«Schach ist Kampf- und Ausdauersport zugleich»
Kinder und Sport-Events haben eine Gemeinsamkeit – sie sind meist laut. Umso erstaunlicher also, dass an einem Anlass, der beides kombinierte, angespannte Stille dominierte. Lediglich das Klicken der Uhren unterbrach sie gelegentlich. Im Eventlokal Osttor an der St. Gallerstrasse wurde Schach gespielt – auf meisterlichem Niveau. Denn an diesem Pfingstwochenende duellierten sich Kinder und Jugendliche in den Kategorien U8 - U16 um den Schweizermeistertitel im Jugendschach. Und zwei Spieler der Winterthurer Schachgesellschaft waren ganz vorne mit dabei.
Dieses Jahr sei es aus verschiedenen Gründen schwierig gewesen, einen Austragungsort zu finden, sagt René Hirzel. Er ist Verantwortlicher für Jugendschach beim Schweizer Schachbund und Mitglied der Schachgesellschaft Winterthur. «Also hab ich einfach meinen Club angefragt», sagt Réne. 72 Kinder und Jugendliche nehmen am Turnier teil, das sich über drei Tage erstreckt. Die Teilnehmenden in allen Kategorien spielen insgesamt sieben Partien à 90 Minuten. Da allerdings pro Zug noch 30 Sekunden auf das Zeitkonto aufgeschlagen werden, können die Partien auch erheblich länger dauern. Von allfälligen Stichkämpfen bei Punktegleichstand mal abgesehen. Aber auch nachdem die letzte Partie des Tages gespielt ist, geht der Wettkampf weiter. Dann analysieren die Spieler:innen zusammen mit Trainer:in die Spiele auf Fehler und bereiten sich auf die nächste Runde vor. «Schach ist Kampf- und Ausdauersport zugleich», sagt René.
Auf dem Papier ist der Weg an die Schweizermeisterschaft einfach. Es gibt vier Qualifikationsturniere, an denen Anwärter:innen Punkte sammeln können, die besten 16 pro Alterskategorie dürfen ans Finalturnier. Doch die Konkurrenz ist gross. Denn der Schweizer Schachbund ist Teil von Swiss Olympic und somit Leistungssport. Rahel Umbach ist seit 2022 Junioren-Nationalcoach des Schweizer Schachbunds und zuständig für die Kaderselektion des Nachwuchses. Einige ihrer vielversprechenden Talente kämpften auch an diesem Turnier um den Titel. Spieler:innen im Kader erhielten die Swiss Olympics Talent Card, sagt Rahel. «Das ist enorm wichtig für die Aufnahme in Sportgymnasien». Spieler:innen im Kader werden individuell und als Mannschaft gefördert. Neben finanzieller Unterstützung bei internationalen Turnieren profitieren sie auch von Trainingswochenenden. Dort hätten sie die Möglichkeit, von Grossmeistern zu lernen, sagt Rahel. Einer davon ist ehemalige Weltnummer 3, Arthur Jussupow, der bis 2017 für die Schachgesellschaft Winterthur spielte. Er sei nicht nur wegen seines «Samichlaus-Look» eine echte Attraktion. «Früher hat er uns oft an die internationalen Turniere begleitet», sagt Rahel. «Da kamen dann sogar unserer Gegner zur Post-Match Analyse.»
Anders als in anderen Sportarten gibt es im Schach eigentlich keine Geschlechtertrennung. Dennoch sind von 23 Spieler:innen im Schweizer Jugendkader nur fünf Mädchen. Und auch an diesem Wochenende in Winterthur traten nur vier Mädchen an. In einer Sportart, in der körperliche Entwicklung keinen Vorteil bringt, erscheint das seltsam. Laut Rahel sind nur 6,5 Prozent aller aktiven Spieler:innen in der Schweiz Frauen. Bei den jüngeren Jahrgängen seien es zwar mehr, doch «weshalb so viele Frauen aussteigen, kann ich mir aber nicht erklären», sagt Rahel. Sie hat allerdings eine Vermutung. «Ich denke, es ist eine Frage der Sichtbarkeit.» Das sei auch der Grund, weshalb es trotz fehlender Geschlechtertrennung dedizierte Mädchen- und Frauenturniere gäbe. «Es ist eine Fördermassnahme», sagt Rahel. Es brauche eine Mädchenkategorie, um überhaupt sichtbar zu machen, dass Mädchen und Frauen spielen. Trotz dieser ungleichen Umstände steht am Pfingstmontag auch ein Mädchen auf dem Podest. In der Kategorie U8 holte Tina Phung der SG Baden Bronze.
Aber auch für die SG Winterthur war diese Schweizermeisterschaft ein grosser Erfolg. In der Kategorie U14 holte Maximilian Pfaltz Bronze und sein Club-Kollege Colin Federer krönte sich sogar zum Schweizermeister. Was für die meisten einer der grössten Erfolge ihrer Karriere wäre, ist für Colin allerdings beinahe Gewohnheit – es ist sein dritter Schweizermeistertitel in Folge. Trotzdem musste er sich den diesjährigen Titel hart erkämpfen. Denn in der letzten Runde konnte er sich nicht gegen seinen Gegner durchsetzen und lag deshalb im Klassement gleichauf mit Jan Saminskij der SG Zürich. Doch auch die vier darauf folgenden Stichkampfpartien btachten keine Entscheidung und endeten mit einem Score von 2:2. So entschied schlussendlich die Buchholzwertung in Colins Vorteil. Im Interview gibt er sich bescheiden: «Ich hatte Wettkampfglück und hätte auch zweiter werden können.» Es stecke aber auch viel Arbeit in seinem Sieg, er trainiere viel mit seinem Coach. «Talent allein reicht nicht aus, es braucht einen guten Trainer», sagt Collin.
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.