Von Schlossgespenstern und Hegis
Histörische Mauern, ein Turm und blühende Gärten erwarten dich im Schloss Hegi. Dieses Jahr ist es 800 Jahre alt. Zeit für einen Blick zurück.
Wenn die römische Siedlung «Vitudurum» in Oberwinterthur als Vorläuferin vom heutigen Winterthur zählt, ist unsere Stadt über 2000 Jahre alt. Nicht ganz so alt, aber auch mit Verbindungen zu Oberwinterthur, ist das Schloss Hegi – in diesem Jahr wird es 800 Jahre alt. Für mich Grund genug, ein bisschen in der langen Schlossgeschichte herumzustöbern. Aber keine Angst, das wird keine langweilige Aufzählung von Jahreszahlen, sondern eine kleine Geschichtensammlung zum Schloss Hegi, die du (vielleicht) noch nie gehört hast.
Wir starten um das Jahr 1200 herum. Die Schweiz gibt es noch nicht und unsere Stadt wird erst ein paar Jahrzehnte später offiziell von den Grafen von Kyburg gegründet. Im kleinen Dorf Hegi ist eine Familie mit dem gleichnamigen Namen Hegi durch Verwaltungsgeschäfte reich geworden und in den Adel aufgestiegen. Die neuen Herren von Hegi bauen sich deshalb eine Turmburg als Wohnsitz neben dem Dorf. Der Turm ist heute noch das einzige Element des Schlosses, das seit Beginn erhalten geblieben ist. Damit ist er der älteste erhaltene Wohnturm im Kanton Zürich. Die Lage des Schlosses ist überraschend. Nicht auf einem stolzen Hügel wie die Kyburg oder Mörsburg und auch nicht an einer bedeutenden Handelsstrasse. Der Einfluss der Schlossherren bleibt denn auch bescheiden in der Region.
Der Historiker Peter Niederhäuser beschäftigt sich seit langem mit dem Schloss Hegi und führt immer wieder Besuchende durchs Schloss. «Historisch gesehen war das Schloss Hegi nur für Oberwinterthur von Bedeutung», erklärt er und fügt an: «Seine Blütezeit erlebten die Hegis etwa um 1500.» Damals wird ein gewisser Recke von Hegi von den Kyburgern zum Ritter geschlagen. Das bringt ihm aber kein Glück, wenig später bricht Streit mit den Bauern aus Hegi aus, um das Schloss wird gemordet und gestritten. Ende des Mittelalters stirbt der letzte Vertreter der Hegi-Dynastie. Sein Schwiegersohn Jakob von Hohenlandenberg übernimmt und baut den Wohnturm zum heutigen repräsentativen Schloss um.
1587 kauft die Stadt Zürich das Schloss und lässt dort ihre Landvögte wohnen. Auch die Stadt Winterthur hätte ihren Einflussbereich gerne in Richtung Hegi erweitert. Doch das gefällt dem rivalisierenden Zürich nicht und so schnappt die Stadt Zürich den Winterthurern das Schloss vor der Nase weg. Mit der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts ändern sich die Verhältnisse wieder. Der Adel wird abgeschafft, nun ist die Gemeinde Hegi für ihr Schloss zuständig. Das funktioniert aber nur mässig, in dieser Zeit verlottert das Schloss. Bis 1915 ein weiterer Hegi das Schloss kauft: Friedrich Hegi. Dieser ist zwar mit den ursprünglichen Herren von Hegi nicht verwandt, aber sein Name verpflichtet doch. Für das Schloss ist das ein Glücksfall:
«Friedrich Hegi hat 1915 nicht nur das Schloss gekauft, sondern auch den Grüngürtel drumherum. Deshalb ist auch der Park erhalten geblieben und nicht überbaut worden.»
Peter Niederhäuser, Historiker
Der Geschichtsprofessor Friedrich Hegi lässt das Schloss möglichst originalgetreu sanieren und richtet ein Museum darin ein. Lange ist er nicht Schlossherr. Nach seinem Tod kauft 1947 die Stadt Winterthur das Schloss. Nun wird sie doch noch Schlossherrin. Ein Museum gibt es nicht mehr, die Stadt betreibt von 1953 bis 2000 eine offizielle Jugendherberge im Schloss. Damals wie heute wird das Schloss wegen seines grünen Umschwungs und der Funktion als Quartiertreff geschätzt.
«Heute ist das Schloss Hegi ein Quartierzentrum, eine grüne Oase und ein Fixpunkt für Hegi. Im Schlossverein engagieren sich viele Freiwillige für ein lebendiges Schloss», erzählt Peter Niederhäuser. Ein Besuch lohne sich immer, denn das Interieur aus dem 16. Jahrhundert sei besonders gut erhalten und deshalb einzigartig. Natürlich seien die Kyburg und die Mörsburg auch interessant, aber:
«Die Besonderheit des Schlosses Hegi ist die Erreichbarkeit, weil das Schloss in der Stadt steht. Die Kyburg oder die Mörsburg sind viel schlechter erreichbar von der Stadt her.»
Peter Niederhäuser, Historiker
Auch der vom Schlossverein wiederbelebte Schlossgarten ist einzigartig und zieht Pflanzenliebhaber:innen von weit her an. Ein Ausflug zum Schloss Hegi lohnt sich also auch für all jene, die in dieser grünen Oase einfach eine Auszeit vom hektischen Alltag suchen.
Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.