Viel (Junges) Theater an der Verleihung des Jungendpreis 2025

Der Saal des Theater am Gleis ist voll. Freunde, Familie, Theaterbegeisterte, Medien und zuvorderst in der Mitte, zwei Stadträte. Der Jugendpreis 2025 geht dieses Jahr an das Junge Theater Winterthur. Das eigens für die Preisverleihung konzipierte Kurz-Stück «Dabei sein ist alles», ist ein bissiger, aber durchaus amüsanter Sketch, der gegen die Stadt schiesst.

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Der Stadtrat übergibt dem Jungen Theater Winterthur den Jugendpreis 2025. (Bild: Sebastian Galli)

Viele junge Menschen würden heute nicht mehr Partys und Kicks suchen, sagt Künzle während der Laudatio, sondern einen Ort des Ausdrucks und Zuhörens. Das Junge Theater biete diese Möglichkeit. Dieses Engagement wolle die Stadt mit dem auf 10’000 Franken dotierten Preis würdigen. «Danke, dass ihr Winterthur lebendiger, vielfältiger und bunter macht», schliesst der abtretende Stadtpräsident seine Ansprache.

An diesem Abend liegt ein wenig Wahlkampf in der Theaterluft. Während Noch-Stadtpräsident Künzle aus dem gelben Scheinwerferlicht der Bühne tritt, sitzt weiter oben, im Dunkel der Tribüne, FDP-Stadtrat Stefan Fritschi. Einer derjenigen, die nächstes Jahr gerne in Künzles Sessel sitzen würden. Nach Künzle tritt Galladé ans Mikrofon. Auch seine Ansprache versprüht ein Quäntchen Wahlkampf: «Diese Preisverleihung ist nach der Budgetdebatte bereits die zweite kostenlose Theateraufführung diese Woche.» Gelächter im Saal. Danach bedankt sich der SP-Stadtrat beim Jungen Theater Winterthur für seinen Beitrag zum Winterthurer Kulturleben und die ehrenamtliche Jugendarbeit. Bei einer Theaterproduktion müsse alles aus einem Guss kommen, sagt Galladé. Es sei ein wertvolles Lernumfeld für Jugendliche, in dem sie sich viele Sozialkompetenzen aneignen könnten.

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«Dabei sein ist alles», ein bissiges Stück Satire. (Bild: Sebastian Galli)

Natalia Napora, die Präsidentin des Jungen Theater etwas lockerer in ihre Dankesrede – mit einem simplen «hallo mitenand». Sie sei geehrt, diesen Preis im Namen aller ihrer Vorgänger:innen, sowie allen momentan und ehemaligen Mitgliedern, entgegenzunehmen. Aber auch Nicht-Politikerin Napora hat neben der Danksagung noch einen politischen Seitenhieb auf Lager – selbstverständlich in theatralischer Form. «Der Stadtrat preist uns für unsere ehrenamtliche Arbeit», wirft einer der Schauspieler in den Theatersaal. «Doch Kunst ist kein Hobby, sondern ein Beruf, den man sich nur leisten kann, wenn man einen zweiten hat» fügt eine weitere Schauspielerin auf er anderen Seite der Bühne hinzu. Und mit einem Kopfnicken Richtung Künzle und Galladé: «Die bekommen hundert Franken auf die Stunde, um uns zuzusehen, wie wir gratis auftreten.» Das kurze Stück schliesst mit den Worten «kommt mit in unsere Welt, zahlen können wir euch leider nichts». Mit diesen Worten wird das Publikum in den Rest des Rahmenprogramms entlassen – konzipiert und umgesetzt vom Jungen Theater.

«Hier sind heute ausser uns eigenltich alle bezahlt»

Natalia Napora, Präsidentin Junges Theater Winterthur

Auf die Kritik angesprochen, reagieren Künzle und Galladé mit Humor. «Wir hätten die hundert Franken auch bekommen, wenn wir nicht hier wären», sagt Galladé scherzend. «Wir werden nicht nach Zeit bezahlt», fügt Künzle hinzu. Im anschliessenden Interview erklärt Natalia Napora, was es mit dem angriffigen Sketch auf sich hatte. «Es ist eine Doppelmoral.» Einerseits würden die Stadträte  in ihren Reden betonen, wie wertvoll die Arbeit des Jungen Theaters und das soziale Engagement für die Stadt seien, und andererseits werde erwartet, dass das Junge Theater die ganze Preisverleihung selber schmeisse.

Es ist ein starker Kontrast zum Kultur- und Förderpreis der Stadt, die beide mit derselben Summe dotiert sind wie der Jugendpreis. Diese Verleihungen fanden im Stadthaus statt und wurden vom Amt für Kultur finanziert. Inklusive Band, Catering und aufwändig produzierten Kurzfilmen über die Gewinner:innen. «Wir sind dankbar für den Preis und die 10’000 Franken können wir gebrauchen», sagt Napora. «Aber für die eigene Ehrung über hundert Stunden Gratisarbeit aufwenden zu müssen, ist halt happig», fährt sie fort. «Hier sind heute eigentlich ausser uns alle bezahlt.»

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Das Rahmenprogramm zur Preisverleihung hat das Junge Theater selber konzipiert – in über hundert Stunden Gratisarbeit (Bild: Sebastian Galli)

Diese hundert Stunden sind aber auch sichtbar. In den verschiedenen Räumen des Theater am Gleis warten Aktivitäten auf das Publikum. Im Tanzstudio gibt es in goldenes Licht getauchtes Tanzfitness zu Fleetwood Mac. Im Backstage können Interessierte selber Theaterluft schnuppern. «Bist du schon gepudert», wird man am Eingang gefragt. Unabhängig von der Antwort wird einem ein zufälliger Gegenstand in die Hand gedrückt, dessen Aufschrift der Text ist, den man nun auswendig lernen soll. «In zwei Minuten beginnt die Aufführung, hopp hopp!» Draussen geht es etwas besinnlicher zu. Dort findet «Die Tour» statt, ein kleiner Spaziergang über den Platz. «Wir starten ganz langsam, in Zeitlupe», leitet ein Mitglied des Jungen Theaters an. «Wie das Winterthurer Parlament», merkt der höchste Winterthurer Philip Weber an. Danach schleichen, rennen und torkeln die Teilnehmer:innen Richtung Gleise – darunter der Stadtpräsident und der, der es gerne werden möchte.

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Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.

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