Bereit für die Schwümbi-Saison?

Das Wolfi geht in die 88. Badisaison und das zum 30. Mal mit «Dreamteam Taormina».

«Winti ist schon schön, aber es fehlt das Gewässer!» Wenn nur Seen und breite Flüsse zählen, dann stimmt das wohl. Aber hey, Winti hat fünf schöne Freibäder. Das Wolfi (Schwimmbad Wolfensberg) öffnet am 1. Mai als Erstes sein Drehkreuz. Und das zum 88. Mal. 

«Zweimal unendlich», sagt Sigi Taormina strahlend. Für sie und ihren Mann Matteo ist es die 30. Saison. Dreissig verrückte Jahre, in denen das Bademeister-Paar die Veltemer Herzen erobert hat. Gefeiert wird nicht explizit. «S`Läbe isch es Fäscht» – sie würden sowieso jeden Tag feiern. Wer die beiden kennt, glaubt es sofort. 

20250430_Matteo&Sigi_Maria
Die Ruhe vor dem Sturm. Sigi und Matteo Taormina sind im Stress, aber die Vorfreude auf die kommende Saison ist gross. (Bild: Maria Wyler)

1996 traten Taorminas die Stelle an. Sie war KV-Angestellte, er Handwerker. Das perfekte Paar, um eine Badi zu übernehmen, findet Sigi. Sie beschreibt das Wolfi als Oase über Winterthur. Bei der Übernahme war die Oase jedoch in schlechtem Zustand. Es war sogar Thema, das Bad zu schliessen. Damals wurde zur Wasseraufbereitung noch Chlorgas eingesetzt, ein effektives und günstiges, aber auch gefährliches Desinfektionsmittel. Es wird in gasförmiger Form ins Wasser eingeleitet, wo es sich löst. Der Umgang damit ist riskant, da es hochgiftig ist. 1998 erliess der Kanton die Verordnung über den Vollzug der Störfallverordnung, die den Umgang mit gefährlichen Stoffen neu regelte und das Gas verbot. Es folgte die Umstellung auf Javelwasser, dann Chlorgranulat. Das Wasser müsse Trinkwasserqualität haben, erklärt Matteo. Die Vorschriften seien über die Jahre immer strenger geworden.

«Im Wolfi ist das fast ein Ritual – zu signalisieren: Hey, ich hab dich gesehen!»

Sigi Taormina, Bademeisterin

Im ersten Jahr sei die Wiese so wüst gewesen, dass sie einen Bauer bestellen mussten, um die Wiese umzupflügen. Auf Nachfrage eines Anwohners meinte Matteo: «Wir fangen im Herbst an, Kartoffeln zu pflanzen – so als zweites Standbein.» Die beiden lachen. Das Gerücht verbreitete sich im Quartier wie ein Lauffeuer. 

Heute sieht der Rasen top aus. Seit die Stadt Pestizide verbietet, muss der Bademeister allerdings Unkraut jäten, was viel Zeit braucht. Zudem hätten Bienenstiche zugenommen wegen des Klees. Dass die Schützi nach wie vor gespritzt werden darf und das, obwohl die Fussballspieler Schuhe tragen, bemerken die beiden mit einem Augenzwinkern.

20250430_Wolfi2_Maria
In der freien Ecke, wo früher das Sprungbrett stand, springen die Kinder heute per Turntrampolin ins Wasser. Matteo assistiert persönlich. (Bild: Maria Wyler)

