Über 100 Meter musst du gehn
Am 28. September stimmen wir darüber ab, ob es an der Paulstrasse ein weiteres Veloparking geben soll. Parkiert wird darin nicht sofort, aber benötigt wird es auf jeden Fall, sagt Stadträtin Christa Meier.
Mit dem Velo am HB parkieren ist wie eine Schachtel Pralinen: Man weiss nie, was man kriegt. Mit etwas Glück vielleicht einen der begehrten Oberflächen-Parkplätze, mit Anstrengung immerhin einen Platz im Doppelstöcker. Und wer die Praline mit der kandierten Orange drin erwischt, muss ins Veloparking. Wäh!
Aber ja, auch ich bin schon die Rampe der Esse hochgestrampelt. Wer muss, der muss. Denn zwei Dinge sind unbestritten: Es leben immer mehr Menschen in Winterthur, die gerne Velo fahren. Gleichzeitig gibt es am Bahnhof zu wenig Abstellplätze. Das erkannte die SP schon 2014 und lancierte eine Initiative, die 6000 Parkplätze rund um den Bahnhof forderte ‒ bis 2020. Angenommen wurde schliesslich der Gegenvorschlag des Stadtrats, seither steht die Zahl 7200 in Richtplan. Bis 2030.
Die Stadt blieb nicht untätig. Der Pedaleur:in stehen heute Plätze auf praktisch allen Zubringerstrassen zum Bahnhof zur Verfügung, dazu die kostenlosen Parkings Esse mit 550 und Kesselhaus mit 150 Plätzen. Drei kostenpflichtige Velostationen in unmittelbarer Nähe zu den Gleisen bieten erhöhte Sicherheit und Parkgarantie für 150 Franken pro Jahr.
«5600 plus minus» seien es heute, sagte SP-Bauvorsteherin Christa Meier. Hinzukommen sollen nun weitere 750, um das Ziel zu erreichen ‒ im Untergeschoss der Paulstrasse 12, einem ehemaligen Bürogebäude der Axa. Vor diesem empfing die Stadträtin gestern einige Medienschaffende. «Es ist eine Chance, die man packen muss», sagte sie. Denn Platz rund um den Bahnhof ist rar. Die Axa habe ein gutes Angebot gemacht. Die Versicherung baue das Büro- zu einem Wohngebäude um und habe keine Verwendung für die Tiefgarage.
Das Parlament hatte den Kredit zur Miete und zum bedarfsgerechten Ausbau im Januar mit einer deutlichen Mehrheit (33 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung) genehmigt, doch die Bürgerlichen ergriffen das Referendum. Am 28. September kommt deshalb das Stimmvolk an der Urne zum Zug.
Insgesamt geht es um 5,5 Millionen Franken ‒ oder 365 Franken pro Parkplatz und Jahr. Immer noch viel Geld, fand Romana Heuberger (FDP) in der Ratsdebatte. Die Präsidentin der Kommission nannte als Vergleich 220 Franken. So viel koste ein Parkplatz pro Jahr in der Esse. Und wären ein paar neue Veloständer an der Rudolfstrasse nicht günstiger? Am Ortstermin mochte sich Christa Meier nicht auf einen Preisvergleich zwischen den Parkierungsmöglichkeiten einlassen. Oberflächenparkplätze stünden zwar auf öffentlichem Grund, diese Kosten müsste man aber theoretisch einpreisen. Zudem gelte es ‒ gerade im Fall Rudolfstrasse ‒ die Bedürfnisse der Fussgänger:innen zu berücksichtigen.
Nebst den Kosten beanstandeten die Bürgerlichen vor allem die Distanz zum Bahnhof. Diese sei bis zur Unterführung aber etwa gleich wie vom Esse-Parkhaus her, sagte Christa Meier. Letzteres stehe zu Spitzenzeiten bei einer Auslastung von 60 bis 70 Prozent. Das etwas weiter entfernte Kesselhaus-Parking kommt gerade einmal auf 20 bis 30 Prozent. Doch: «Es ist nötig, dass die jetzt noch nicht voll sind», sagte die Bauvorsteherin im Hinblick auf die noch kommende Nachfrage.
Künftig heisst es dann wohl: Wer zuerst kommt, parkt zuerst. Oder, wie Markus Nater (GLP) in der Ratsdebatte sagte: «Wenn ich erst um acht Uhr zum Bahnhof fahre, dann weiss ich, dass ich eher weit weg parkiere.» Die Entfernung zwischen Veloparking und Zielort sei zwar ein entscheidendes Element, sagt Jonas Meli, Doktorand am Institut für Verkehrs- und Mobilitätsplanung an der ETH. Aber Faktoren wie Sicherheit, Zugänglichkeit und Pflege könnten eine längere Gehdistanz zumindest teilweise kompensieren. Auch eine gute Einbettung in das Velokonzept der Stadt sei wichtig: «Wenn viele Personen über die Veloroute Wülflingen zum Bahnhof fahren, könnte dies den Nachteil der grösseren Distanz etwas abmildern.»
«Personen mit teuren Velos sind eher bereit, einen längeren Fussweg in Kauf zu nehmen, wenn dafür eine sichere Abstellmöglichkeit vorhanden ist.»
Jonas Meli, Institut für Verkehrs- und Mobilitätsplanung ETH
In die gleiche Kerbe schlug Livia Merz (SP) im Rat: «Es macht Sinn, gewisse Ausstattungen wie Schliessfächer oder Steckdosen für E-Bikes einzuplanen, damit das Veloparking eben auch attraktiv wird und die Pendler:innen die etwas weitere Distanz zu den Gleisen in Kauf nehmen.» Trotzdem beschloss das Parlament Kürzungen über 300’000 Franken beim Ausbaustandard.
Ob die Winterthurer:innen unter der Paulstrasse 12 parkieren können, wird am 28. September entschieden. Ob sie dort auch parkieren werden, frühestens 2028. Dann würde das Parkhaus eröffnet.
Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.
Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.