Seit zehn Jahren tanzen und torkeln Studis im Türmli

Morgen Abend feiert die Türmli-Bar ihren ersten runden Geburtstag, präsentiert Geschichten aus zehn Jahren und es gibt etwas zu gewinnen bei Spielen wie «Öpfelringli-Hüftschwung». Ein guter Anlass, das geschichtsträchtige Haus und seine Kellerbar einmal nicht im schummrigen Licht, sondern im Rückblick zu betrachten.

Türmli-Haus
Das Türmli läutet jeden Donnerstag das Wochenende der Studis ein. (Bild: Nina Schneider)

Bevor es die Türmli-Bar gab, betrieb Alias (damals VSZHAW), der Studierendenverband der ZHAW, eine Bar im Keller des Hauses. Es hätte ein trauriger Tag für die Winterthurer Studierendenszene werden können, als diese Brainstorm-Bar verkündete, nie wieder zu öffnen. Vier junge Menschen wollten das nicht einfach so hinnehmen und nahmen den Barbetrieb im Keller selbst in die Hand.

Die Gründung des Vereins Türmli-Bar war ein impulsiver Bauchentscheid. Am 23. April 2015, knapp einen Monat nach dem Ende des Vorgängers, öffneten die vier Gründer:innen erstmals die Kellertüren für Gäste. «Wir haben die Leute einfach hineingelassen», erinnert sich Philipp Schwarz, einer der Mitgründer. Er lebte damals mit über 30 anderen im Türmlihus und war zuvor selbst als Helfer bei Brainstorm aktiv gewesen. Die Anfänge der Türmli-Bar waren «eher unorganisiert», wie sich der heute 34-Jährige schmunzelnd erinnert.

Türmlibar
Vor 160 Jahren befand sich hier eine Schuhfabrik. (Bild: Nina Schneider)

Anfangs hielten gerade einmal fünf Leute den Betrieb am Laufen. Zehn Jahre später sind es über zwanzig gelegentliche Helfende, die wissen, wie Donnerstage in der Türmli-Bar ablaufen. Inzwischen gibt es Anleitungen, und Dokumente würden sorgfältig archiviert, sagt Schwarz.

Bis heute laufe alles ehrenamtlich, mehrheitlich organisiert von Studierenden. Bis auf drei Semester habe die Bar stets schwarze Zahlen geschrieben. Den Gewinn sowie knapp 25’000 Franken Spenden seien investiert und so die Kellerbar laufend ausgebaut und renoviert worden.

Seit 1977 leben an der Technikumstrasse Studierende. Eine Wohngemeinschaft bringt wohl immer organisatorische Schwierigkeiten mit sich. Doch was, wenn sich der Keller wöchentlich in ein Partylokal verwandelt, und nicht zwei oder drei, sondern über 30 Mitbewohnende zur selben Zeit duschen wollen?

«Das Türmli funktioniert wie ein kleines Dorf.»

Philipp Schwarz, Mitgründer Türmli-Bar

Im Türmlihus verwaltet die studentische Wohngenossenschaft WOKO die 32 Zimmer, doch die Bewohnenden suchen sich selbst aus, wer einziehen darf. Das Zusammenleben organisiere sich basisdemokratisch, an den jährlichen Sitzungen finden die Abstimmungen per Handheben statt. Nur beim Zimmerwechsel wird es hierarchisch: Wer länger da ist, darf zuerst wählen.

«Das Türmli funktioniert wie ein kleines Dorf», sagt Philipp Schwarz. «Mit drei Restaurants, einer Aussichtsplattform, einer Bibliothek und einem grossen Gemeinschaftssaal.» Zwar keine «richtigen» Restaurants, sondern drei Küchen, dafür aber eben noch eine Bar im Keller. Was für die Bewohnenden des Erdgeschosses bedeutet, dass sie ihr WC am Donnerstag mit bis zu 50 anderen teilen müssen.

Töggele in der Türmli-Bar
Wer beim Billard nicht glänzt, brilliert vielleicht beim Töggele. (Bild: Nina Schneider)

Wie der Architekturführer Winterthur zeigt, reicht die Geschichte des Hauses weit zurück: Der halbrunde Turm ist der letzte noch erhaltene Wehrturm der Winterthurer Stadtbefestigung aus dem 12. Jahrhundert. Dieser wurde dann im 18. Jahrhundert in ein Wohnhaus integriert, später von einem der wohlhabendsten Winterthurer seiner Zeit, dem Erfinder und Geschäftsmann Jakob Ziegler-Pellis aufgestockt und 1959 von der Stadt übernommen, so die Zusammenfassung im Winterthur Glossar. Im Auftrag der Stiftung für studentischen Wohnraum machte der Architekt Hans Rudolf Lanz das Gebäude für Studierende bewohnbar – inklusive Veranstaltungs- und Konzertkeller.

Ein Turm, ein Haus, eine WG und eine Bar: «Wir möchten eine offene und wertschätzende Umgebung schaffen», sagt Philipp Schwarz. Egal ob Physiotherapeuten, Maschinenbauerinnen, Architektinnen oder Journalisten – im Türmlihus finden ZHAW-Studierende aller Departemente zusammen. Geschichte schreibt es schon lange. Seit zehn Jahren kommen jeden Donnerstag neue dazu, die die Besuchenden verbinden – und genau das feiert das Türmli dieser Tage.

WNTI-Portrait-Nina-Schneider

Fast wäre Nina ausgewandert und würde heute vermutlich in einer Londoner Szene-Bar Cocktails mischen. Zum Glück machte ihr die Pandemie einen Strich durch die Rechnung – den sie schlussendlich nie bereute. Sie hat ein Praktikum bei tsüri hinter sich und bald auch das Journalismus-Studium an der ZHAW.

In sentimentalen Momenten sagt sie: «Winterthur ist der erste Ort, an dem ich mich richtig zuhause fühle.» Vermutlich ist es dieses Gefühl, das sie zu einer Lokaljournalistin durch und durch macht.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare