Die Eulach zwischen Beton und Natur

Winterthur ist Eulachstadt? Wo doch die Eulach auf weiten Teilen des Stadtgebiets unzugänglich, unterirdisch und unsichtbar fliesst? Warum liessen frühere Stadtplaner:innen und Bewohnende von Winterthur es so weit kommen? Das wollte ich wissen und begab mich diesen Sommer auf Entdeckungsreise und Spurensuche entlang unseres Stadtflusses. Und habe gelernt, dass die Eulach zwar einst reissender Wildbach war, heute aber wieder entspannter Badeplatz sein könnte.

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Im Eulachparkt lässt es sich gut an der Eulach aushalten. (Bild: Marit Langschwager)

Auf meiner Expedition war ich jedoch nicht allein: Der Eulachexperte Markus-Hermann Schertenleib hat mich begleitet. Fast niemand kennt das Gewässerso gut wie Schertenleib, der in den 1980er Jahren als Erster (und bis heute Einziger) einen geschichtlichen und geografischen Überblick zur Eulach schrieb. In diesem Text stelle ich euch einige Highlights unserer Entdeckungstour vor. Du kannst sie aber auch selber erleben:  Alle Geschichten, Bilder und Fakten zu unserem Stadtfluss findest du gesammelt und interaktiv auf unserer neuen Eulach-Website.

Komm mit auf Eulach-Entdeckungsreise!

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Markus-Herman Schertenleib in seinem Element. (Bild: Gioia Jöhri)

Der einzig noch sichtbare Mühlekanal

Die Reismühle in Hegi ist heute die einzige Mühle an der Eulach, die noch steht. Dabei gab es auf Stadtgebiet seit dem Mittelalter mindestens acht Mühlen am Fluss, die das Sägen und Mahlen erleichterten. «Früher wurde jeder Zentimeter Gefälle als Energiequelle genutzt», erklärt mir Markus-Hermann Schertenleib, als wir den Mühlekanal betrachten. Vor 1900 ist die Stadtkarte durchzogen von kleinen Kanälen, die von der Eulach abzweigen und die vielen Mühlen betreiben.

Zu den weiteren Mühlen!

  • Bild 1 Reismühlekanal 1989

    Der Reismühlekanal 1989. (Bild: Sammlung Winterthur)

  • Bild 2 Reismühlekanal heute

    Der Reismühlekanal heute mit verstärkten Wänden (Bild: Marit Langschwager)

Schwimmen lernen in der Eulach

Generationen von Hegi-Kindern haben in der Eulach schwimmen gelernt. Als Markus-Hermann Schertenleib und ich von der Brücke bei der Bushaltestelle Hegi im Gern schauen, kann ich immer noch erahnen, dass hier mal gebadet wurde. «Man könnte theoretisch immer noch schwimmen hier, wenn man Schlamm nicht scheut», meint Schertenleib und weist auf die kleine Betontreppe, die übrig geblieben ist. 1949 baute die Stadt Winterthur auf Bitten des Ortsvereins Hegi den Badeplatz aus.

Was ist mit dem Hegi-Schwümbi passiert?

  • Bild 7 Badi Hegi

    Planschen in der Eulach: Vor 70 Jahren noch möglich. (Bild: Sammlung Winterthur)

  • Bild 8 Hegi im Gern heute

    Einzelne Betonelemente zeugen von der Schwümbi-Vergangenheit (Bild: Marit Langschwager)

Hochwasser in Hegi

Hegi wurde bei Starkregen immer wieder von der Eulach überschwemmt. Am 22. September 1968 passierte es zum letzten Mal. «Ich habe das Hochwasser als 14-Jähriger selbst miterlebt und konnte beim Aufräumen helfen», erzählt Schertenleib. Diese Erfahrung habe sicher zu seiner frühen Faszination für die Eulach beigetragen. Die Hegemer:innen hatten danach genug von Hochwassern und verlangten eine Lösung von der Stadt. Diese wusste aber genau, dass das Wasser nicht bis in die Stadt vordringen würde, wenn die Eulach bereits in Hegi über die Ufer treten konnte.

