Meine Buchen-Tankstelle

Kraftorte von Martin Frischknecht

WN Kraftort Buchentankstelle
(Bild: Martin Frischknecht)

Ich habe am Abend jetzt öfters ein Date. Mit drei Bäumen. Eigentlich sind es ja mehr. Elf habe ich in dem kleinen Park an der Weinbergstrasse gezählt. Doch in ihrer Mitte stehen drei Buchen, die alles übertreffen: In ihrer Höhe, Breite und Macht sind sie unvergleichlich. Werden Bäume von einer Generation gepflanzt, von der nächsten gehegt und begleitet, so darf die Generation der Enkel die Kraft ihrer Präsenz ernten. Einfach so.

Wer sich zu ihnen setzt, dem gewähren sie Schutz. Vor den sengenden Strahlen der Sommersonne, vor dem Betrieb der Stadt, vor den Nachklängen eines langen Arbeitstages.

Ich muss mit dem Velo einen Umweg fahren, um zu ihnen zu gelangen. Eine Abschweifung vom geraden, schnellen Weg nach Hause. Sie stehen leicht erhöht in einem wohlgeordneten Viertel der Stadt mit Einfamilienhäusern.

Mal für Mal präsentiert sich mir eine leicht andere Szenerie. Gelegentlich spielen Kinder mit dem Gerät, das sich ihnen hier anbietet. Einmal hörte ich einen Anwohner in seinem Garten am Telefon sprechen, Jogger keuchen vorüber, Jugendliche rollen zum Training vorbei. Alle sind sie mit etwas beschäftigt, alle haben ein Ziel.

Ich nicht. Hiersein und sitzen, reicht aus. Als ich doch mal ein Ziel hatte, musste ich über mich selber lachen. Unterwegs zu den Bäumen geriet ich vor eine Bahnschranke. Während ich wartete, bis die Schranke hochging, wurde ich ungeduldig: Platz da, ich habe eine Verabredung, ich will weiter! Eine Verabredung mit drei Bäumen, die sich seit gewiss hundert Jahren nicht von der Stelle rühren.

Wie lächerlich mir meine Geschäftigkeit da vorkam. Stundenlang könnte ich vor einer Bahnschranke warten und würde nichts verpassen. Züge, Autos, Menschen würden vorüberrauschen, in meinem Herzen wäre es ruhig. Gehalten von drei Bäumen.

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