über Lösungen zu diskutieren und die institutionellen Organe zu stärken.

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«Entweder wir halten die bestehende Grösse oder wir schrumpfen in einen ganz anderen Rahmen. Dann wären wir kein internationales Festival mehr, sondern ein lokaler Filmevent.»

Rudi Gehring, Kaufmännischer Leiter Internationale Kurzfilmtage Winterthur

Erste Massnahmen wurden bereits umgesetzt: «Wir haben erstmals Einreichgebühren eingeführt und die Ticketpreise angehoben», betont der kaufmännische Leiter. Auch Programmsektionen wurden pausiert und reduziert. Trotz dieser Schritte betont Gehring die Notwendigkeit, an der bisherigen Grösse und Qualität festzuhalten: «Entweder wir halten die bestehende Grösse oder wir schrumpfen in einen ganz anderen Rahmen. Dann wären wir kein internationales Festival mehr, sondern ein lokaler Filmevent.» Die Finanzierung des Festivals basiert auf mehreren Säulen: Öffentliche Beiträge von Stadt, Kanton und Bund bilden den Grundstock, ergänzt durch Mittel privater Sponsoren, Stiftungen sowie Einnahmen aus Ticketverkäufen, Einreichgebühren und Dienstleistungen. Wie bei vielen Kulturinstitutionen würden die Eigenmittel jedoch nicht ausreichen, um den Betrieb eigenständig zu sichern.

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Ab August 2024 hat Rudi Gehring (links) die kaufmännische Leitung der Kurzfilmtage Winterthur übernommen und bildet gemeinsam mit dem langjährigen künstlerischen Leiter John Canciani (rechts) deren Co-Direktion. (Bild: Andrin Fretz) (Bild: AndrinFRETZ)

Für 2024 beantragten die Kurzfilmtage eine Erhöhung der städtischen Unterstützung um 100’000 Franken, um mehr Planungssicherheit zu gewinnen und Risiken wie den Wegfall der ZKB abzufedern. Bewilligt wurden 40’000 Franken, gleichzeitig entfiel die Projektförderung von 13’000 Franken – eine Nettoerhöhung von 27’000 Franken. Nach Angaben der Veranstalter stünden dem Festival damit trotz wachsender Anforderungen und steigender Kosten heute weniger Mittel zur Verfügung als noch 2017.

Hinzu kommt: Die internationale Ausstrahlung sei nicht nur Teil des Profils, sondern auch Voraussetzung für Fördermittel, betont der künstlerische Leiter John Canciani. Gleichzeitig sei das Festival strukturell verletzlich: «Es ist wie ein Kartenhaus. Wenn ein Element wegfällt – sei es eine Programmsäule oder ein Sponsor – gerät das Gleichgewicht in Gefahr», so Gehring.

Trotz der angespannten finanziellen Lage bleibt das Interesse am Festival hoch. In diesem Jahr wurden über 5’000 Filme aus der ganzen Welt eingereicht. Rund 60 internationale und Schweizer Produktionen schafften es ins Programm, darunter auch mehrere Weltpremieren. Seit einigen Jahren ist das Festival Oscar-qualifiziert. Ein Beispiel: Der kroatische Film «The Man Who Could Not Remain Silent» von Nebojša Slijepčević, der bei den Kurzfilmtagen lief, wurde 2024 für den Oscar als bester Kurzfilm nominiert. Für Canciani ist das kein Zufall: «Das zeigt, dass internationale Filmschaffende uns als einen guten Ort sehen, um ihre Karriere zu starten.» Ein Umzug der Kurzfilmtage in eine andere Stadt sei nur das allerletzte Szenario. Denn für die Festivalleitung steht fest: «Es ist wichtig, dass es ein Festival wie dieses in der Schweiz weiterhin gibt und wir wollen das gerne hier in Winterthur tun. Winterthur ist ein sehr guter Ort dafür. Nicht nur, weil wir von hier sind, sondern weil die lokale Verankerung für das Festival entscheidend ist.»

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Marit verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitet als Redaktorin im SRF Newsroom und war unter anderem bei der NZZ. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.

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