US-Zölle treffen die Industrie unterschiedlich hart

Seit vergangenem Donnerstag ist es eine beschlossene Sache: Für die Schweiz gilt seit dem 7. Januar ein Zollsatz von 39 Prozent. Und schon jetzt reagieren erste Firmen auf die neu geltenden Zölle. Doch wie wirkt sich das auf Winterthur und seine Industriebetriebe aus?

Die Wirtschaft gleicht manchmal einem präzisen Uhrwerk – ein einziger Impuls kann die ganze Mechanik aus dem Takt bringen. Vergangenen Donnerstag kam so ein Impuls aus Washington: US-Präsident Donald Trump kündigte neue Zölle an. Während in Winterthur die Maschinen ratterten, kam aus Washington die Zoll-Bombe: 39 Prozent auf Schweizer Waren in den USA. Für viele Schweizer Firmen war die vergangene Woche eine Berg- und Talfahrt. Laut dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse stellen die neuen Zölle eine erhebliche Belastung für die Wirtschaft dar – mit potenziell gravierenden Folgen für tausende Arbeitsplätze.

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Haben die US-Zölle weitreichende Folgen für Winterthur als Wirtschaftsstandort? (Bild: Marit Langschwager) (Bild: Marit Langschwager)

Ein Blick auf die grossen Industriebetriebe in Winterthur zeigt jedoch, dass nicht alle gleichermassen betroffen sind. Sulzer etwa rechnet nur mit geringen direkten Einbussen:  «Wir gehen davon aus, dass die Zölle auf Sulzer direkt eine geringfügig negative Auswirkung haben», betont die Kommunikationsverantwortliche Marlène Betschart. Sulzer erwirtschaftet 80 Prozent des US-Umsatzes in den Vereinigten Staaten selbst, was die Zollbelastung reduziert. Für den restlichen Anteil suche das Unternehmen nach Wegen, die zusätzlichen Kosten entweder durch günstigere Beschaffung oder durch höhere Preise für die Kund:innen auszugleichen.

Etwas anders liegt der Fall bei Burckhardt Compression. Der Hersteller und Wartungsanbieter von Kolbenkompressoren erwirtschaftet etwa zehn Prozent seines Umsatzes in Nordamerika, erklärt Stefan Hoher. Das Unternehmen investiere seit Jahren in den US-Markt. «Auf die einzelnen Szenarien werde ich nicht eingehen, zumal auch die aktuellen 39 Prozent nur temporär zu sein scheinen.» Der grössere Teil des Geschäfts stamme jedoch aus dem Servicebereich und sei somit weniger zollrelevant. Sollte es dennoch nötig werden, könne die Produktion teilweise in die USA verlagert oder lokal eingekauft werden. An den Investitions- und Personalplänen ändere sich vorerst nichts. Tobias Keller, CEO von Keller Pressure, sieht dem Zoll-Hammer gelassen entgegen. Dabei stammen rund 23 Prozent des Firmenumsatzes – etwa 22 Millionen Franken – aus dem US-Geschäft. «Wir stellen sehr spezialisierte Produkte her, die oft schwer ersetzbar sind, da sie teils einen langen Entwicklungsprozess haben», sagte Keller zuvor gegenüber dem Landboten. Zudem gebe es mit den Kund:innen klare Abmachungen: Steigen die Zölle, werden die Preise automatisch angepasst. Der Aufschlag werde allerdings nicht die vollen 39 Prozent betragen. Denn in der US-Niederlassung werden Teile aus der Schweiz weiterverarbeitet. Die Zölle fallen daher voraussichtlich nur auf den Import aus der Schweiz an, nicht auf die zusätzliche Arbeit vor Ort.

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Die Trump-Regierung hat der Schweiz hohe Zölle auferlegt. (Bild: Marit Langschwager) (Bild: Marit Langschwager)

Die Kistler-Gruppe blickt der Entwicklung hingegen mit mehr Skepsis entgegen. Kurzfristig erwartet der Hersteller von Sensoren und Messtechnik laut Cara-Isabell Maercklin eine leichte Abkühlung des Schweizer Wirtschaftswachstums. Für die Firma, deren US-Geschäft rund 15 Prozent des Umsatzes ausmache, seien die US-Zölle zwar belastend, jedoch nicht existenzbedrohend. Schwerer wiege aus Sicht der Führungsetage jedoch das Risiko einer mittelfristigen Abschwächung des US-Binnenmarkts, bedingt durch steigende Inflation, höhere Kosten, Lieferengpässe und sinkende Konsumfreude. «Eine nachhaltige Abkühlung in den USA würde das globale Geschäft von Kistler spürbar belasten – unter der Annahme, dass die globalen Zölle über das Jahr 2025 hinaus so bestehen bleiben», sagt Maercklin. 

Im Wirtschaftsraum Winterthur sind laut dem aktuellen Geschäftsbericht von House of Winterthur derzeit 13.852 Unternehmen ansässig. Viele von ihnen betonen auf Anfrage, dass sie kaum oder gar nicht in die USA exportieren und daher von den neuen Zöllen nicht betroffen seien. Somit zeigt ein erster Blick, dass die Zoll-Panik weitestgehend in vielen Betrieben ausbleibt. Unterdessen will der Bundesrat die Gespräche mit den USA fortsetzen, um möglichst rasch eine Senkung der zusätzlichen Abgaben auf Schweizer Güter zu erreichen.

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Marit verdiente ihre Sporen im Lokaljournalismus bei der «Neuen Westfälischen» ab. Sie wohnt in Winterthur und arbeitete unter anderem bei der NZZ und im SRF-Newsroom. Vom Pressedienst der russischen Botschaft wurde sie schon als «wenig bekannte, junge Journalistin» abgekanzelt – eine unzweifelhafte Ehre, finden wir.

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