Seit 40 Jahren Aktivist für den Frieden
Christoph Schürch sorgte in seiner Jugend mit spektakulären Aktionen für Aufmerksamkeit, gründete das «Haus der Solidarität Nord-Süd» mit und organisiert die Mahnwache für Gaza. Gestern war er im «Stadtalk» zu Gast.
Er war in seinem Leben schon vieles. Christoph Schürch ist ausgebildeter Pflegefachmann, Sterbebegleiter und Trauerredner, er politisierte im Winterthurer Gemeinderat und 15 Jahre im Zürcher Kantonsrat. Er organisierte Demos und Aktionen, initiierte die Gründung des «Hauses der Solidarität Nord-Süd» ‒ und nur dank ihm gibt es eine Leserbriefseite im «Landboten». Aber dazu später.
Aufgefallen ist Christoph Schürch dieser Redaktion vor allem durch seine zahlreichen Mails. Immer wieder machte er aufmerksam auf die Gaza-Mahnwache, die er bis vor dem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas regelmässig am Oberen Graben organisierte. Rund 50 Personen versammelten sich dort jeweils am Montag, um stumm gegen den Hunger und das Leid in Gaza zu demonstrieren. Und erst gestern war er zu Gast im «Stadtalk», der Winterthurer Live-Talkshow.
Politisiert wurde der heute 66-Jährige durch die Waffenschau W81, die 1981 in Winterthur stattfand. Es war auch Christoph Schürch, der ‒ notabene während des Albanifests ‒ eine Demonstration organisierte, die laut eigenen Aussagen 3500 Personen gegen die W81 auf die Strasse brachte. Eine andere Aktion war der «Menschenteppich» vor dem Eingang der Messe. Besucher:innen mussten «über Leichen gehen», um die Schau zu sehen.
1984 ging Schürch mit einer Friedensbrigade nach Nicaragua. «Hier merkte ich: Es geht um mehr als nur Waffen. Es geht um Gerechtigkeit.» Als er aus Südamerika zurückgekommen sei, wusste er, dass er politisch aktiv werden wollte. Er trat den Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) bei, einer linksalternativen Kleinpartei, die damals gegen eine starke FDP im Gemeinderat politisierte ‒ und in der Öffentlichkeit Aktionen durchführte, die aneckten.
Einmal war das die durchschnittliche Abfallmenge einer Schweizer:in, welche Schürch und seine Mitstreiter:innen in der Marktgasse auskippten. Mal wurden aus Tempo 60-Schildern wurden über Nacht solche mit Tempo 30. Sein grösster Coup: Als er sich nach Verhaftungen im Jugendhaus wegen angeblichen Cannabis-Konsums im Gemeinderat selbst als Konsument outete ‒ und kurzerhand ein Klümpchen im Saal zeigte. «Das war ein Bömbeli», sagte Schürch dem Publikum im «Stadtalk». «Und nachdem der Tagesanzeiger darüber berichtet hatte, war es eine nationale Geschichte.»
Nach heftiger Kritik, nicht nur von CVP-Stadtrat Hans Hollenstein, sondern auch vom späteren Stadtpräsidenten und SP-Politiker Ernst Wohlwend, dachte Schürch nicht daran, einen Schritt zurück zu machen. Er ging einen weiter und lancierte im «Landboten» ein Inserat, in dem sich über 100 Personen öffentlich zum Konsum bekannten.
1992 kam der nach der Auflösung der POCH zur SP gewechselte Christoph Schürch in den Kantonsrat. Im selben Jahr gründete er das «Haus der Solidarität Nord-Süd» mit. Norden und Süden stehen im Namen stellvertretend für die reichen und armen Weltgegenden mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen und Chancen. Verschiedene Gruppen, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen, sollten dort einen Raum erhalten.
Bis heute wird er rege genutzt. Am häufigsten würden die Räumlichkeiten vom Solinetz benötigt, welches Sprachkurse für Geflüchtete anbiete, sagt Schürch. Seit über 30 Jahren ist das Geburtshaus von Jonas Furrer an der Steinberggasse an den Trägerverein vermietet, im Erdgeschoss befindet sich der Claro-Laden.
Heute präsidiert er den Verein wieder. Doch das Haus müsse sich anpassen. Einerseits gebe es Anfragen von Organisationen, die nicht unbedingt mit dem globalen Süden zu tun hätten, sich aber mit denselben Grundwerten auseinandersetzten. Andererseits ist die Welt eine andere geworden. «Die Invasion der Russen in der Ukraine zum Beispiel ist keine typische Nord-Süd-Problematik. Dennoch braucht es eine Reaktion darauf.» Dasselbe gelte für Gaza.
Und die Mahnwache? «Es ist ein Waffenstillstand ‒ nicht mehr», sagt Christoph Schürch. Er gehe davon aus, dass man sich auch nächsten Montag noch einmal treffen wird, um stumm gegen die Gewalt im Nahen Osten zu demonstrieren. Vermutlich veränderten sich die Forderungen, welche die Mahnwache stets an die Schweiz und den Bundesrat gestellt habe. Man stecke gerade in den Diskussionen.
Man könnte noch vieles über Christoph Schürch erzählen. An dieser Stelle aber nur noch dies: Stets war das Schreiben von Leserbriefen wohl sein beliebtestes Instrument ausserparlamentarischer Politik, dutzende Zeugnisse gibt es davon in der schweizerischen Mediendatenbank. Nur gab es dafür im «Landboten» lange keine Plattform. Also habe er gemeinsam mit Freunden den damaligen Chefredaktor Rudolf Gerber zu sich nach Hause eingeladen. Am Alkohol sei dabei nicht gespart worden. «Danach hat es eine Leserbriefseite gegeben.»
Wie die meisten Journalist:innen in Winterthur studierte auch Tizian an der ZHAW. Anders als die meisten aber begann er in der Kommunikation, bevor ihn der Journalismus rief. Nach fünf Jahren bei Zuriga startete Tizian bei der Andelfinger Zeitung in den Lokaljournalismus.
Doch bereits nach zweieinhalb Jahren zog es ihn weiter. Allerdings nicht, weil er die Passion für die journalistische Paradedisziplin verloren hatte, im Gegenteil. Als Mitgründer und Chefredakteur von WNTI, macht er jetzt das, was "Winti Chinde" am besten können – über ihre Stadt erzählen.