Schlimme Vorfälle im Wasser gab es in den 30 Jahren keine. Gegenüber dem «Gallispitz» sagte Matteo, er habe einen «Sechsten Sinn für heikle Situationen». Man könne nie jede einzelne Person sehen, sondern müsse die Stimmung wahrnehmen können. Was Sigi Sorgen macht, sind Eltern am Handy. «Ein Kleinkind kann in zehn Zentimeter tiefem Wasser innerhalb von 20 Sekunden ertrinken. Man muss sie permanent in Handgriffnähe haben.» Grundsätzlich lässt Matteo als stiller Beobachter viel laufen. Er sei kein «Alphatierli-Bademeister.» Manchmal reiche ein Blick. Oder sein berühmter Pfiff. Die Gelassenheit habe er schon immer in sich gehabt, so der Halbsizilianer. Er ist in Palermo aufgewachsen und mit 19 in die Schweiz gekommen. Was andere stresst, belebt ihn: Kindergeschrei, raufende Jugendliche, Menschen jeden Alters und in jedem Gemütszustand.

An der Quartierbadi würden sie nichts ändern wollen. Dass das Schwimmbad seinen alten Charme behalten hat, ist der Veltheimer Bevölkerung zu verdanken, die sich in den Neunzigern gegen die Pläne einer radikalen Umgestaltung zum Erlebnisbad wehrte. 

Die Menschen kommen hierhin, weil sie sich wohlfühlen, weil man einander kennt – und wegen Taorminas. Im ersten Jahr hätten die Leute zum Teil weder «Grüezi» noch «Adie» gesagt. Sie hätten das wieder kultiviert, indem sie konsequent alle Besuchenden persönlich begrüsst und verabschiedet hätten. Im Wolfi sei das fast ein Ritual – zu signalisieren: «Hey, ich hab dich gesehen!» 

20250430_Wolfi_Archiv_Maria
Entwurf der Architekten Furrer & Merkelbach für das Schwimmbad Wolfensberg in Winterthur, 1935. Foto: winbib (Signatur 101646_O) (Bild: Winbib)

Das Schwimmbad Wolfensberg wurde 1936 als zweites Freibad nach der Badi Geiselweid (1911) eröffnet. Davor gab es auf dem Wolfensberg die erste Sonnenbadanlage der Schweiz. Wer mehr über die Geschichte und Entstehung wissen möchte, findet im Winterthur Glossar einen ausführlichen Bericht. 

1963 verkaufte es der Verein zur Hebung der Volksgesundheit an die Stadt. Die Schwimmbadgenossenschaft Wolfensberg wurde gegründet, seither wurde das Wolfi laufend renoviert. Heute gehört die Kultbadi mit Blick bis zum Säntis offiziell zu den schönsten der Schweiz. So landete sie etwa auf der Top-Ten-Liste der Schweizer Illustrierten.

Ganz früher gab es im Wolfi einen Dreimeter-Sprungturm, später ein Sprungbrett. Heute sind aufgrund der Wassertiefe nur noch Böckli erlaubt. Um 15 Uhr holt Matteo das Turntrampolin raus und die Kinder stehen Schlange, um über die von ihm auf Wunschhöhe gehaltene Matte zu springen. 

Für das Bademeister-Paar ist das Wolfi viel mehr als ein Arbeitsort. Angst vor der Zeit danach haben sie trotzdem nicht – und die wird es definitiv geben. Noch zwei Saisons wollen sie machen, dann soll die Übergabe beginnen. Von dem Gerücht einer ominösen Liste, in die sich Interessierte an der Nachfolge angeblich eintragen können, wissen sie nichts. Und finden die Idee auch absurd. Nicht jede Person könne einfach so eine Badi übernehmen. 

Es sind zweifellos grosse Badelatschen, die sie hinterlassen werden. 

WNTI-Portrait-Maria-Wyler

Jonglieren kann Maria eigentlich nicht. Wir finden aber schon. Denn sie schreibt für WNTI, organisiert den Alltag ihrer drei Söhne und musiziert. Ihre ersten journalistischen Erfahrungen machte sie beim Mamablog des Tages-Anzeigers und als freie Texterin. Heute findet sie ihre Geschichten in all den Menschen, die sie in den 20 Jahren, in denen sie in der Stadt wohnt, kennen und schätzen gelernt hat.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare