Es leuchtet bunt in Winterthur

Gefühlt bin ich zurzeit nur im Dunkeln unterwegs. Hell wird es erst gegen acht Uhr und dunkel bereits um halb fünf. Einen Vorteil hat die Dunkelheit: Gestern bin ich mit dem Velo erstaunt an einem beleuchteten Mini-Sulzerhochhaus vorbeigefahren. In Winterthur leuchten derzeit Adventsfenster in 18 Quartieren. Es wird Zeit, dem erstaunlich jungen Brauch auf den Grund zu gehen.

IMG_8100
Von der Winterthurer Skyline inspiriert: ein Adventsfenster im Tössfeld. (Bild: Gioia Jöhri)

Adventsfenster sind wie ein begehbarer Adventskalender. Von Reutlingen über das Vogelsang-Quartier bis nach Dättnau (siehe Adventsfenster-Liste weiter unten) kann man jeden Tag ein neues Türchen, oder in diesem Fall Fensterchen, entdecken. Laut Kulturwissenschaftler Dominik Wunderlin, der sich in einem Buch mit Schweizer Weihnachtsbräuchen auseinandergesetzt hat, sind Adventsfenster eine jüngere Weihnachtstradition: Belege dafür gebe es frühstens seit 1985. Erfunden haben es mit grösster Wahrscheinlichkeit die Aargauer:innen, 1986 gab es in Othmarsingen bereits Adventsfenster. Auch in Winterthur gehören sie seit den 1980ern dazu, wie ein Bild vom heutigen UBS-Gebäude an der Stadthausstrasse aus der Sammlung Winterthur beweist. Wie lange genau, ist schwierig zu sagen. Sicher aber ist, dass die Tradition seit mindestens 20 Jahren besteht. So lange nämlich leuchten Fenster bereits im Quartier Eichwäldli in Oberwinterthur.

00-FotCVJA_000053
Die  Schweizerische Volksbank hatte in den 1980er Jahren sogar 24 Adventsfenster gleichzeitig. (Bild: Sammlung Winterthur)

«Wir hatten auch schon eine Geschenkmaschine oder eine Elfenschlittelbahn.»

Marc Fischer, Mitgründer der Adventsfenster im Quartier Eichwäldli

Im Quartier Eichwäldli zwischen Frauenfelderstrasse und dem Bahnhof Wallrüti hat gestern die Familie Czybik-Herzog zur Eröffnung ihres Adventsfensters eingeladen. Es ist kein klassisches Fenster mit Seidenpapier, sondern eine Holzschnitzerei. Marc Fischer brachte zusammen mit weiteren Mitstreiter:innen die Adventsfenster vor 20 Jahren ins Quartier und sagt, dass die Kunstwerke natürlich nicht unbedingt Fenster sein müssen: «Wir hatten auch schon eine Geschenkmaschine und eine Elfenschlittelbahn», sagt Marc Fischer lachend. Die Adventsfenster hatten schnell Erfolg. «Damals war das Quartier im Winter tot. Wir wollten die Leute aus den Häusern holen», erzählt er.

IMG_8107
Die Geselligkeit um die Adventsfenster tut gut im Winter. (Bild: Gioia Jöhri)

Gastgeber Ronald Herzog freut sich über die vielen Apérobesuchenden: «Die Geselligkeit macht es aus. Wir sind selbst vor elf Jahren zugezogen und haben an den Apéros damals gleich Anschluss gefunden». Bettina Dohr organisiert für den Quartierverein Eichwäldli seit zwei Jahren die Adventsfenster mit. Man habe einen guten Mix an Alteingesessenen und jungen Familien und Neuzuzüger:innen, die Adventsfenster gestalten. «Es steckt unglaublich viel Herzblut drin», erzählt Dohr. Nicht immer sei es gleich einfach, die Leute zum Mitmachen zu bewegen. «Es gibt schon auch Jahre, in denen wir nicht alle Tage abdecken konnten, aber dieses Jahr sind wir vollzählig», sagt Dohr.

IMG_8103
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. (Bild: Gioia Jöhri)

Auch in anderen Quartieren ist es meist der Quartierverein, der sich um die Organisation der Adventsfenster kümmert. Nur in Veltheim ist es der Familienverein, der je für den oberen und den unteren Teil des Dorfes eine Liste mit den Fenstern führt. WNTI hat für dich alle Quartierzeitungen und Vereinsinternetseiten nach Adventsfenstern durchsucht und in einer Übersicht zusammengetragen.

Die Liste mit den Adventsfenstern findet sich im Wintibrief vom 11. Dezember 2025.

WNTI-Portrait-Gioia-Joehri

Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Michael
11. Dezember 2025 um 05:51

Volksbank-Adventswettbewerb

Die Schweizerische Volksbank lud in den 80er Jahren Kinder ein, für die Adventszeit ein Fenster zu gestalten. Das dafür nötige Seidenpapier durfte man bei der Bank abholen. Für die Teilnahme und die schönsten Fenster gab es dann kleine Preise. Als Kind nahm ich selber mehrfach an diesem Wettbewerb teil. Es war ein schöner Brauch!