Im Taubenschlag wird es eng

Stadttaube

Taubenschlag Bhf Winterthur_Individualbau AG
(Bild: Individualbau AG)

Benzin riecht ein bisschen wie Sesam. Ich flattere die General-Guisan-Strasse entlang und kurve bei der Kreuzung am Obertor links, links.

«Wie isch es gsi dehei?», Worte gesprochen im Halbdunkel – zwischen Baugerüst und Dimensionen, die beide nicht mehr lange sind. «Dehei» – zu Hause. Für eine Stadttaube wie mich klingt das nicht nach viel. Mein Zuhause ist der Taubenschlag beim Bahnhof. Dort teile ich mir die Sitzstangen mit 150 bis 200 Artgenoss:innen. Schon lange mischt sich der Staat in unsere Nester ein.

Sie sagen, wir seien zu viele. Also tauschen sie unsere Eier gegen Gips. Ein städtischer Trick – elegant, aber kühl. Bestandskontrolle. Populationsmanagement. Wörter so schwer im Magen wie ein Brötchen vom Beck nach Ladenschluss.

Unsere Existenz als Tier wird uns abgesprochen. Denn nicht das Veterinäramt, nicht Stadtgrün, sondern das Tiefbauamt ist für uns zuständig. Nicht Leben, sondern Infrastruktur.

Sie picken sich ihre Regulationen zurecht. Hier gilt ein Bestandsmaximum – dort wuchern die Preise unkontrolliert. Bei den Mieten, bei der Verwertung und bei der Verdrängung. Zwischen 2010 und 2012 zahlte man für eine durchschnittliche 3,5-Zimmer-Wohnung in Winterthur 1564 Franken im Monat. 2025 sind es 2015 Franken. Angebots- und Bestandsmieten klaffen immer weiter auseinander.

Ein Monument für erschwinglichen Wohnraum ist die Gisi. Sie ist ein Zuhause für Menschen und für Kultur. Doch sie droht, wie Baugerüst und Dimensione, zu verschwinden. Der Wiener Philosoph und Künstler Fahim Amir sagte: «Wo es Stadt gibt, da gibt es auch Stadttauben. Und wo es Stadttauben gibt, da gibt es auch Widerstand.»

Vielleicht liegt Widerstand manchmal einfach darin, zu bleiben. Trotz allem.

Illustrierte Stadttaube

Ob gurrend auf den Vordächern, im Brunnen vor dem Stadthaus badend oder Bretzel-Brösmeli-pickend am Bahnhof: Die Stadttaube ist überall dort, wo du bist. Und schnappt Schnipsel aus dem Stadtgemurmel auf. Hier teilt unsere Federfreundin ihre Gedanken dazu.

Kommentare