Warum es in Hegi kein Hochwasser mehr gibt

  • Bild 22 Schieber Hochwasser

    Das Hochwasser hatte Hegi bis 1968 immer wieder im Griff. (Bild: Samnmlung Winterthur)

  • Bild 23 Schieber Hochwasser

    Hier die gleiche Perspektive heute. (Bild: Marit Langschwager)

Sünnele im Eulachpark

Nachdem wir Hegi verlassen haben, kommen wir an einen der wenigen Orte, an dem die Eulach naturnah und zugänglich durch die Stadt fliesst: Der Eulachpark in Neuhegi wurde von 2007 bis 2019 in verschiedenen Bauetappen von der Stadt Winterthur erstellt und ist heute der grösste Park auf Gemeindegebiet. Der Fluss gilt laut AWEL (Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich) wieder als naturnah. Eine grosse Zuwanderung von Tieren und Pflanzen erwartet das AWEL aber nicht. Denn die Eulach bleibt sowohl vor als auch nach dem Park kanalisiert und mindert so den zusammenhängenden Lebensraum.

Mehr Natur an der Eulach

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Der Eulachpark kurz nach seiner Fertigstellung 2019. (Bild: flickr / stadtgärtnerei winterthur) (Bild: (C) Christian Wieland)

Mittagspause an der Eulach

Vom Bahnhof Grüze bis zum Technikum laufen Markus-Hermann Schertenleib und ich neben einer abgesenkten und kanalisierten Eulach her. Kurz vor dem Technikum bekommen wir plötzlich nasse Füsse: Das Gewässer wurde für die Neugestaltung des Campus T gestaut. Die Bauarbeiten verändern das Flussbett Woche für Woche. Ein 400 Meter langer Abschnitt wird zugänglicher und naturnaher gestaltet. Der Beton kommt weg und wird durch Kies ersetzt. Zudem soll die Eulach durch renaturierte Ufer wieder ein wenig Platz bekommen, damit sie sich ihr Flussbett selbst suchen kann. Markus-Hermann Schertenleib ist begeistert: «Davon habe ich bereits in den 1980er Jahren geträumt. Damals wurde ich für diese Ideen belächelt.»

Eulach ohne nasse Füsse entdecken!

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Hier bekommt man (noch) nasse Füsse. (Bild: Gioia Jöhri)

Die Sicht der Winterthurer:innen auf ihren Stadtfluss hat sich in den letzten 150 Jahren drastisch verändert. Zuerst war er Energie- und Lebensquelle, dann Gefahr, stinkend und Auslöser einer Mückenplage. Und heute wieder im Blick als Erholungsgebiet. «Ich freue mich, wenn das Interesse an der Eulach wieder grösser wird. Sie gehört zur Stadt Winterthur», sagt Markus Hermann Schertenleib.

Wie gut kennst du Winterthurs Stadtfluss?

Entdecke die verborgene Geschichte der Eulach auf der interaktiven Karte.

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WNTI-Portrait-Gioia-Joehri

Gioia ist nicht nur in der Redaktion bei WNTI tätig, sondern arbeitet auch als Videoredaktorin bei SRF News. Winterthur kennt sie bestens, denn sie verbrachte hier ihre Gymnasialzeit. Ausserdem ist es gut möglich, dass sie mehr über dein Haus weiss als du selbst, denn schon bei der Historiker:innen Zeitschrift schrieb sie über die faszinierenden Geschichten, die in den Mauern und Fassaden der Städte verborgen sind. Ihre Leidenschaft für die früheren Lebenswelten der Winterthurer:innen ist ebenso ausgeprägt wie ihre Neugier auf die Lebensrealitäten anderer Menschen.

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