Im Herzen der Velostadt

Kraftorte mit Martin Frischknecht

WT Kraftort Viehmarkt
(Bild: Martin Frischknecht)

Wussten Sie, dass es in unserer Stadt einen Viehmarkt gibt? Gut, das klingt jetzt übertrieben. Es wird in Winterthur nirgends mehr unter freiem Himmel mit Rindern und Schafen gehandelt. Das war einmal. Doch einen Platz mit diesem Namen, den gibt es. 

Der Viehmarkt liegt auf halbem Weg zwischen Altstadt und Mattenbach-Quartier hinter der Mehrzweckanlage Teuchelweiher. Wenn ich dort im Schatten der hohen alten Bäumen sitze, bin ich Mal für Mal eingenommen von der einmaligen Atmosphäre dieses Ortes. Nicht von der Schönheit, nicht von der Vielfalt an Bäumen und Menschen, nicht von der Sanftheit der Rasenfläche. 

Mich beeindrucken die vielen Velos, die hier verkehren. Sie rollen aus allen Richtungen um den Platz, und sie entschwinden so rasch, wie sie gekommen sind. Hier verkehren weit mehr Zwei- als motorisierte Vierräder. Elegant und geräuschlos ziehen sie um den Viehmarkt herum ihre Bahnen. Keine Frage: Winti ist eine Velostadt, und hier liegt ihr geheimes Zentrum.

Einmal sass ich über Mittag mit einem Pausenbrot auf einem der weiträumig verteilten Metallstühle, da kam ein Vater mit seiner vier-, fünfjährigen Tochter auf den Platz. Hinter den Abschrankungen zur Strasse hin fuhr die Kleine ihr Kindervelo spazieren. Der Vater stand da und schaute ihr zu. Sie fuhr mutig und schnell. Immer mal wieder rief sie ihm zu, er gab Antwort. Zwischendurch trafen sich ihre Blicke.

Was für eine Lust, was für ein Vergnügen! Ich folgte den Beiden mit den Augen, während ich auf meinem Brötchen kaute. Was war es nur, das mich an ihrem Spiel so bezauberte? Ach, ja. Jetzt wurde es klar. Er griff in seine Gesässtasche und zückte das Handy. Bald gehörten seine Augen nur noch dem Bildschirm. Der Zauber war verflogen. Das Mädchen drehte stumm seine Runden.

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