Was ist der «CSD-Winti» und was unterscheidet ihn von einer Pride?
Am 23. August findet Winterthurs erster Christopher-Street-Day statt – der Gedenktag der queeren Community. Wer jetzt an einen Pride-Umzug denkt, liegt falsch. Zumindest ein bisschen. Doch wo liegt der Unterschied? Und weshalb braucht es den «CSD-Winti»? Ein Gespräch mit den Organisator:innen.
Momentan wummern noch die Bässe der MFW durch die menschengefüllten Gassen der Altstadt. Doch bereits eine Woche nachdem sie verklungen sein werden, steht in Winterthur der nächste laute und bunte Anlass an – der «CSD-Winti». Der Chistopher-Street-Day ist der Gedenktag an die New Yorker Stonewall Aufstände 1969, als sich Besucher:innen der Gay-Bar «Stonewall Inn» einer gewaltvollen Polizei-Razzia widersetzten. Die darauf folgenden Konfrontationen sind ein entscheidender Moment der internationalen queeren Befreiungsbewegung, dem seither mit Demonstrationen und Umzügen gedenkt wird.
Die «Zürich Pride» ist ein Event, der 1994 aus der Geschichte der Stonewall Riots entstanden ist. Die Demonstration am Samstag des Pride-Weekends zieht jedes Jahr Tausende auf die Strassen Zürichs. Der Grossanlass wird von internationalen Konzernen wie Google, Visa oder Holcim gesponsert. Darin mag heute der Hauptunterschied zwischen Prides und CSD-Demonstrationen liegen, auch wenn die Trennlinien sonst nicht immer scharf sind. «Prides sind grösser, kommerzieller und oft weniger explizit politisch», sagt Roger, einer der Mitinitianten des «CSD-Winti». Zusammen mit Elias und Finn, zwei weiteren Organisatoren sitzen wir in der «Badgasse 8», dem Clublokal des queeren Vereins «Wilsch». Im Gegensatz zu einer Pride, sei eine CSD-Demonstration meist klar links, politisch und antikapitalistisch, fährt Roger fort. Es sei toll, dass Prides farbenfrohe Feste seien – die politische Botschaft gehe dabei aber unter. Party, Musik und Konsum stünden im Zentrum. Beim «CSD-Winti» soll das anders sein. «Wir wollen kein Geld von Firmen, wir legen den Fokus auf echte, politische Aussagen», sagt Elias. Das heisst aber nicht, dass beim «CSD-Winit» nicht gefeiert werden dürfe. Auch wenn die Politik im Vordergrund steht, solle die Demo bunt, familienfreundlich und vor allem inklusiv für alle sein.
Dass der «CSD-Winti» eine linkspolitische und antikapitalistische Ausrichtung haben wird, sei von Beginn klar gewesen – auch wenn die ersten Sitzungen noch unter dem Titel «Winti Pride» stattgefunden haben. «Queere Politik ist immer links», sagt Finn. Neben dem politischen Anspruch habe der «CSD-Winti» noch eine weitere wichtige Funktion. In Winterthur gebe es verschiedene queere Gruppen, die bisher aber kaum miteinander im Austausch standen.
Das «Wilsch» ist zwar eine historische Schwulenbar und Treffpunkt, doch nicht alle Menschen der queeren Szene in Winterthur fühlen sich davon angesprochen. Gerade bei nicht cis geschlechtlichen Personen – also Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmt – würde ein eigener Raum fehlen. Der CSD sei ein Versuch, diese Gruppen zusammenzubringen und langfristige Strukturen aufzubauen. Das sei eine grosse Herausforderung, da es nur wenig offizielle Organisationen gäbe. «Vieles läuft über lose Freundeskreise und Chatgruppen», sagt Elias.
«Queere Politik ist immer links»
Finn, Mitorganisator des CSD-Winti
Wie viele Menschen auf der Strasse sein werden, wenn alle diese Gruppen zusammenkommen, sei schwer abzuschätzen, sagt Roger. «Ich tippe auf 1000, es könnten aber auch 2000 sein», meint Elias. «Oder 200», sagt Finn lachend. Welcher Route entlang all diese Menschen am 23. August laufen werden, hat das OK noch nicht bekannt gegeben – unter anderem um die Demo von Störaktionen zu schützen. Die Geschäfte entlang der Route seien aber persönlich informiert worden. Es sei nicht einfach gewesen, die Route zu planen. Denn um die Demo so zugänglich wie möglich zu machen, müssten verschiedene Bedürfnisse berücksichtigt werden. So solle es zum Beispiel für die Rollstuhlgängigkeit nicht zu viele Pflastersteine haben. Auch soll die Route genug Rückzugsräume bieten, für Menschen, die in Menschenmassen überfordert sind, aber trotzdem an der Demo teilhaben möchten. Deshalb wird es an der Demo auch einen «Silent Block» geben. Ganz gerecht werden können die Organisator:innen ihren eigenen Ansprüchen aber nicht. «Die Reden werden alle übersetzt, aber leider haben wir noch niemanden für die Gebärdensprache gefunden», sagt Elias.
«Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen»
Elias, Mitorganisator des CSD-Winti
Der «CSD-Winti» solle ein Anlass sein, an dem sich alle Menschen unabhängig von Herkunft, Alter oder geschlechtlicher Identität wohlfühlen. Doch so farbenfroh dieser Regenbogen ist, Braun ist nicht Teil davon. Denn die Ankündigung, dass Winterthur einen CSD bekommt, ist auf grosse Resonanz gestossen – leider auch auf negative. In den sozialen Netzwerken haben rechtsextreme Gruppen angekündigt, die Demo stören zu wollen. Wie gehen die Organisator:innen des CSD mit dieser Ankündigung um? Man sei sich dessen bewusst und entsprechend vorbereitet, sagt Roger – «Wir lassen uns diesen Tag nicht nehmen.» Die Geschichte habe gezeigt, dass solche Versuche die queere Bewegung nicht stoppen können. In Elias Schlussworten hallt das Echo von Stonewall nach: «Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.»
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.