Sekschülerin startet Petition für Busverbindung nach Stadel
Wirft man einen Blick auf den Linienplan von Stadtbus Winterthur, sieht man von der Aussenwacht Stadel keine Spur. Hinter Reutlingen präsentiert sich ein ÖV-technisches Niemandsland. Bereits 1979 wollte das der Ortsverein Stadel-Grundhof ein erstes Mal ändern. Zahlreiche Versuche später hat Stadel noch immer keine Busverbindung. Die Sekschülerin Patrizia aus Stadel lässt sich davon aber nicht einschüchtern und hat eine Petition für eine Busverbindung an den Stadtrat gerichtet. Wir haben sie getroffen.
Dafür habe ich mich natürlich aufs Velo geschwungen. Denn die nächste ÖV-Haltestelle ist in Reutlingen und zwei Kilometer entfernt von Stadel. Das sind 25 Minuten Fussmarsch, die ich mir erspare. In Stadel öffnet mir die 13-jährige Patrizia die Türe. Patrizia geht in Wallrüti in die zweite Sek und sagt: «Heute Morgen war genau so ein Regentag, an dem ich gerne mit dem Bus nach Wallrüti gefahren wäre». Und: «Gefühlt überall hat es eine Bushaltestelle, ausser bei uns.» Neben Stadel haben auch die Winterthurer Aussenwachten Neuburg, Rossberg und Ricketwil keine ÖV-Anbindung. Stadel hat jedoch einige Einwohnende mehr. Patrizia wollte sich unbedingt für eine Busverbindung einsetzen. Mithilfe einer ehemaligen Nachbarin hat sie den Petitionstext entworfen und mit einer Kollegin zwei bis drei Wochen lang Unterschriften im Dorf gesammelt. Mit schnellem Erfolg: «Die meisten haben sofort unterschrieben und nur wenige nicht, wahrscheinlich, weil sie eh immer mit dem Auto fahren», erzählt sie. Insgesamt hat ein Drittel der Bevölkerung in Stadel unterschrieben.
Christine, die mit ihrer Tochter bei Patrizia zu Besuch ist, verfolgt den Kampf um eine Busverbindung schon lange. Auch sie wohnt in Stadel und nimmt, wenn sie weg muss, den Zug in Reutlingen: «Wer aber die zwei Kilometer bis zum Bahnhof nicht mit dem Velo oder zu Fuss machen kann, der ist einfach isoliert», sagt sie. Und denkt vor allem an die älteren Leute: «Alle haben hier ein bis zwei Autos und auch die 93-Jährige fährt hier noch, weil es halt nicht anders geht.» Von der Stadt habe man schon lange keine guten Antworten auf das ÖV-Anliegen mehr bekommen. Die letzten Nachrichten gab es 2024, als die Stadt ein Pilotprojekt startete: E-Trottis und E-Velos am Bahnhof Reutlingen sollten Stadel besser erreichbar machen. Dort jedoch kam die Idee schlecht an: «Das war eher ein Affront für uns und kam daher wie ein Beruhigungsmanöver», erzählt Christine. Und fügt an: «Die 93-Jährigen können das nicht machen». Mittlerweile sei die Trotti- und Velostation sowieso leer, da sie nicht gewartet werde. Und auch im Stadtparlament ist Stadel immer wieder wegen dem ÖV ein Thema, zuletzt fragte Marcel Graf (SVP) den Stadtrat nach einer ÖV-Verbindung nach Stadel (WNTI berichtete).
Patrizia wusste, dass vor ihr schon einiges unternommen wurde, um endlich eine Busverbindung nach Stadel zu bringen. Vor allem der Quartierverein Stadel-Grundhof forderte dies immer wieder von der Winterthurer Politik. 2010 war man dem Ziel am nächsten: Der Winterthurer Gemeinderat verabschiedete ohne Gegenstimme eine Motion für eine Busverbindung nach Stadel. Das Projekt versandete jedoch und Schuld daran war laut Stadtrat die Kostenfrage. Denn der Kanton zahlt erst ab 300 Leuten mit, die von dem Schliessen einer Verkehrslücke profitieren könnten. Die Stadt Winterthur geht deshalb auch heute davon aus, dass bei Stadtbus Mehrkosten entstehen würden. Sie müssten durch die Stadt oder den Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) getragen werden. In der Antwort des Stadtrates auf die Petition von Patrizia heisst es, dass der Stadtrat derzeit eine Kostentragung «aus finanziellen Gründen» ausschliesst. Und auch der ZVV könne aufgrund der Finanzlage und der Vorgaben nicht mitfinanzieren.
«Somit kann das Begehren frühestens im Fahrplanverfahren 2029/30 behandelt werden»
Antwort des Stadtrates auf die Petition
Der Stadtrat verneint den Wunsch der Stadler:innen also nicht komplett. In einer für Patrizia nützlichen Frist wird sich aber wohl nichts ändern. «Ich bin ja nur noch zwei Jahre in der Schule. Bis dahin reicht es wohl nicht für einen Bus», meint sie. Trotzdem habe sie noch immer vorsichtige Hoffnung: «Ich habe nicht gedacht, dass es schnell funktioniert, aber ich musste es mal versuchen. Und vielleicht hören sie ja auf eine 13-Jährige».
Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.