«Gisi bleibt!» – Demo in der Altstadt für den Erhalt des besetzen Hauses
Etwa 350 Menschen gingen am Sonntag auf die Strasse, um für den Erhalt des besetzten Hauses «Gisi» zu demonstrieren. Die Demo blieb friedlich.
Unter dem stahlblauen Winterhimmel versammelten sich am Sonntag um 14 Uhr etwa 350 Menschen am Hauptbahnhof Winterthur. Aus einem fahrbaren Lautsprecher schallte ein Best-of verschiedener Protestsongs. Um sie herum standen Schaulustige – und ein Wagen der Polizei. Auf der digitalen Anzeige auf seinem Dach blinkte in orangen Buchstaben: «Unbewilligte Demonstration». Vis-a-vis davon das pinke Fronttransparent der Demo mit der Parole: «Gisi bleibt! Kein Profit mit Wohnraum.»
Zur Demo aufgerufen hatte das antikapitalistische Bündnis und die Häuservernetzung – ein Zusammenschluss aus Bewohner:innen verschiedener Immobilien im Besitz der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG), sowie den besetzten Häusern. Der Grund: Die SKKG will die «Gisi» im Februar räumen lassen. Die «Gisi» ist eine der ältesten Besetzungen der Schweiz – seit 28 Jahren wird das Haus an der General-Guisan-Strasse selbstverwaltet bewohnt. Die Sanierungspläne der Stiftung sehen in den oberen Geschossen Wohnungen vor. Im Erdgeschoss sind Gemeinschaftsräume und eine gewerbliche Nutzung geplant.
Trotz der grossen Polizeipräsenz war die Stimmung am Bahnhof entspannt. Die in und um die Altstadt bereitstehenden Wasserwerfer kamen nicht zum Einsatz. Scharmützel gab es lediglich verbale. Die Durchsage der Polizei – «dies ist eine unbewilligte Demonstration, mit einer Teilnahme machen Sie sich strafbar» – quittierte eine Stimme aus dem Lautsprecher der Demonstrierenden mit einer Gegenansage: «Euse Wage isch lüüter, chasch der knicke!» Auch der Marroniverkäufer, der mit seinem Transporter vom Bahnhof wegfahren wollte, nahm es gelassen. «Lasst mich noch schnell durch, dann könnt ihr tun, was ihr wollt», rief er den Demonstrierenden lachend zu. Danach setzte sich die Demo entlang der Stadthausstrasse in Bewegung – begleitet vom Polizeiwagen, dessen Lautsprecher immer mal wieder darauf hinwies, dass die Demonstration nicht bewilligt sei. In den abgesperrten Zugängen zur Marktgasse standen einsatzbereite Beamte der Stadtpolizei in Vollmontur.
Immer wieder machte der Umzug halt, damit Vertreter:innen der verschiedenen Organisation des antikapitalistischen Bündnisses eine Rede halten konnten. In ihnen wurde nicht nur der geplanten Räumung der «Gisi» der Kampf angesagt, sondern der «Wohnkrise» im Allgemeinen. Ein Dach über dem Kopf sei ein Grundbedürfnis aller – egal ob Mieter oder Besetzerin. Die Mieten würden ständig angehoben werden und für viele sei es schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Dass es in Winterthur die Wohnungen knapp werden, ist kein Geheimnis. Anfang Juni standen in Winterthur lediglich 104 Wohnungen in der Stadt leer. Also 0.18 Prozent.
Für eine ältere Frau, die am Rande des Demozugs mitlief, ist das ein bekanntes Problem – sie kommt aus Zürich. Sie war zufällig an der Demo. Eigentlich habe sie mit einer Freundin wandern gehen wollen. Als sie aus dem Zug ausgestiegen war, habe sie aber auf einmal inmitten dieser Versammlung gestanden. «Da haben wir uns spontan entschieden, mitzulaufen und unseren Sonntagsausflug auf der Strasse zu machen», sagte sie augenzwinkernd. «Denn das ist eine wichtige Sache. In Zürich wie in Winti.»
Am Ende der Stadthausstrasse bog die Demo nach rechts in die General-Guisan-Strasse ein und machte vor der «Gisi» halt. Nach einer weiteren Rede sangen die Versammelten ein für den Anlass getextetes «Gisi-Lied». Zum Finale zündeten die Besetzer:innen vom Dach des Hauses ein Feuerwerk. Auch Hasan, der Mann hinter dem legendären «Hasan-Sandwich» stand in der versammelten Menge vor der «Gisi». Es sei solidarisch mit den Besetzer:innen und mit allen anderen, die Mühe hätten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Er selbst und viele seiner Bekannten seien schon davon betroffen gewesen. «Ist doch logisch, dass ich heute hier bin.»
Auf der Technikumstrasse, vor den Archhöfen machte die Demo einen weiteren Halt. Während aus den Lautsprechern eine Rede schallte, bauten einige der Teilnehmer:innen aus Zügelkartons eine Pyramide, auf denen die Logos verschiedener Immobilienfirmen aufgedruckt waren. «Jetzt schiessen wir euch ab», meint der Sprecher am Mikrofon lachend und fügt an: «Das ist natürlich metaphorisch gemeint». Danach konnten alle, die wollten, Anlauf nehmen und mit einem Fussball die Pyramide der «Immohaie» ins Wanken bringen. Es schien ein kleiner kollektiver Moment der Katharsis zu sein.
Nach einer letzten Rede auf dem Bahnhofsplatz löste sich die Demonstration friedlich auf. Ob die an diesem Sonntagnachmittag beschworene Solidarität die drohende Räumung der «Gisi» verhindern kann, bleibt fraglich. Die SKKG hat das Baugesuch für die geplante Renovierung bereits im August eingegeben.
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.