Von der Deklarationspflicht bis zur Bildschirmüberwachung: So begegnen Winterthurs Hochschulen der KI
Ob Hausarbeit oder Online-Prüfung – KI ist längst Teil des Studienalltags. Doch wie erkennen Hochschulen, wer hier noch selbst denkt? In Winterthur setzt man auf Kontrolle, klare Regeln und neue Prüfungsformen.
«Manchmal nutze ich KI für eine Textzusammenfassung, wenn’s schnell gehen muss oder bei schriftlichen Arbeiten», sagt ZHAW-Student Mirko. Er will lieber anonym bleiben. Tatsächlich würde er solche Sätze immer häufiger auf dem Campus hören. Ob für Hausarbeiten, Prüfungsvorbereitungen oder zum Erklären komplizierter Themen – KI-Tools sind längst fester Bestandteil des Studienalltags geworden.
Laut einer internationalen Umfrage verwenden inzwischen 86 Prozent der Studierenden weltweit KI. Seit der Lancierung von ChatGPT vor drei Jahren hat sich auch an Schweizer Hochschulen vieles verändert. An der ZHAW zum Beispiel setzen Dozierende inzwischen themenspezifische Lernbots ein – etwa für Physik oder Recht, wie Thomas Schläpfer, Leiter der Medienstelle, erklärt. Diese dienen dazu, fachliche Inhalte zu erklären oder Lernprozesse zu unterstützen. Gleichzeitig wächst die Sorge vor unsichtbarem KI-Einsatz und Plagiaten. Die ZHAW hat deshalb klare Richtlinien geschaffen, um den Umgang mit KI transparent zu regeln.
Der Grundsatz lautet: Der Einsatz von KI ist erlaubt – sofern er deklariert wird. Besonders bei unbeaufsichtigten Arbeiten wie Semester- oder Hausarbeiten dürfen Studierende generative KI nutzen, müssen dies aber offenlegen. Die sogenannte Deklarationspflicht soll Transparenz schaffen und die Eigenverantwortung stärken.
Anders bei beaufsichtigten Prüfungen: Hier ist KI nur erlaubt, wenn sie ausdrücklich vorgesehen ist. Um den KI-Einsatz bei digitalen Prüfungen kontrollierbar zu machen, verwendet die ZHAW eine Software, die Bildschirmaktivitäten dokumentiert. «So schaffen wir faire und objektive Bedingungen für alle», erklärt Fabian Jasper-Möller, Experte für digitale Prüfungen.
Die Regeln wurden laut Schläpfer insgesamt gut aufgenommen – auch wenn es anfangs Unsicherheiten gab. «Gerade bei der Deklaration tauchten viele Fragen auf.» Auch Mirko kennt diese Unsicherheit: «Bei Prüfungen ist klar geregelt, was erlaubt ist. Bei schriftlichen Arbeiten ist es oft nicht so eindeutig – da stellt sich schnell die Frage: Wo liegt die Grenze?» Zudem, so meint er, gebe es Studierende, die sich gar nicht erst mit den Regeln befassen möchten. «Aber das ist dann ihre Verantwortung.»
Neben Richtlinien setzt die ZHAW auch auf neue Prüfungsformate – ein Trend, der sich an vielen Hochschulen abzeichnet. So prüft etwa die Universität Zürich, Doktorarbeiten künftig mündlich zu bewerten. Die ZHAW, mit ihrem Fokus auf berufsnahe Studiengänge, setzt bereits länger auf praktische und mündliche Formate. Verteidigungen gehören bei Bachelor- oder Masterarbeiten zum Standard. In einzelnen Fachbereichen gibt es strukturierte Zwischengespräche, um den Entstehungsprozess besser nachvollziehen zu können.
Dabei gehe es nicht primär um Kontrolle, sondern darum, Eigenleistung, Verständnis und Reflexion sichtbar zu machen. «Mündliche Formate ermöglichen es, gezielt nachzufragen und das inhaltliche Verständnis zu überprüfen», betont Schläpfer. Ausserdem würden damit auch die echten Lernprozesse gefördert.
«KI kann beim Formulieren helfen – denken, prüfen und den richtigen Ton treffen müssen die Studierenden weiterhin selbst.»
Reto Salzmann, Mitbegründer und Dozent FSWI
Um Missbrauch und Täuschung zu vermeiden, setzt auch die Fachschule für Wirtschaft und Informatik (FSWI) neben der Deklarationspflicht auf einen ausgewogenen Mix aus KI-gestützten und klassischen Leistungsnachweisen. So arbeiten Studierende beispielsweise mit KI-Tools, um Geschäftsideen zu entwickeln, müssen diese aber zusätzlich mündlich präsentieren und sich kritischen Rückfragen stellen. Entscheidend sei dabei nicht der Output der KI, sondern die fachliche Tiefe und das Verständnis, betont Reto Salzmann, Mitgründer und Dozent an der FSWI.
Auch beim Verfassen von Geschäftstexten – etwa E-Mails oder Briefen – kommt KI unterstützend im Unterricht zum Einsatz. Die Studierenden sollen so lernen, den generierten Inhalt kritisch zu überarbeiten sowie auf den Stil und die fachliche Korrektheit zu achten. «KI kann beim Formulieren helfen – denken, prüfen und den richtigen Ton treffen müssen die Studierenden weiterhin selbst», betont Salzmann. Mirko sieht das ähnlich: «Ich würde nie alles eins zu eins übernehmen.» Die Sorge, dass das auffliegt, sei zu gross und letztlich müsse man den Stoff ja trotzdem selbst verstehen. Denn ob mit oder ohne KI: Das Denken bleibt Aufgabe der Studierenden.
Marit verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitet als Redaktorin im SRF Newsroom und war unter anderem bei der NZZ. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.