Tennis wie noch vor hundert Jahren
Hinter den Hecken des Römerparks versteckt sich eine ein kleiner Park, der auch auf den Ländereien des englischen Adels nicht fehl am Platz wäre. In seiner Mitte steht ein herrschaftlicher Pavillon, umgeben von 6 Tennisplätzen. Es ist das Zuhause des Lawn Tennisclub Winterthur. Am vergangenen Wochenende wurden dort gleich zwei Jubiläen gefeiert – 120 Jahre LTC Winterthur und 100 Jahre Römerpark.
Die Anlage wurde einst von Oskar Reinhart erbaut. Er gewährte dem LTC das Nutzungsrecht der Anlage. Vor hundert Jahren war der Sport noch ausschliesslich der sozialen Oberschicht vorbehalten – entsprechend exklusiv waren die Mitglieder. «Damals war nur im Verein, wer politischen oder wirtschaftlichen Einfluss hatte», sagte Köbi Ehrensberger, Präsident des LTC Winterthur. Aus alten Protokollen gehe hervor, dass bei damaligen Vorstandssitzungen die Frage «Wer wird neu aufgenommen?», stets das wichtigste Traktandum gewesen sei. «Abgesehen vom darauffolgenden Essen natürlich», sagt Ehrensberger.
Um aufgenommen zu werden, mussten zwei bestehende Mitglieder des Vereins für den Anwärter bürgen. Heute sei das anders, sagt Ehrensberger. Die gesellschaftliche Demokratisierung habe auch den Verein beeinflusst und inzwischen gäbe es keine speziellen Aufnahmekriterien mehr. Ganz verloren hat der Verein seine Exklusivität allerdings nicht – die Mitgliedergebühren sind die höchsten aller Tennisvereine der Stadt. «Unsere Mitglieder schätzen das aber auch», sagt Ehrensberger. Die Lage inmitten der Stadt sei unschlagbar und hinter den hohen Hecken sei man «ab der Welt». Hier sei in den letzten hundert Jahren die Zeit stillgestanden. «Alles ändert sich, hier bleibt es gleich», sagt Ehrensberger. «In diesen dynamischen Zeiten ist diese Konstante ein Luxus.»
«Alles ändert sich, hier bleibt es gleich. Das ist ein Luxus»
Köbi Ehrensberger
Ist der Römerpark also eine Insel im Strom der Zeit? Nicht ganz. 1956 wechselte die englische Parkanlage per Schenkung den Eigentümer, von einem Vertreter des Winterthurer Geldadels zum nächsten – neu durfte sie die Volkartstiftung ihr Eigen nennen. Oskar Reinhart verpflichtete sie brieflich dazu, dem LTC Winterthur die Anlage zu vermieten. Über die Jahre seien die Unterhaltskosten erheblich gestiegen, sagt Ehrensberger. Das sei ein Problem gewesen, da die Plätze in den Wintermonaten nicht genutzt werden konnten. Tennis unter freiem Himmel sei nur bei warmer, trockener Witterung möglich – beides keine Attribute, mit denen sich Winterthur brüsten kann. Um eine ganzjährige Nutzung zu ermöglichen, erweiterte die Volkartstiftung 1987 die Anlage um einen unterirdischen Tennisplatz. In diesem Jahr erhielt die Anlage auch den Namen «Römerpark».
Knapp zehn Jahre später verkaufte die Stiftung den Park. Er hatte neu drei Besitzer:innen: die Krankenkasse KVW, die Winterthur Versicherung und der LTC. Die nötigen finanziellen Mittel brachte der Verein grösstenteils durch Privatdarlehen seiner Mitglieder auf. Was darauf folgte, war ein Anschauungsbeispiel der privatwirtschaftlichen Nahrungskette. Die Winterthur Versicherung verleibte sich die KVW ein und wurde wenige Jahre darauf selber von der AXA geschluckt. Diese hatte kein Interesse am Römerpark. Ehrensberger hat eine Theorie, weshalb: Es sei notariell verbrieft, dass die Anlage nicht zweckentfremdet werden darf. Für die AXA wäre es natürlich interessanter gewesen, den Boden anderweitig zu nutzen. Der LTC habe dann von der AXA ein Angebot bekommen, die restlichen zwei Drittel des Römerparks zu kaufen. Die Finanzierung sei nicht einfach gewesen. Eine genaue Zahl möchte Ehrensberger nicht nenne, es habe sich aber um «einige Millionen» gehandelt. Diesen «Kraftakt» habe der Verein erneut über Privatdarlehen der Mitglieder finanziert. Diesmal nahm er allerdings zusätzlich eine Hypothek auf.
Der Römerpark umfasst eine Fläche von zehntausend Quadratmetern. Was ein Grundstück dieser Grösse mitten im inneren Lind wert ist, kann man sich denken. Es zu Geld zu machen, sei immer ausser Frage gestanden. Der LTC Winterthur und Oskar Reinhart wären sich wohl einig: «Hier muss Tennis gespielt werden.»
Seba studiert in Winti Journalismus, weiss wie man ein Bier zapft, verbringt seine Wochenenden gerne auf der Schützi und kennt in Winti allerhand spannende Figuren. Seba ist ein Urwinterthurer, aufgewachsen ist er in Veltheim. Nur eines fehlt ihm für den Winti-Ritterschlag: Geboren ist er im Triemli in Zürich.