Rotweisse Liebe – grosse Emotionen und knallhartes Geschäft
Andreas Mösli hat massgeblich dazu beigetragen, dass der FC Winterthur heute erstklassig spielt. Im Interview spricht er über seinen Antrieb, die Ziele des FCWs und wieso der Club bis auf Weiteres gegen den Abstieg spielt.
Mir gegenüber sitzt Andreas Mösli – oder einfach «Mö». Er ist Geschäftsleitungsmitglied und Kommunikations-Chef beim FCW. Und für viele eine Art Robin Hood des Winterthurer Fussballs. Er lacht über diese Bezeichnung. «Mein Ziel war es immer, Menschen zusammenzubringen. Ich glaube, das ist uns gelungen.» Es sei nicht nur sein Verdienst. «Viele sind gerade wegen des Gemeinschaftsgefühls beim FCW. Die kamen ja nicht, weil wir sportlich erfolgreich waren. Wir wollen, dass der FCW ein Zuhause ist für alle, die hier leben und diese Stadt gernhaben.» Es liessen sich mehrere Wintibriefe schreiben, allein darüber, wie Mö zum FCW kam, über seine Punk-Jugend und die Entwicklung der Stadt und des Clubs seither. Falls dich diese Hintergründe interessieren, lies unbedingt dieses Interview mit der WOZ von 2015.
Mö ist sowohl Club als auch Fan und Stadtbewohner. Vorteil oder Stress? «Klar, man muss Kompromisse eingehen. Ich versuche, zu vermitteln und Einfluss zu nehmen, wo ich kann. Aber es ist nicht mein Verein. Möglichst viele sollen sich darin sehen und sagen können: He geil, das ist mein FCW. Je mehr das sind, umso mehr Diskussionsbedarf gibt es auch. Das ist Demokratie, unser System und es ist eine Chance. Wir wollen den Fans möglichst viel Freiheit geben, im Gegenzug müssen sie auch Verantwortung übernehmen. Wie im normalen Leben.» Wichtig sei die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen. Mösli findet, ein Fussballclub habe auch eine gesellschaftliche Verantwortung, Themen wie Zusammenhalt, Inklusion, Toleranz und Respekt zu transportieren. In letzter Zeit werden Sorgen laut, dass der FCW genau diese Werte zu verlieren droht. Mö sagt dazu: «Die Leute fühlen sich wohl auf der Schützi, sonst wäre sie nicht immer voll. Kinder und Frauen im Stadion sind ein Zeichen dafür, dass die Grundstimmung gut ist.» Den Druck spüre er aber schon. «Die Leute kommen zu mir und erzählen – auf der anderen Seite weiss ich, wie dieses Fussballbusiness funktioniert. Es geht um Geld. Wir können nicht nur machen, was wir lässig finden.»
Er erklärt es mir so: «Die erste Mannschaft ist die Loki des Vereins. Wenn es ihr schlecht geht und das Geld fehlt, haben wir keinen Erfolg, weniger Leute im Stadion, weniger Sponsoren und es gibt eine Abwärtsspirale, die auch die anderen Teams und Bereiche zu spüren bekommen. Der FCW muss auf möglichst ehrenvolle Art Geld verdienen. Nach vier Jahren in der höchsten Liga ist er nach wie vor der Club mit dem kleinsten Budget. Bleibt es klein, ist die Chance gross, dass der Club wieder absteigt. Wer absteigt, muss wieder einsparen. Für uns ist klar: Wir spielen nicht um den Meistertitel, sondern darum, bleiben zu dürfen.» Der Nicht-Abstieg wurde denn auch gefeiert, als hätte der FCW die Saison gewonnen.
«Der wirtschaftliche Kontext verlangt Kompromisse, da steht auch der FCW nicht drüber.»
Andreas Mösli, Leiter Kommunikation FCW
Grosse Erwartungen gibt es beim Frauenfussball. Aktuell sind es vier Nachwuchsteams bei den Mädchen, das erste Frauenteam spielt in der Nati B. «Damit haben wir schon ein Ziel erreicht», so Mö. Jetzt wollen sie möglichst viele Mädchen motivieren, Spitzensport machen zu wollen. Den Fans ist es wichtig, dass die erste Frauenmannschaft auf dem Hauptfeld spielt – für Mö hat das wenig mit Sportförderung zu tun, der Fussball werde dadurch nicht besser. Es gehe mehr ums Image. «Wenn die Leute nicht sehen, was sie sehen möchten, haben sie das Gefühl, es laufe nichts. Es ist schwierig, zu erklären, wie man langsam etwas aufbaut. Der wirtschaftliche Kontext verlangt Kompromisse, da steht auch der FCW nicht drüber.»
Im Moment hat der FCW ein Budget von 16 Millionen. Da ist alles dabei, vom ersten Team über die Frauen bis hin zu den Junior:innen und allen Löhnen. Diese beanspruchen insgesamt 10 Millionen. Im Vergleich: GC hatte im letzten Jahr ein Defizit von 14 Millionen. Fast so viel also, wie dem FCW insgesamt an Ausgaben zur Verfügung steht. «Wir wollen ein bodenständiger, seriöser Verein mit sauberen Zahlen sein und nur so viel ausgeben, wie wir haben.» Das bedeute aber, nicht die besten Spieler zu haben. Mit einer Mannschaft lasse sich aufzeigen, wie eine Gesellschaft funktionieren könnte, so Mö. Wenn jeder seine Stärken einbringe, funktioniere das Kollektiv. Der FCW habe «gute Typen», nicht die Spitzen-Stürmer. Diese sind am teuersten. Man könne und wolle so einen nicht bezahlen. «Es ist nicht gut fürs Team, wenn einer viel mehr verdient. Wenn er dann nicht abliefert, gibt es Unmut», so Mö. Verantwortlich für die richtige Zusammenstellung der Mannschaft ist Sportchef Oliver Kaiser. Er mache unter den gegebenen Umständen einen guten Job.
Wir kommen noch kurz auf das Sirupkurventhema zu sprechen – einen detaillierten Artikel zum Thema gibt es bereits vom Tagesanzeiger. Mö sagt: «Wir verdienen am Publikum – Ticketverkauf, Saisonkarte, Catering, Fanartikel. Unser Stadion ist das am stärksten ausgelastete, mit 92 Prozent letzte Saison. Das Problem, jemandem etwas wegnehmen zu müssen, um es einer anderen Person zu geben, haben die grossen, oft halbleeren Stadien nicht.» Unser Stadion ist im Moment zu klein. Dass es eine Aufwertung braucht, steht fest – aber es gehört der Stadt und die hat das letzte Wort. Was wird unternommen, dass «eusi Stube» diese bleibt? Innerhalb der konkreten Planung gebe es verschiedene Arbeitsgruppen, so Mö. Dort sei der FCW gut involviert. Sie seien auch in Kontakt mit den Fans und würden ihre Anliegen und Wünsche anbringen. Abgestimmt wird voraussichtlich im Herbst 2026.
Seit 37 Jahren war der FCW nicht mehr «oben». Dass er jetzt nicht ganz vorne mitmischt, scheint logisch. «Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen», so Mö. Zu den kritischen Stimmen meint er: «Wir sind nicht perfekt. Motzen gehört zum Fussball dazu, es ist ein Ventil.» Was laut und dramatisch sei, relativiere sich, wenn man mit den Leuten rede. Es gäbe sehr viel Wohlwollen und positives Feedback. «Fussball gehört zur Unterhaltungsindustrie und Emotionen sind ein wichtiger Teil davon.»
Jonglieren kann Maria eigentlich nicht. Wir finden aber schon. Denn sie schreibt für WNTI, organisiert den Alltag ihrer drei Söhne und musiziert. Ihre ersten journalistischen Erfahrungen machte sie beim Mamablog des Tages-Anzeigers und als freie Texterin. Heute findet sie ihre Geschichten in all den Menschen, die sie in den 20 Jahren, in denen sie in der Stadt wohnt, kennen und schätzen gelernt hat.